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Anthropologische Begründung des Todes

 Leben ist eng an Fortpflanzung gekoppelt Vermehrung gilt gewissermaßen als Attribut des Lebens. Das eine ist ohne das andere nicht denkbar. Daß Leben zerstört werden kann, unterliegt physikalischen Gesetzmäßigkeiten, also blieb dem Leben gar nichts anderes übrig, als die Fähigkeit der Fortpflanzung zu entwickeln, um als solches 3,8 Milliarden Jahre überdauern zu können. Dabei umfaßt jenes Leben noch nicht einmal das Klonen des Einzelwesens, sondern beginnt mit der Entstehung der Amino-säuren.

Jedes höhere Leben ist ein Verbund vieler lebender Einheiten, der sogenannten Zellen, die irgendwann eine Spezialisierung eingegangen sind. Nicht nur als Arten pflanzen Lebewesen sich fort, sondern auch durch jede einzelne Zelle, mit einer Ausnahme: den Gehirnzellen. Wieder andere Zellen stellen zu irgendeinem Zeitpunkt die Zellteilung ein. Tun sie das nicht, oder tritt die Zellteilung irgendwann unkontrolliert wieder auf, so entsteht Krebs, der in der Natur zum Tode führt. Zellen, die sich mit am häufigsten teilen, sind Samen- und Eizellen, die den besonderen Zweck der Fortpflanzung erfüllen und wie alle anderen Zellen auch über die gesamte Erbinformation verfügen, die ein Lebewesen ausmacht. Es liegt nun in der Natur der Chemie, daß bei jeder Zellteilung, bei der zwei DNA-Stränge aneinandergelagert werden, Kopierfehler passieren. Höhere Organismen haben dagegen einen speziellen Mechanismus entwickelt, der solche Kopierfehler erkennt und ausbessert, aber eben nur unvollkommen. Was nicht ausgebessert worden ist, bleibt in Form von Mutationen zurück, die ihrerseits wieder vererbt werden können. Gewisse Freiheiten mußte sich die Natur dabei offenbar nehmen, denn sonst wäre die Anpassung an veränderte Lebensbedingungen – ein weiterer wichtiger Aspekt des Lebens – ausgeschlossen. In der Mutation liegen neben den bekannten Nachteilen, den Erbkrankheiten, auch gewisse Vorteile, nämlich Chancen auf Verbesserung, ja sogar Vervollkommnung: Zunahme an Kraft von Körper und Geist, an Schönheit von Leib und Seele, an Glück und Freude. Fortpflanzung und Anpassung – welch letztere gemessen an den Herausforderungen, die das Leben stellt, und den Gefahren, die es birgt, nur ein anderes Wort für Überleben ist – sind nahezu die einzigen Attribute des Lebens; erstere dient der Art-, letztere der Selbsterhaltung.

Leben erfordert zu seiner Aufrechterhaltung noch zusätzlich Energie, und dies zu bewerkstelligen ist in bezug auf die Selbsterhaltung eine der wesentlichen Aufgaben, die das Leben auszeichnen, daß es sich nämlich aus sich selbst heraus versorgen kann. Um diese Energie zu gewinnen, bedarf es eines Stoffwechsels, einer Zufuhr und Ausscheidung von Stoffen, die durch Umwandlung die zum Leben benötigten Kalorien bereitstellen. Teil des Arterhaltungstriebs ist speziell bei den höheren Lebenswesen neben der eigentlichen Fortpflanzung noch der Brutinstinkt, der in den meisten Fällen die Aufzucht des Nachwuchses einschließt. Wenn diese Phase abgeschlossen ist, hat das Leben in der Regel seinen Zweck erfüllt, ob ein tieferer Sinn darin liegt, wissen wir nicht, weil jede Art irgendwann degeneriert, bis sie schließlich ausstirbt. Dabei ergeht es dem Menschen nicht anders als anderen Lebewesen. Das ewige Leben ist zwar ein schöner Traum, hat aber mit der physikalischen Realität nichts zu tun, denn je komplexer eine Lebensform ist, desto schwieriger wird es zum einen, Kopierfehler der Erbinformation zu reparieren, zum anderen stehen dem Überleben die Naturgesetze entgegen. Jede molekulare Bindung nimmt Energie einer bestimmten Wellenlänge in Form von eingestrahlten elektromagnetischen Wellen bzw. sogenannten Quanten auf, die die Energieniveaus der beteiligten chemischen Verbindungen anheben und letztere auch aufbrechen können. Damit ist jedes Leben nur über einen begrenzten Zeitraum gegen zerstörerische Einwirkungen gefeit, was sich nicht nur in der minderen Qualität eines erst in vorgerückten Jahren gezeugten Nachwuchses äußert, sondern auch im Alterungsprozeß selbst, der ja nichts anderes ist als das Ergebnis zerstörter und nicht mehr regenerationsfähiger Zellen. Der Tod sorgt nun dafür, daß beides nicht eintreten kann: erstens ein zu hohes Alter, womit die Weitergabe nicht mehr intakten Erbmaterials eingeschränkt wird, zweitens, daß krankhaftes Erbgut schon in jungen Jahren Verbreitung findet. Somit erscheint der Tod des Individuums zum Wohle der Allgemeinheit überaus sinnvoll, ja er ist zum Fortbestand einer Art sogar unabdingbar notwendig und sollte durch den Menschen weder verhindert noch hinausgezögert werden. Je besser nicht mehr intakte oder schlechte Gene gefiltert werden, desto mehr gereicht es der eigenen Art zum Vorteil.

