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Zwölftes Buch  

Balduin, Graf von Edessa, wird zum König gewählt. Seine Herkunft. (Kap. 1) Veranlassung seiner Reise nach Jerusalem. (Kap. 2) Der Grund, aus dem man ihn zum König wählte. Großmut des Grafen Eustach von Bouillon. (Kap. 3) Schilderung des Äußeren und des Charakters des Königs. (Kap. 4) Tod des Kaisers Alexius, des Papstes Paschalis und der Gräfin von Sizilien. (Kap. 5) Ankunft ägyptischer Heere. Der König zieht ihnen entgegen, es kommt jedoch zu keinem Treffen. (Kap. 6) Entstehung des Tempelritterordens. (Kap. 7) Tod des Papstes Gelasius. Sein Nachfolger Kalixtus. (Kap. 8) Der türkische Satrap Ilghazi fällt in das Gebiet von Antiochien ein. (Kap. 9) Das christliche Heer wird geschlagen, Fürst Roger fällt. (Kap. 10) Der König und der Graf von Tripolis eilen mit Hilfstruppen nach Antiochien. (Kap. 11) Der König schlägt das Heer Ilghazis und übernimmt die Regierung des Fürstentums Antiochien. (Kap. 12) Allgemeine Versammlung bei Neapolis. (Kap. 13) Neuer Einfall Ilghazis in Antiochien. Sein Tod. (Kap. 14) Freiheiten, die der König den Bürgern von Jerusalem gewährt. (Kap. 15) Einfall des Königs von Damaskus im Gebiet von Tiberias. Der König zieht ihm entgegen und zerstört Gerasa. (Kap. 16) Der türkische Fürst Balak fällt in Antiochien ein. Der Graf Joscelin und der König geraten in seine Gefangenschaft. (Kap. 17) Eroberung des Platzes, in dem sie gefangen liegen, durch einige Armenier. Der König befestigt den Platz. Joscelin wird nach Hilfstruppen ausgeschickt. (Kap. 18) Der König muß sich ergeben und wird aufs neue gefangen weggeführt. (Kap. 19) Graf Joscelin kommt mit seinen Hilfstruppen zu spät und entläßt sie wieder. (Kap. 20) Ankunft und Niederlage eines neuen ägyptischen Heeres. (Kap. 21) Ankunft des Dogen von Venedig. (Kap. 22) Der Doge schlägt die ägyptische Flotte. (Kap. 23) Er vereinigt sich mit den Fürsten zur Eroberung von Tyrus. (Kap. 24) Die Urkunde über den Vertrag zwischen den Fürsten und den Venezianern. (Kap. 25)

    I. Der zweite lateinische König von Jerusalem war Balduin von Bourg, der den Beinamen "der Stachel" führte, ein frommer und gottesfürchtiger Mann, der durch seinen festen Sinn und durch seine Erfahrung im Kriegswesen hervorleuchtete. Er war von Volkszugehörigkeit ein Franke aus dem Bistum Reims, ein Sohn des Grafen Hugo von Retest und der vortrefflichen Gräfin Milisendis, welche durch ihre vielen Schwestern, die eine unglaubliche Menge von Söhnen und Töchtern zur Welt brachten, bekannt ist, wie dies jene, welche sich mit den Geschlechtsregistern der Fürsten befassen, bestens wissen. Er hatte sich wie die übrigen Edlen, welche ihr Leben Gott weihten, noch zu Lebzeiten seines Vaters im Gefolge Herzog Gottfrieds, mit dem er verwandt war, nach Jerusalem aufgemacht und bei seinem alten Vater zu Hause zwei Brüder und zwei Schwestern zurückgelassen, von welchen er der Erstgeborene war. Der eine seiner Brüder, welcher nachher zum Erzbischof von Reims gewählt wurde, hieß Gervais, der andere Manasse. Von seinen Schwestern hatte die eine, welche Mahaldis hieß, der Kastellan von Vitry, die andere, welche Hodierna hieß, der edle und mächtige Herbrandt von Herges zur Frau, aus welcher Ehe Manasse von Herges geboren wurde, welchen wir später, zur Zeit der Königin Milisendis, als Connetable des Königreichs gesehen haben. Nach dem Tod des Vaters von diesem König Balduin übernahm sein Sohn Manasse die väterliche Erbschaft, weil den Erstgeborenen, Balduin, sein Königreich entfernt hielt. Als dieser Manasse ebenfalls ohne Kinder starb, kam die Grafschaft an ihren Bruder Gervais, der jetzt sein Erzbistum von Reims verließ und gegen die kirchlichen Gesetze eine Frau nahm. Die einzige Tochter, die ihm aus dieser Ehe geboren wurde, vermählte er an einen gewissen Edlen in der Normandie. Nach seinem Tod folgte ihm in der Grafschaft ein Sohn seiner Schwester, nämlich jener Mahaldis, welche den Kastellan von Vitry geheiratet hatte, namens Ithier. Soweit von diesem.

