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Die
Schlacht bei Cannae
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Nichts ist der Diskussion
würdiger, als wenn eine große Schlacht verloren gegangen ist,
deren Verluste sich ins Unfaßbare beziffern und die eine
Dimension erreichen, daß sie die Existenz des Besiegten aufs
Spiel setzen. So ähnlich erging es den
Römern nach der Schlacht
bei Cannae, 216 v. Chr., während des Zweiten Punischen Krieges,
als Hannibal vor den Toren stand und die Weltmacht in ihren
Grundfesten erschütterte. Über kaum eine Schlacht der Antike
ist mehr geschrieben und gerätselt worden wie über diese, und
kaum ein anderes Thema hat seit damals das Denken der Strategen
stärker beflügelt und Kriegsberichterstattern eine größere
Anteilnahme entlockt als das der Kesselschlacht. Die Menschen
damals, soweit sie sich als Römer oder deren Bundesgenossen
sahen, begannen an sich selbst und ihrer militärischen
Überlegenheit zu zweifeln. Dennoch sollte Rom noch eine etwa
fünfhundertjährige Frist vergönnt sein, ehe der Klang seines
Namens, von Barbarenvölkern in den Staub getreten, verblaßte
und seine militärische Bedeutung schwand. Was waren die Gründe
gewesen, die dem Barbaren Hannibal solch überschwenglichen
Erfolg verliehen, und wieso kam es trotz ihrer zahlenmäßigen
Unterlegenheit zu einem so durchschlagenden Erfolg der Karthager,
der Rom fast den Atem stocken und es am Ende, wie durch ein
Wunder, doch noch den Sieg davontragen ließ? Über das
Schlachtgeschehen und die einzelnen Phasen der Schlacht geben die
antiken Quellen hinreichend Aufschluß; vorrangig wären zu
nennen: der zeitgenössische Bericht des Polybius, ein Freund
Scipios, und die fast im Wortlaut wiedergegebene Nacherzählung
des Livius, in der hinsichtlich der Angaben zu Gefallenen und
Überlebenden Korrekturen angebracht wurden, die weit niedriger
angesetzt werden, um die Niederlage der Nachwelt nicht mehr ganz
so dramatisch erscheinen zu lassen, wie sie in Wirklichkeit war.
Daß die römischen Verluste hoch waren, soll uns hier nicht
weiter bekümmern. Ob allerdings das römische Durchbrechen der
karthagischen Reihen ein taktischer Schachzug des Gegners oder in
der Form gar nicht vorgesehen war, diesen Schluß lassen die
beiden Quellen im nachhinein nicht mehr zu, festzustehen scheint
lediglich, daß das Hauptkampfgeschehen, fast wie vorgegeben,
keinen anderen Verlauf mehr zuließ als den der Einkesselung.
Gleichwohl hätte diese Umzingelung bei einem siegreichen
Eingreifen der beiden Reiterflügel verhindert werden können,
und umgekehrt hätte der weitere Vorstoß der Römer nicht
erfolgen dürfen bzw. aufgehalten werden müssen, nachdem klar
geworden war, daß die römische Reiterei geschlagen und die der
Bundesgenossen in die Flucht getrieben worden war. Doch gerade
darin zeigte sich die eklatante Schwäche der römischen
Heeresleitung, die aus zwei Konsuln bestand, die noch dazu auf
entgegengesetzten Flügeln befehligten, während die
Befehlsgewalt des Hauptheeres den Konsuln des Vorjahres
übertragen war, die als gewöhnliche Fußsoldaten in der Masse
mitkämpften. Umgekehrt befehligte Hannibal in alleiniger Person
das Hauptheer in der Mitte, lediglich unterstützt durch seinen
Bruder Mago, während die Befehlsgewalt über die iberische und
keltische Reiterei dem militärisch außerordentlich begabten
Hasdrubal übergeben war, dem somit ein maßgeblicher Anteil am
karthagischen Sieg zugeschrieben werden muß. Hasdrubal war es
auch, der den Sieg über die römische Reiterei geschickt
auszunutzen wußte, indem er nach ihrer Niederwerfung der
nubischen Reiterei zu Hilfe kam, die, auf dem rechten Flügel
gegen die römischen Bundesgenossen kämpfend, an sich nicht viel
ausrichtete und den Gegner lediglich zu binden imstande war, die
sich jedoch vortrefflich dazu eignete, den sich zur Flucht
wendenden Flügel der römischen Bundesgenossen zu verfolgen, so
daß Hasdrubal seine iberischen und keltischen Reiter dafür
einsetzen konnte, die römischen Fußsoldaten im Rücken
anzugreifen und damit den Ausgang der Schlacht zu entscheiden.