Außer diesen genetischen Effekten hat der Tod aber noch einen weiteren biologischen Nutzen, nämlich den der Wachstumsbegrenzung. Der Mensch als Teil eines Räuber-Beute-Systems – allerdings mehr in der Rolle des Räubers als der Beute – hat keine natürlichen Feinde mehr, außer den Mikroben, und kann eigentlich nur Beute von Artgenossen werden. Dabei kennt der Schaden, den der Mensch umgekehrt der Natur zufügt, keine Grenzen. Stück für Stück hat er alle anderen Arten aus ihrem Lebensraum verdrängt, sich selbst aber weit über die Grenzen Afrikas hinaus verbreitet. Er rodet, brennt nieder, verfrachtet Berge oder ebnet sie ein, höhlt das Innere der Erde aus und verschmutzt Gewässer, Meere und Atmosphäre. Unzählige Tiere und Pflanzen sind es, die seiner Einwirkung und ungehemmten Vermehrung fortlaufend zum Opfer fallen, sei es, daß er sie auffrißt, ausreißt, herausfischt oder auch nur zerdrückt. Er pflanzt fremde Arten in fremde Böden ein, verunreinigt endemische Faunen und Floren und manipuliert selbst noch die Gene. Durch Züchtung verfälscht er ursprüngliche und natürliche Arten und schafft sich seine eigenen Monster. Nicht einmal der Weltraum ist ihm heilig, selbst ihn noch füllt er mit seinem Schrott an: Riesige Müllberge, Deponien radioaktiven Abfalls, rauchende Schlote von Atom- und Braunkohlekraftwerken, Sondermüllverbrennungsanlagen, aufgestaute Flüsse und Dämme künden von seinem schrecklichen Wirken. Er holt die letzten seltenen Erden aus dem Boden, beutet Kohleflöze, Erdöl- und Erzlagerstätten aus und siebt die letzten Goldkörner aus den Flüssen. Urwälder werden von ihm gerodet, Tunells und Kanäle gegraben, wo vorher keine waren, und Brücken über Täler und Meerengen gespannt. Autobahnen werden schnurgerade vorangetrieben, Hochhäuser in den Himmel gebaut und ganze Länder mit Hochspannungsleitungen überzogen. Beinah jedes freie Fleckchen Erde wird heute mit Solarzellen verkleidet, und überall auf den Anhöhen sieht man Windräder sich drehen. Kein Ort, an dem nicht dutzende Funkmasten ein weltumspannendes Informationssystem bedienen, und kaum eine Frequenz des elektromagnetischen Spektrums, die nicht genutzt wird. Die Städte sind übersät mit alten und gebrechlichen Menschen, und in den Krankenhäusern findet man kaum noch ein freies Bett. Menschen, die zum Leben an Maschinen angeschlossen werden, Alten- und Blindenwohnheime, Taubstummenanstalten und psychiatrische Kliniken, Haftanstalten und Rehabilitationszentren, Behindertenheime, Kindergärten, Ganztags- und Sonderschulen, die ein zunehmend größeres Heer an Pflege- und Betreuungspersonal erfordern, sind Ausdruck einer kranken und kaum noch lebensfähigen Gesellschaft. Der Tod ist also eine stabilisierende  Kraft zur Aufrecht-erhaltung des ökologischen Gleichgewichts, ohne das ein Zusammenleben mehrerer Arten in einem Räuber-Beute-System nicht möglich ist. Zugleich besitzt der Tod reinigende Wirkung, da er die gesamte Spezies vor verstärktem degenerativen Verfall bewahrt. Es ist gut, daß es ihn gibt, denn er trägt zum Wohle einer jungen und gesunden Menschheit bei. Daß der einzelne persönlich Furcht vor dem Tod empfindet, widerspricht dem nicht, denn der Mensch hat als Art eine ungewöhnlich hohe Lebenserwartung erreicht. Dafür mußte er in Kauf nehmen, im Unterschied zu allen anderen Arten weitaus stärker zu degenerieren. Erst die Abkehr von der Inzucht, und damit die Hinwendung zur Polymorphie, hat ihm das ermöglicht. Während Tiere unter sich gleich sind, d.h. reinerbig, ist der Mensch ein bastardisierendes, d.h. mischerbiges Wesen. Er ist dadurch zwar vor Erbkrankheiten stärker geschützt und erreicht ein höheres Alter als reinerbige Tiere, vereinigt dafür aber auch viele, nicht-lethale Degenerationen auf sich. Die Natur würde sich von sich aus immer für die erste, die reinerbige Variante entscheiden, da durch diese eine höhere Kompatibilität des genetischen Codes erreicht wird. Der Weg, den der Mensch eingeschlagen hat, führt in die chaotische Vielfalt und damit in die größtmögliche Ungleichheit. Diese Ungleichheit gehorcht mathematisch einer Gleichverteilung, während die Gleichheit einer Deltafunktion genügt. Dazwischen liegt die Normalverteilung, die den Übergangs-bereich zwischen diesen zwei Grenzzuständen markiert. Der Tod führt also in letzter Instanz zu mehr Gleichheit unter den Lebenden, er wirkt selektiv zu Gunsten der Gesunden, durch ihn nimmt die Entropie ab, im Grenzfall totaler Gleichheit (x1 = 1) wäre sie null,

 

Daher gereicht das Sterben der Evolution, die es ohne den Tod nicht geben kann, insgesamt zum Vorteil. Das unendliche Leben hingegen würde in vollkommener Ungleichheit enden  (xi = 1/n für alle i), die Entropie wäre unendlich,

 

geschweige denn, daß es die Unendlichkeit mit den Naturgesetzen, wie wir sie kennen, jemals geben kann.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Copyright © 2012, Manfred Hiebl. Alle Rechte vorbehalten.