    II. Als Balduin, der Bruder Herzog Gottfrieds, nach dessen Tod auf den Thron von Jerusalem berufen wurde, übergab er diesem Balduin, von welchem jetzt die Rede ist, als seinem Verwandten die Grafschaft Edessa, die er achtzehn Jahre lang und noch etwas länger mit Glück und Tapferkeit regierte. Im achtzehnten Jahr seiner Grafschaft nun, als sein Land der gewünschten Ruhe genoß, beschloß er, nach Jerusalem zu reisen, teils um den König, seinen Herrn, Verwandten und Wohltäter, teils um der Andacht wegen die heiligen Orte zu besuchen. Er rüstete also alles zu seiner bevorstehenden Reise, übergab sein Land solchen von den Seinigen, auf deren Treue und Eifer er sicher vertrauen konnte, befestigte als ein kluger und einsichtiger Mann seine Städte und trat dann mit einem stattlichen Gefolge seinen Weg an. Noch während er auf dieser Reise war, kam ein Bote zu ihm, der ihm meldete, daß der König in Ägypten gestorben sei, wie es sich wirklich auch verhielt. Über diese Nachricht vom Tode seines Herrn und Verwandten wurde er, was nicht zu verwundern ist, sehr bestürzt, setzte aber dennoch seine begonnene Reise weiter fort und eilte schleunigst Jerusalem zu. Hier nun traf es sich zufällig, daß plötzlich, als sich am Palmsonntag das ganze Volk nach seiner Sitte im Tal Joschafat zu einer feierlichen Prozession versammelt hatte, von der einen Seite der Graf mit den Seinigen einzog, von der anderen der Leichenzug des Königs, der von der ganzen Mannschaft, die mit ihm in Ägypten gewesen war, begleitet wurde.

    III. Nachdem die königliche Leiche in die Heilige Stadt gebracht und in der Kirche zum Heiligen Grab neben seinem Bruder vor dem Ort, der Golgatha heißt, unter dem Kalvarienberg ehrenvoll begraben worden war, traten die Ersten des Reichs, welche anwesend waren, der Patriarch Arnulf, die Bischöfe, Erzbischöfe und andere Prälaten der Kirche wie auch einige der weltlichen Fürsten, unter welchen sich der tätige und in Rede und Tat gewaltige Joscelin von Tiberias befand, zu einer Beratung zusammen. Hier kamen nun sehr verschiedene Ansichten zutage, indem die einen sagten, man müsse die Ankunft des Grafen Eustach erwarten, denn man dürfe das alte Gesetz der Erbfolge um so weniger umgehen, als des Grafen Brüder das Reich so glücklich zur Zufriedenheit aller regiert haben, andere aber der Meinung waren, die Regierungsgeschäfte erlauben solchen Aufschub und solche Verzögerung einer Wahl nicht, man müsse sich vielmehr beeilen, das Land zu versorgen, damit es im Falle der Not nicht an einem fehle, der das Heer hinaus- und zurückführen und die Angelegenheiten des Königreichs besorgen könne, und damit das Reich nicht durch den Mangel eines Oberhaupts in Gefahr komme. Dieser Geteiltheit der Meinungen und Parteien machte Herr Joscelin, der großes Ansehen im Königreich genoß und mit dem Patriarchen, den er für seine Ansicht gewonnen hatte, zu dem Teil gehörte, der sogleich einen König wählen wollte, damit ein Ende, daß er sagte, der Graf von Edessa sei anwesend, ein Verwandter des Königs, ein frommer, gottesfürchtiger, tapferer