Auf römischer Seite passierten noch eine Reihe weiterer
kriegsentscheidender Fehler. So floh beispielsweise C. Terentius,
der an diesem Tag den Oberfehl innehatte und der militärisch
unerfahrenere der beiden Konsuln war, wie er sah, daß der
siegreiche linke karthagische Flügel sich anschickte, dem
rechten zu Hilfe zu kommen, auf schmähliche Weise vom
Schlachtfeld, während L. Aemilius Paulus zu diesem Zeitpunkt
schon verwundet war und sich, nicht ohne den anderen noch die
Gewißheit zu hinterlassen, daß die Schlacht verloren sei, in
sein Schicksal ergab. Auch die Konsuln des Vorjahres fielen im
Kampf, womit das Heer führerlos und sich selbst überlassen war.
Man sieht also, daß es nicht ein einzelner Fehler war, der die
Entscheidung herbeiführte, sondern eine ganze Kette
zusammenwirkender ungünstiger Umstände, welche die römische
Niederlage einleiteten, unter denen zu nennen wären: drei
jüngst erlittene Niederlagen des römischen Heeres
hintereinander, junge und unerfahrene Soldaten, die noch nie an
einer Schlacht teilgenommen, geschweige denn zuvor ihren Gegner
zu Gesicht bekommen hatten boten die Kelten doch aufgrund
ihrer Körpergröße, mit nacktem Oberkörper kämpfend, einen
ungewohnten und furchterregenden Anblick und in erbeuteten
römischen Rüstungen kämpfende Libyer, die somit eine
ebenbürtige Bewaffnung besaßen und zudem mit frischen Kräften
ins Feld geschickt wurden, als die Römer bereits abgekämpft
waren. Auch wirkte sich der Streit der Feldherrn demoralisierend
auf die Soldaten aus. Wenngleich sich die Umzingelung dadurch
wohl nicht hätte verhindern lassen, so wäre sie doch erheblich
erschwert worden, wenn Gaius die Legionen in breiterer Front
aufgestellt hätte, anstatt sie in größerer Tiefe zu staffeln.
Insbesondere hätte das römische Heer dann nicht auf so engem
Raum zusammengedrängt werden können. Auch waren, was sonst
unüblich war, die Heere beider Konsuln zusammengelegt worden,
während ganze 10000 Mann, die Lucius zum Schutz des Lagers
abgezogen hatte, für die Feldschlacht nicht zur Verfügung
standen. Die Wahl des Schlachtfeldes war bei der Überlegenheit
der gegnerischen Reiterei für die Römer ungünstig, fand sie
doch in einem den Kavallerieeinsatz begünstigenden Gelände
statt. Der Reiterkampf wurde nicht nach römischer Manier,
sondern nach Barbarenart geführt, d.h. die Kelten und Iberer
saßen ab, nachdem sie sich einmal auf den Feind geworfen hatten,
und kämpften zu Fuß weiter, Mann gegen Mann, wobei die Römer
sich im Nachteil befanden, da ihnen diese Art zu Pferde zu
kämpfen ungewohnt war. Die Schlacht war somit lange vorher schon
entschieden, noch ehe die römische Schlachtordnung sich
auflöste.
Betrachtet man nun die ethnische Zusammensetzung in Hannibals
Heer, so stellt man fest, daß es sicher nicht die Punier waren,
die diesen Sieg herausfochten, sondern es sind hauptsächlich die
Kelten gewesen, die Angstgegner der Römer, mit denen Rom schon
mehrmals schlechte Erfahrungen gemacht hatte und die deshalb von
Hannibal in die vorderste Linie gestellt worden waren. Dieser
Herausforderung zu begegnen war das Gebot der Stunde, was die
Römer letztlich dazu nötigte, sich ganz Gallien zu unterwerfen,
denn nur so konnte eine dauerhafte Befriedung ihrer
Reichsgrenzen, wenigstens für einige Zeit, Bestand haben.
Um das
hier Vorgetragene nachzuvollziehen, empfiehlt es sich, zunächst
den Text der Quellen durchzulesen, der hier in der Fassung von
Livius wiedergegeben ist, die sich in vielen Punkten wie ein
Polybiussches Plagiat ausnimmt, jedoch hinsichtlich Angaben zu
Gefangenen und Toten, wie schon erwähnt, deutlich abweicht.