und durchaus lobenswerter Mann, wie man in keinem Land und in keiner Provinz einen besseren finden könne. Diesen zum König zu nehmen sei besser, als eine gefährliche Zögerung eintreten zu lassen. Es waren nun viele, die des Glaubens waren, diese Worte Joscelins kommen aus durchaus lauterem Herzen, weil sie wußten, welche Behandlung Joscelin nicht lange vorher vom Grafen erfahren hatte, wie dies oben erzählt worden ist. Da sie also nicht merkten, welche andere Absicht er hatte, und an das Sprichwort dachten, nach welchem alles Lob aus Feindes Mund wahr ist, so schenkten sie seinen Worten Glauben und traten ihm bei. Er machte aber, wie man sagte, diesen Vorschlag, den Grafen auf den Thron zu erheben, darum, weil er hoffte, sein Nachfolger in der Grafschaft zu werden. Da also der Patriarch Arnulf und Joscelin dieser Meinung waren, so wurden die übrigen mit leichter Mühe dafür gewonnen. Sie erwählten alle einstimmig den Grafen zum König, und am nächsten heiligen Osterfest wurde er feierlich nach dem Herkommen zum König geweiht und gesalbt und mit dem königlichen Diadem bekrönt. Welche Absicht aber der Patriarch oder Joscelin bei dieser Wahl gehabt haben mochten, die Barmherzigkeit des Herrn wandte alles zum Guten. Denn der König erwies sich unter Gottes Beistand als ein gerechter, frommer und gottesfürchtiger Mann, der auch in allen seinen Unternehmungen glücklich war. Doch war der Weg, auf dem er zum Thron gelangte, nicht der rechtmäßige, und sicher haben die, welche ihn darauf erhoben, den gesetzlichen Erben um seine Nachfolge betrogen. Nach dem Tod des Königs nämlich waren, entweder nach dem letzten Willen des Verstorbenen oder nach gemeinschaftlichem Beschluß der Fürsten des Reichs (denn keines von beidem konnten wir für gewiß erfahren) an den Bruder des trefflichen Herzogs Gottfried und des Königs Balduin, den Grafen Eustach von Boulogne, Boten abgeschickt worden, um ihn im Namen aller zur Übernahme des Königreichs herbeizurufen. Diese hatten seiner Weigerung, ihm zu folgen, die ehrenhaftesten Gründe entgegengesetzt und ihn endlich bis nach Apulien gebracht. Als der verehrungswürdige, gewissenhafte und gottesfürchtige Mann, der wert war, so große Brüder gehabt zu haben, deren Tugenden und Verdienste sich auf ihn vererbten, hier vernahm, daß in der Zwischenzeit sein Verwandter, der Graf Balduin von Edessa, zum König gewählt worden war, soll er den an ihn abgeschickten Gesandten, die ihn aufforderten, nichtsdestoweniger weiterzureisen, weil das Geschehene gegen Recht und Gerechtigkeit und dem uralten Gesetz der Erbfolge zuwider sei und daher nicht bestehen könne, göttlichen Geistes voll geantwortet haben: "Fern sei es von mir, daß ich Streit in das Königreich des Herrn bringe, das durch mein Blut den Frieden Christi erhalten hat und für dessen Ruhe die großen und unsterblichen Männer, meine Brüder, ihr teures Leben ließen." Und gegen den Willen derer, die ihn mit Gewalt nach dem Königreich zu bringen suchten, hieß er sein Gefolge sich zur Rückreise rüsten und wandte sich wieder seiner Heimat zu.