Livius, Römische
Geschichte, Der Zweite Punische Krieg, Buch XXII, Kap. 44-50.
''Die Konsuln folgten
auf ausreichend erkundeten Wegen dem Punier und schlugen, sobald
man in die Nähe von Cannae gekommen war und den Punier vor Augen
hatte, zwei befestigte Lager, die etwa gleich weit voneinander
entfernt waren wie bei Gereonium; wie vorher hatten sie ihre
Truppen geteilt. Der Aufidus, der an beiden Lagern vorbeifloß,
gewährte zwar den Wasserkommandos Zutritt, allerdings ging dies
an den für beide Parteien günstigen Stellen nicht ohne Gefechte
ab. Jedoch von dem kleineren Lager aus, das jenseits des Aufidus
lag, konnten die Römer unbehinderter Wasser holen, weil das
jenseitige Ufer vom Feind nicht besetzt war. Für Hannibal ergab
sich die Aussicht, in dem für einen Reiterkampf wie geschaffenen
Gelände - mit diesem Teil seiner Streitkräfte war er bisher
unbesiegt - würden ihm die Konsuln Gelegenheit zu einer Schlacht
geben, und so stellte er sein Heer zur Schlacht auf und forderte
durch das Geplänkel der Numider die Feinde heraus.
Da
geriet das römische Lager erneut durch die Meuterei der Soldaten
und die Zwietracht der Konsuln in Aufregung: Paulus warf Varro
die Unbesonnenheit eines Sempronius und Flaminius vor, Varro
hielt Paulus den Fabius vor Augen als ein auffälliges Beispiel
für furchtsame und saumselige Führer; dieser rief Götter und
Menschen zu Zeugen an, ihn treffe keine Schuld, wenn Hannibal
bereits Italien gleichsam auf Grund des Nutzrechtes in Besitz
genommen habe. Er werde ja von seinem Amtsgenossen an jeder
freien Bewegung gehindert, Wehr und Waffen würden den erzürnten
und zu kämpfen wünschenden Soldaten weggenommen. Jener
erklärte, wenn irgend etwas den einer unüberlegt begonnenen und
unvorhergesehenen Schlacht preisgegebenen Legionen zustoße,
werde er daran keine Schuld haben, sich aber zum Teilhaber an
jedem Erfolg machen. Er solle sehen, daß die, die eine solch
schlagfertige und voreilige Sprache führen, auch über gleich
kräftige Hände verfügen.
So wurde
mehr unter Zänkereien als mit Beratungen die Zeit vergeudet.
Hannibal zog aus der Kampfaufstellung, die er bis weit in den Tag
hinein aufrechterhalten hatte, die übrigen Truppen in das Lager
zurück, während er die Numider über den Fluß schickte, um die
Wasserkommandos aus dem kleineren römischen Lager zu
überfallen. Kaum daß diese an das Ufer gestiegen waren,
schlugen sie den ungeordneten Haufen unter Geschrei in wilde
Flucht und ritten auch auf die vor dem Wall stehende Feldwache
los und fast unmittelbar an die Tore heran. Diesen Vorgang, daß
von einer zusammengerafften Abteilung sogar schon das römische
Lager in Schrecken versetzt werde, empfand man vollends
empörend. Und nur der eine Grund hielt die Römer davon zurück,
sofort über den Fluß zu gehen und das Heer zur Schlacht
aufzustellen, daß der Oberbefehl an diesem Tage in den Händen
des Paulus lag. Deshalb hißte am folgenden Tage Varro, dem
gerade an diesem Tage der Oberbefehl zugefallen war, ohne
vorherige Beratung mit dem Amtsgenossen die Fahne und führte
seine Truppen in Kampfformation über den Fluß. Paulus folgte,
weil er zwar den Plan mißbilligen, ihm aber nicht seine
Unterstützung versagen konnte. Als sie den Fluß überschritten
hatten, zogen sie auch die Truppen, die sie im kleineren Lager
gehabt hatten, an die ihrigen heran und stellten das Heer
folgendermaßen zur Schlacht auf: Auf dem rechten Flügel - er
war näher am Fluß - stand die römische Reiterei, im Anschluß
daran das Fußvolk, den linken Flügel bildete zuäußerst die
bundesgenössische Reiterei, weiter nach innen stand das
Fußvolk, gegen die Mitte zu mit Anschluß an die römischen
Legionen. Die Schleuderer zusammen mit den übrigen leichten
Hilfstruppen bildeten die erste Kampflinie. Die Konsuln
befehligten auf den Flügeln, Terentius auf dem linken, Aemilius
auf dem rechten. Geminus Servilius wurde mit der Führung der
Schlacht im Zentrum beauftragt.