    IV. Balduin war aber, wie man sagt, von schöner Gestalt und hohem Wuchs, seine Gesichtszüge waren angenehm, seine wenigen Haare blond und teilweise schon grau, sein Bart, den er bis auf die Brust herab trug, dünn, seine Farbe lebhaft und für sein Alter blühend. Er war gewandt im Reiten und Waffenführen, sehr erfahren im Kriegswesen, bei allen seinen Handlungen vorsichtig, in seinen Unternehmungen glücklich, tat viele Werke der Frömmigkeit, Milde und Barmherzigkeit, war gewissenhaft und gottesfürchtig, im Gebet so eifrig, daß er an seinen Händen und Knien vom vielen Falten und Beugen derselben Schwielen hatte, und obgleich er schon bejahrt war, tätig und rüstig, sooft ihn die Reichsgeschäfte riefen. Wie er nun also auf den königlichen Thron gelangt war, berief er seinen Verwandten Joscelin zu sich und übergab ihm die Grafschaft Edessa, die er ohne ein Oberhaupt zurückgelassen hatte, weil dieser das Land aufs beste kannte und weil er ihm für sein früheres Unrecht gegen ihn Genugtuung geben wollte. Er nahm ihm also den Lehenseid ab, übergab ihm das Banner und setzte ihn so in die Grafschaft ein. Dann rief er seine Frau, seine Töchter und seine Dienstleute herbei, die durch die Fürsorge desselben Joscelin in kurzem wohlbehalten bei ihm anlangten. Seine Frau hieß Morfia und war die Tochter eines edlen Griechen namens Gabriel, dessen wir oben erwähnt haben. Er hatte sie als Graf geheiratet und mit ihr eine unermeßliche Geldsumme als Heiratsgut empfangen. Sie hatte ihm drei Töchter, Milisendis, Alis und Hodierna geboren, denn die vierte, die Iveta hieß, schenkte sie ihm, nachdem er König geworden war. Er wurde zum König gekrönt und gesalbt im Jahr der Menschwerdung des Herrn elfhundertundachtzehn, im Monat April, am zweiten Tag des Monats. Papst war damals Gelasius der Zweite, an der Kirche von Antiochien war Bernhard als der erste lateinische Patriarch, an der heiligen Kirche von Jerusalem Arnulf, der vierte lateinische Patriarch in dieser Stadt.

    V. Um dieselbe Zeit ging der große Feind der Lateiner, Kaiser Alexius von Konstantinopel, aus diesem Leben. Sein Nachfolger war sein Sohn Johannes, der viel menschenfreundlicher war als sein Vater und von unserem Volk mit Recht weit mehr geliebt wurde. Doch wird man aus dem Folgenden sehen, daß auch er nicht ganz lauter gegen die lateinischen Morgenländer handelte. Auch Papst Paschalis ging den Weg alles Fleisches im sechzehnten Jahr seines Papsttums. Sein Nachfolger wurde Gelasius, der auch Johannes Gajetan genannt wurde und Kanzler des Apostolischen Stuhls gewesen war. Ferner starb auch die Gräfin Adelheid von Sizilien, die unrechtmäßigerweise die Frau des Königs Balduin gewesen war.

    VI. Im folgenden Sommer desselben Jahres sammelte der damalige Fürst von Ägypten aus seinem ganzen Land eine unermeßliche Menge Reiter und Fußmannen, um zu Lande und von der See her einen Einfall ins Königreich zu machen, denn er hielt es für ein Leichtes, eine so geringe Anzahl Volks entweder mit dem Schwert zu vertilgen oder völlig aus Syrien zu vertreiben. Er durchzog also die Wüste, die zwischen uns und den Ägyptern in der Mitte liegt, und lagerte sich dann mit einer zahlreichen Reiterei und mit einer unermeßlichen Menge von Bogenschützen vor Askalon. Als Toghtekin, der König von Damaskus, von der Ankunft der Ägypter hörte, versammelte er, vielleicht von den Ägyptern dazu aufgefordert, aufs neue eine große Mannschaft und zog, um unserem Heer nicht zu begegnen, durch unwegsame Gegenden über den Jordan, um sich ihnen anzuschließen und sie, uns zum Verderben, zu verstärken. Von den Schiffen landeten einige bei Askalon, andere fuhren bis Tyrus, weil diese Stadt sehr fest war und einen bequemen Hafen bot, und wollten hier die weiteren Befehle ihres Herrn und des Oberbefehlshabers der Flotte erwarten. Der König aber, dem lange zuvor schon kund geworden war, daß sie herbeikommen werden, berief sowohl aus Antiochien als aus Tripolis Hilfsmannschaften und zog dann mit ihnen und mit den Seinigen den Feinden in der Ebene der Philister entgegen. Er zog über den Platz, der früher Azot hieß, wo bekanntlich eine der fünf Städte der Philister gestanden hatte, und lagerte sich den Ägyptern so nahe, daß beide Teile einander jeden Tag ins Lager sehen konnten. Nachdem sie sich an die drei Monate gegenübergelegen hatten, ohne daß die einen die andern zum Kampf herauszufordern wagten, indem die Unsern eine so große Menge nicht tollkühn gegen sich aufreizen wollten und die Feinde sich vor der Kraft, Kühnheit und Kriegserfahrung der Unseren fürchteten, schien es endlich dem Fürsten von Ägypten sicherer, wohlbehalten nach Hause zurückzukehren, als unvorsichtig das Kriegsglück zu versuchen. So zog sich also das ägyptische Heer, ohne daß die Unseren das Geringste davon vermutet hatten, plötzlich wieder zurück, worauf die Unseren sich vom König beurlaubten und vergnügt in ihre Heimat gingen. In denselben Tagen wurde, da der Patriarch Arnulf von Jerusalem, dieser unruhige Mensch, der die Heiligkeit seines Berufs so wenig bewahrt hatte, gestorben war, ein einfacher und gottesfürchtiger Mensch, Gormund, ein Franke von Herkunft aus dem Bistum Amiens, aus der Stadt Pecquigny, zum Patriarchen erwählt. In seinen Tagen und wie man glaubt auch seiner Verdienste halber wurde vom Herrn viel Großes zum Heil und Wachstum des Königreichs ausgeführt, wie dies die gegenwärtige Geschichte im folgenden berichten wird.

    VII. In demselben Jahr beschlossen einige Edle aus dem Ritterstand, gottergebene und gottesfürchtige Männer, als sich Regeln gebende Kanoniker dem Dienst Christi zu leben, und legten in die Hand des Patriarchen das Gelübde der Keuschheit, des Gehorsams und der Armut ab. Die ersten und ausgezeichnetsten unter ihnen waren die ehrwürdigen Männer Hugo von Payens und Gottfried von St. Aldemar. Weil sie weder eine Kirche noch ein bestimmtes Haus hatten, wies ihnen der König für die nächste Zeit in dem Teil seines Palastes, der gegen Süden an den Tempel des Herrn grenzt, eine Wohnung an. Die Kanoniker am Tempel des Herrn überließen ihnen unter gewissen Bedingungen die ihnen gehörige Straße an dem genannten Palast für ihre Magazine, und der König mit seinen ersten Rittern wie auch der Patriarch mit den Prälaten seiner Kirche wiesen ihnen von ihrem Eigentum teils für eine bestimmte Zeit, teils für immer die nötigen Einkünfte an. Ihre erste Aufgabe, die ihnen auch vom Patriarchen und den übrigen Bischöfen als ein Mittel, Vergebung der Sünden zu erhalten, besonders anempfohlen wurde, war, die Wege, hauptsächlich der Pilger wegen, nach ihren Kräften vor Überfällen der Räuber zu sichern. In den ersten neun Jahren trugen sie weltliche Kleider, wie sie ihnen das Volk, um ein gutes Werk zu verrichten, schenkte. Nach neun Jahren aber, zur Zeit, als in Frankreich das Konzil von Troyes gehalten wurde, bei welchem die Erzbischöfe