Hannibal
schickte bei Tagesanbruch die Balearen und seine übrigen
leichten Truppen voraus und ging dann über den Fluß. Er
stellte die einzelnen Abteilungen in der Reihenfolge, wie er sie
hinübergeführt hatte, in Kampflinie auf, die gallischen und
spanischen Reiter nahe bei dem Ufer auf dem linken Flügel
gegenüber der römischen Reiterei. Den rechten Flügel bildete
die numidische Reiterei, das Zentrum wurde dadurch gesichert,
daß auf seinen beiden Flügeln die Afrer standen, während in
die Mitte zwischen diesen Gallier und Spanier gestellt wurden.
Man hätte die Afrer für eine römische Kampflinie halten
können: so waren sie mit Waffen ausgerüstet, die sie teils am
Trebia, aber hauptsächlich am Trasumennersee erbeutet hatten.
Die Gallier und Spanier hatten Schilde fast von der gleichen
Form, während ihre Schwerter verschieden in der Wirkung und
unähnlich in der Form waren. Die gallischen Schwerter waren sehr
lang und abgestumpft, die spanischen - der Spanier geht
gewöhnlich mehr mit Stich als mit Hieb auf seinen Feind los -
waren infolge ihrer Kürze handlich und waren spitzig. Mehr als
die anderen Völkerschaften sahen sie durch ihre Körpergröße
wie überhaupt durch ihre äußere Erscheinung furchterregend
aus: Die Gallier waren bis an den Nabel nackt, die Spanier hatten
sich in leinenen, purpurgesäumten Leibröcken, die in
erstaunlichem Glanz schimmerten, aufgestellt. Die Zahl des
gesamten Fußvolkes, das damals in der Schlacht stand, betrug
vierzigtausend, die der Reiterei zehntausend. Auf dem linken
Flügel befehligte Hasdrubal, auf dem rechten Maharbal. Das
Zentrum führte Hannibal selbst mit seinem Bruder Mago. Die Sonne
schien schräg, was für beide Parteien sehr günstig war, mögen
sie nun absichtlich so aufgestellt worden sein oder standen sie
zufällig so. Die Römer hatten Front nach Süden, die Punier
nach Norden. Ein Wind - die Einheimischen nennen ihn Volturnus -
erhob sich entgegen den Römern, trieb ihnen damit viel Staub
gerade in das Gesicht und nahm ihnen den freien Ausblick.
Als sie
das Kriegsgeschrei erhoben hatten, stießen die Hilfstruppen vor,
und die Schlacht wurde durch die leichten Truppen eröffnet.
Darauf stieß der linke Flügel der gallischen und spanischen
Reiterei mit dem rechten römischen zusammen, was durchaus nicht
in der Art einer Reiterschlacht verlief. Denn sie mußten Front
gegen Front aufeinanderprallen, da kein Raum auf beiden Seiten zu
einer Überflügelung gelassen war. Denn hier war der Fluß, dort
stand die Kampflinie des Fußvolks im Wege. Beiderseits
gegeneinander andringend, kamen die Pferde nicht von der Stelle
und drängten sich schließlich zu einem dichten Haufen zusammen,
so daß ein Reiter den anderen umklammerte und vom Pferd zu
reißen suchte. So hatte sich bereits weithin ein Kampf zu Fuß
entwickelt. Doch war dieser eher erbittert als von langer Dauer:
Die römische Reiterei wurde geschlagen und wandte sich zur
Flucht.
Gegen
das Ende der Reiterschlacht entbrannte die des Fußvolkes. Zuerst
waren sich beide Parteien einander gleich an Streitkräften und
Mut, solange die Reihen der Gallier und Spanier zusammenhielten.
Endlich nach langem vergeblichem Andringen bildeten die Römer
eine schräge Front und machten ihre Kampflinie dichter. Mit
dieser drückten sie den allzu dünnen und daher zu schwachen
Keil der Feinde, der aus der übrigen Kampffront vorsprang, ein.