von Reims und Sens mit ihrem Klerus, der Bischof von Albano, Legat des Apostolischen Stuhls, auch die Äbte von Citeaux, Clairveaux und Pontigny mit mehreren anderen zugegen waren, erhielten sie durch eine Verordnung des Papstes Honorius und des Patriarchen Stephan von Jerusalem eine Regel und eine bestimmte Kleidung, nämlich eine weiße. In diesen ersten neun Jahren bestand ihr Orden auch nicht aus mehr als neun Rittern, von da an aber fing ihre Zahl sich zu vermehren an, und ihre Besitzungen erweiterten sich. Sodann, zur Zeit des Papsts Eugen, wie man sagt, fingen sie, um eine bestimmtere Auszeichnung zu haben, Kreuze von rotem Tuch auf ihren Mänteln zu tragen an, sowohl die Ritter selbst als ihre niederen Brüder, welche die "Dienenden" hießen. Später nahm der Orden so stark zu, daß sie jetzt ungefähr dreihundert Ritter in ihrem Konvent haben, welche die weißen Mäntel tragen, wobei die Brüder, deren Zahl beinahe unermeßlich ist, nicht gezählt sind. Ihre Besitzungen aber diesseits und jenseits des Meeres sind, wie man sagt, so groß, daß es keine Provinz in der christlichen Welt gibt, die den genannten Brüdern nicht zu ihren Besitzungen beisteuerte, und daß ihr Vermögen königlich sein soll. Weil sie ihre Niederlassung neben dem Tempel des Herrn im königlichen Palast haben, so heißen sie daher die Bruderschaft der Tempelritter. Lange Zeit blieben sie ihrem wackeren Vorsatz ganz getreu und übten ihren Beruf mit viel Klugheit aus, nachher aber legten sie die Demut, die die Hüterin aller Tugenden ist und, solange sie in Wahrheit im Innersten des Herzens wohnt, vor jedem Fall bewahrt, ab, machten sich vom Patriarchen von Jerusalem, dem sie die Errichtung ihres Ordens und ihre ersten Schenkungen zu verdanken hatten, unabhängig und verweigerten ihm den Gehorsam, den ihm ihre Vorgänger geleistet hatten. Auch den Kirchen des Herrn wurden sie sehr beschwerlich, indem sie ihnen den Zehnten und die Erstlinge entzogen und unbillige Eingriffe in ihre Besitzungen machten.

    VIII. Im folgenden Jahr starb Papst Gelasius der Zweite, der Nachfolger Paschalis', ein sehr gelehrter Mann, sonst auch Johannes Gajetan genannt. Er hatte sich vor der Verfolgung des Kaisers Heinrich und vor dem Ungestüm seines Nebenbuhlers, des Gegenpapstes, der den Beinamen Burdin führte, flüchten müssen und hatte sich nach Frankreich gewandt, wo er bei Cluny starb und begraben wurde. Sein Nachfolger wurde der Erzbischof Guido von Vienne, ein Mann von edler Abkunft, der als Papst den Namen Kalixt führte. Dieser wußte sich nachher mit Kaiser Heinrich, der ein Verwandter von ihm war, in ein freundschaftliches Verhältnis zu stellen und zog mit seiner Hilfe, von den Kardinälen und der ganzen Kurie begleitet, nach Italien hinab, wo er in der Nähe von Rom bei der Stadt Sutri seinen Nebenbuhler, den Erzketzer Burdin, gefangennahm. Er ließ ihn dann, mit einem Bärenfell bekleidet, auf einem Kamel auf die schmählichste Weise nach Kloster Cani bei Salern bringen, wo er bis zu seinem höchsten Alter nach den Regeln des Orts ein Mönchsleben führen mußte. So hörte endlich die Spaltung auf, die von der Zeit Gregors des Siebten an dreißig Jahre lang Urban, Paschalis und Gelasius wie die ganze Kirche unaufhörlich beunruhigt hatte, und Kaiser Heinrich wurde jetzt wieder in den Schoß der Kirche aufgenommen, nachdem er lange Zeit durch die Exkommunikation aus der Gemeinschaft der Gläubigen ausgeschlossen gewesen war.

    IX. In demselben Jahr machte ein sehr mächtiger und bei den Seinen sehr gefürchteter Fürst, der Herrscher über das unselige und treulose Volk der Turkomanen namens Ilghazi, in Verbindung mit dem König Toghtekin von Damaskus und dem mächtigen arabischen Satrapen Debeis, die sich seinem großen Heer mit einer starken Truppenmacht anschlossen, einen Einfall ins Antiochenische und lagerte sich diesseits Halebs. Da der Fürst Roger von Antiochien, der Schwager des Königs, von seinem Herankommen zuvor benachrichtigt worden war, so tat er den benachbarten Fürsten, nämlich dem Grafen Joscelin von Edessa, dem Grafen Pontius von Tripolis und auch dem König seine große Not zu wissen und ersuchte sie aufs dringendste, ihm schleunigst und ungesäumt in der bevorstehenden Gefahr beizustehen. Der König nahm also, was er von Mannschaften in der Geschwindigkeit zusammenbringen konnte, und zog in Eilmärschen nach Tripolis, wo er den Grafen bereits reisefertig traf und den weiteren Weg nun mit diesem zusammen zurücklegte. Unterdessen war aber der Fürst ungeduldig geworden, wie dies die Art der Menschen ist, und hatte, ohne etwas von der Zukunft zu ahnen, Antiochien verlassen und in der Nähe von Artasia sein Lager geschlagen. Der Ort, wo er sich gelagert hatte, war äußerst bequem gelegen, denn man konnte frei und ohne Schwierigkeit von unserem Land hierherkommen, weswegen das Heer an allem Nötigen den reichlichsten Überfluß hatte und mit allem, was man in den Städten hat, versorgt war. Als er hier einige Tage lang die Ankunft des Königs und des Grafen erwartet hatte, hieß er, so sehr ihm der Patriarch, der ihn bis hierher begleitet hatte, und auch einige seiner ersten Ritter widerrieten, sein Heer aufbrechen und blieb hartnäckig dabei, ab sofort auf niemand mehr zu warten. Es waren nämlich einige Edle in dieser Gegend, die ihn zu dieser Eile antrieben, nicht aus Fürsorge für das Heer, sondern um ihre Besitzungen, die in der Nähe des feindlichen Lagers waren, durch die Anwesenheit des Heeres sicherzustellen. Auf den Rat von diesen hin veränderte er, um sich und die Seinen jählings ins Verderben zu stürzen, seinen bisherigen Standpunkt und verlegte das Lager nach dem Ort, der das Blutfeld hieß. Bei der Musterung des Heeres ergab sich, daß er siebenhundert Reiter und dreitausend Mann wohlgerüsteten Fußvolks hatte, wobei die Schaffner, die den Lagern des Kaufens und Verkaufens willen zu folgen pflegen, nicht mitgerechnet waren. Als die Feinde sahen, daß der Fürst sein Lager so ganz in ihre Nähe verlegt habe, brachen sie das ihrige ab und gaben sich, um ihren Plan besser ausführen zu können, den Anschein, als wenden sie sich gegen die Stadt Cereb. Als sie daselbst angekommen waren und in dieser Nacht nichts mehr ausrichten konnten, schlugen sie hier ein Lager. Sobald es Tag geworden war, schickte der Fürst Kundschafter aus, um zu erfahren, ob sich die Feinde zur Belagerung der Stadt oder zu einem Treffen mit den Unsrigen anschicken. Während er sich nun mit den Seinigen zu einem bevorstehenden Kampf rüstete, siehe, da kamen die Boten eiligst zurück und meldeten, daß die Feinde in drei Abteilungen, von denen jede zwanzigtausend Reiter zähle, in raschem Schritt gegen unser Heer heranrücken. Auf dieses stellte der König die Seinigen in vier Schlachtreihen und forderte sie dann, bei allen umherreitend, mit wirksamen Worten zur Tapferkeit auf. Während er noch damit beschäftigt war, siehe, da kamen die feindlichen Scharen plötzlich so nahe an die Unseren heran, daß sie beinahe handgemein werden konnten. Es wurde also ein Treffen geliefert, in welchem beide Teile mit großem Mut kämpften. Ihrer Sünden halber aber erlagen die Unseren. Die Scharen, welche die edlen und tapferen Männer, der Mönch Gottfried und Guido von Fremelle führten, welche den ersten Angriff auf die Feinde zu machen hatten, rückten trefflich und ganz nach der Kriegskunst vor und sprengten die größten und dichtesten Haufen so auseinander, daß sie daran waren, die Flucht zu ergreifen, aber die Schar, die Robert von St. Laudum führte, hielt sich, anstatt nach dem Beispiel ihrer Vorgänger mutig vorzudringen, ganz schlecht gegen die sich wieder ermutigenden Feinde, ergriff schließlich die Flucht und riß auf dieser die Schar des Fürsten, welche die Bestimmung hatte, den übrigen in der Not zu Hilfe zu kommen, mitten auseinander und einen Teil davon mit sich fort, so daß es unmöglich war, sie wieder zu sammeln. In dieser Schlacht ereignete sich auch etwas Denkwürdiges. Während das Treffen am hitzigsten war, kam nämlich von Norden her ein ungeheurer Wirbelwind, der sich mitten auf dem Schlachtfeld vor aller Augen an den Boden hing und, wie er sich weiterhin wälzte, eine solche Masse Staub aufwühlte, daß beide Teile nicht mehr die Augen öffnen konnten, um weiterzustreiten. Endlich erhob er sich säulenförmig und verlor sich wie ein brennendes Schwefelfaß in der Höhe. Auf diese Art wurden also die Feinde Meister, und die Unseren unterlagen und fielen beinahe alle.