Die Feinde wurden zurückgeworfen und zogen sich, von den Römern
verfolgt, in Verwirrung zurück. Durch den in kopfloser Angst
fliehenden Haufen hindurch gelangten dann die Römer in einem
Schwung zuerst mitten in das feindliche Zentrum und sodann, ohne
Widerstand zu finden, zu den rückwärts stehenden Afrern. Diese
hatten sich so aufgestellt, daß die beiderseitigen Flügel
zurückgebogen waren, während die Mitte der Kampffront, wo die
Gallier und Spanier gestanden hatten, ziemlich weit vorsprang.
Als dieser Keil eingedrückt war und dadurch die Front geradlinig
verlief, dann sich infolge des weiteren Zurückweichens sogar
eine Einbuchtung in der Mitte ergab, hatten sich die Afrer
bereits staffelförmig vorgeschoben. Die Römer brachen
unvorsichtig in das Zentrum ein, wurden aber von den Afrern
überflügelt, die ihre Umfassung noch weiter ausdehnten und so
ihre Feinde auch im Rücken einschlossen. Darauf ließen die
Römer, die vergeblich die eine Schlacht durchgekämpft hatten,
von den Galliern und Spaniern, auf die sie schon von hinten
eingehauen hatten, ab und begannen eine neue Schlacht gegen die
Afrer. Diese war nicht nur deshalb ungleich, weil sie
eingeschlossen in der Umzingelung, sondern auch, weil sie bereits
erschöpft mit frischen und kräftigen Truppen zu kämpfen
hatten.
Schon
war auch auf dem linken römischen Flügel, wo die Reiterei der
Bundesgenossen sich aufgestellt hatte, der Kampf in Gang
gekommen. Zuerst nur lässig geführt, hatte er mit einer echt
punischen List begonnen. Etwa fünfhundert Numider, die außer
ihren gewohnten Waffen Schwerter unter ihren Panzern verborgen
hatten, ritten von den Ihrigen weg und kamen heran, als ob sie
Überläufer wären. Da sprangen sie plötzlich von ihren Pferden
ab und warfen Schilde und Wurfspeere den Feinden vor die Füße.
Man nahm sie in die Mitte der Kampflinie und führte sie dann zu
den hintersten Reihen, wo man ihnen den Befehl gab, hier im
Rücken der Römer abzusitzen. Und während sich die Schlacht auf
der ganzen Linie entwickelte, verhielten sie sich ruhig. Als aber
aller Augen und Sinne von dem Kampfgeschehen in Anspruch genommen
waren, ergriffen sie die Schilde, die überall zwischen den
Haufen der Erschlagenen auf dem Boden lagen, und griffen die
Kampflinie der Römer von hinten an. Sie hieben auf deren Rücken
ein, durchschlugen ihnen die Kniekehlen, richteten ein ungeheures
Blutbad an und verursachten dabei eine noch viel größere Panik.
Während hier Schrecken und Furcht herrschte, dort trotz bereits
schlechten Aussichten ein hartnäckiger Kampf tobte, zog
Hasdrubal, der auf diesem Teil des Kampffeldes befehligte, seine
Numider, weil ihr Kampf mit dem gegenüberstehenden Feind ohne
Kraft war, aus dem Zentrum heraus und schickte sie auf die
Verfolgung des überall fliehenden Feindes. Die spanischen und
gallischen Reiter führte er den Afrern zu, die fast mehr durch
das Morden als durch das Kämpfen erschöpft waren.
Auf dem
anderen Teil des Schlachtfeldes trat Paulus, obgleich er gleich
zu Beginn des Kampfes durch einen Schleuderwurf schwer verwundet
worden war, in dichtgeschlossener Formation Hannibal immer wieder
entgegen und brachte den Kampf an einigen Punkten zum Stehen,
wobei er persönlich römische Reiter als Bedeckung hatte. Diese
saßen zuletzt ab, weil der Konsul nicht mehr die Kraft hatte,
sein Pferd zu lenken. Als sodann Hannibal jemand meldete, der
Konsul habe die Reiter zum Gefecht zu Fuß absitzen lassen, soll
er zu ihm gesagt haben: »Wieviel lieber wäre es mir, wenn er
sie mir gefesselt ausliefern würde!« Der Kampf der Reiter zu
Fuß verlief so, wie es zu gehen pflegt in einer Lage, da der
Sieg der Feinde nicht mehr zweifelhaft ist: Die Besiegten starben
lieber auf der Stelle, als daß sie flohen, und die Sieger
machten, erzürnt über die, die den Sieg verzögerten, alle
nieder, die sie nicht zum Weichen bringen konnten. Zum Weichen
brachten sie jedoch die wenigen noch Überlebenden, die durch die
Anstrengung und die Wunden erschöpft waren. Darauf zerstreuten
sie sich alle, und soweit sie es konnten, suchten sie ihre Pferde
zur Flucht wiederzubekommen.
Als der
Kriegstribun Cn. Lentulus im Vorbeireiten den blutbedeckt auf
einem Stein sitzenden Konsul erblickte, rief er: »L. Aemilius,
auf dich als den einzigen, der an der heutigen Niederlage keine
Schuld hat, sollten die Götter Rücksicht nehmen. Nimm dieses
Pferd, solange du noch einen Rest von Kraft hast und ich dich als
dein Begleiter hinaufheben und beschützen kann! Mach diese
Schlacht nicht auch noch durch den Tod des Konsuls unheilvoll!
Ohnehin schon gibt es genug der Tränen und der Trauer.« Darauf
sagte der Konsul: »Heil dir ob deines Mannestums! Doch vergeude
ja nicht die spärliche Zeit, aus den Händen der Feinde zu
entrinnen, mit vergeblichem Jammern! Geh, melde amtlich den
Vätern, sie sollen die römische Stadt befestigen und, ehe der
siegreiche Feind anrückt, mit Besatzungen sichern! Persönlich
melde dem Q. Fabius, L. Aemilius sei seinen Lehren im Leben und
bis zum Tode treu geblieben. Mich laß hier inmitten meiner
erschlagenen Soldaten mein Leben aushauchen, damit ich nicht
wieder infolge meines Verhaltens als Konsul angeklagt werde oder
als Ankläger meines Amtsgenossen aufzutreten brauche, um durch
die Anschuldigung eines anderen meine eigene Unschuld zu
beschützen.« Während sie dies verhandelten, stürzte zuerst
eine Schar der eigenen fliehenden Leute heran und hinter ihnen
die Feinde. Sie überschütteten den Konsul, ohne zu wissen, wer
er war, mit Geschossen, während den Lentulus sein Pferd in dem
Getümmel entführte. Dann setzte überall eine regellose Flucht
ein. Siebentausend Leute flohen in das kleinere Lager,
zehntausend in das größere, etwa zweitausend in das Dorf Cannae
selbst. Diese wurden sofort von Carthalo und seiner Reiterei, da
keine Befestigungsanlage das Dorf schützte, umzingelt. Der
andere Konsul, der sich zufällig oder auch aus Überlegung
keinem Haufen der Fliehenden angeschlossen hatte, entfloh mit
etwa fünfzig Reitern nach Venusia.
Fünfundvierzigtausendfünfhundert Mann zu Fuß,
zweitausendsiebenhundert Reiter, und zwar fast zu gleichen Teilen
Bürger und Bundesgenossen, sollen gefallen sein. Darunter waren
auch die beiden Quästoren der Konsuln, L. Atilius und L. Furius
Bibaculus, sowie neunundzwanzig Kriegstribunen, einige Männer
konsularischen, prätorischen und ädilizischen Ranges - unter
diese rechnet man Cn. Servilius Geminus und M. Minucius, der im
Jahre zuvor Reiteroberst und noch einige Jahre früher Konsul
gewesen war -, außerdem achtzig Senatoren oder
Persönlichkeiten, die solche Ämter bekleidet hatten, von denen
aus man in den Senat hätte gewählt werden sollen. Doch waren
sie freiwillig gewöhnliche Soldaten in den Legionen geworden. In
dieser Schlacht sollen dreitausend Mann zu Fuß und
eintausendfünfhundert Reiter gefangengenommen worden sein.
Dies ist
die Schlacht von Cannae, an Berühmtheit der Niederlage an der
Allia gleich; nur war sie einerseits hinsichtlich der Ereignisse
nach der Schlacht leichter, da der Feind zögerte, aber gemessen
an den blutigen Verlusten des Heeres schwerer und schrecklicher.
Denn durch die Flucht an der Allia wurde zwar die Stadt
preisgegeben, aber das Heer gerettet, bei Cannae folgten dem
fliehenden Konsul kaum fünfzig Leute, während das Schicksal des
anderen Konsuls, der den Tod fand, fast das ganze Heer teilte.''
Text: Universal-Bibliothek Nr. 2109[2], Philipp
Reclam jun., Stuttgart 1981
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