    X. Der Fürst fuhr als ein Waffenheld mit einer kleinen Schar mitten unter den Feinden aufs mutigste zu fechten fort, aber er fiel, von feindlichen Schwertern durchbohrt, während er die Seinen vergeblich zurückzurufen suchte und sich den heftigsten Angriffen der Feinde entgegenstellte. Die von den Unsern, welche beim Gepäck geblieben waren, hatten sich auf einen benachbarten Berg zurückgezogen. Als nun die, welche sich aus dem Kampfgewühl gerettet hatten und den feindlichen Waffen entkommen zu sein glaubten, einen Haufen der Unseren auf dem Gipfel des Berges erblickten, meinten sie, diese werden Widerstand leisten können, und eilten um die Wette zu ihnen, um bei ihnen Rettung zu finden. Als sie alle dort angekommen waren, wandten sich die Feinde, nachdem sie alle, welche in der Ebene waren, niedergemacht hatten, auch dahin und vertilgten sie insgesamt im Zeitraum einer Stunde. Reinhold Mansver, einer der größeren Fürsten dieser Gegend, hatte sich mit einigen anderen Edlen in den Turm einer benachbarten Stadt namens Sarmatan geflüchtet. Als der vorgenannte Anführer der Türken dies erfuhr, flog er in aller Eile dahin und zwang die genannten Edlen, die sich innen gesammelt hatten, zur Übergabe, und so geschah es an jenem Tage, daß von so vielen Tausenden, welche dem Fürsten gefolgt waren, unserer Sündenschuld wegen kaum auch nur einer entrann, um die Niederlage melden zu können, von den Feinden aber nur wenige fielen oder gar keiner. Dieser Fürst Roger soll nämlich ein ganz verdorbener Mensch gewesen sein, ausschweifend, geizig und ein offenkundiger Ehebrecher. Auch hatte er, solange er Herr des Fürstentums war, seinem Herrn, dem jüngeren Bohemund, dem Sohn des älteren, der sich bei seiner Mutter in Apulien aufhielt, sein väterliches Erbe Antiochien entzogen, denn Tankred hatte es ihm auf dem Sterbebett unter der Bedingung übergeben, daß er es Bohemund oder seinen Erben zurückgebe, wenn sie es verlangen. Er soll aber bei dieser Unternehmung, bei welcher er umkam, dem ehrwürdigen Erzbischof Peter von Apamia, der auch mit dabei gewesen war, demütig und zerknirschten Herzens vor Gott seine Sünden bekannt und würdige Früchte seiner Reue versprochen haben und so als ein ganz bußfertiger Sünder der Gefahr entgegengegangen sein.

    XI. Unterdessen waren der König und der Graf von Tripolis herbeigerückt und an dem Ort angekommen, der der Nigronsberg heißt. Als der genannte Ilghazi dies erfuhr, schickte er ihnen zehntausend ausgewählte Reiter entgegen, um wo möglich ihre Annäherung zu verhindern. Diese teilten sich bei ihrem Abzug in drei Scharen, von denen sich die eine dem Meer zu nach dem Hafen des heiligen Simeon wandte; die zwei anderen zogen auf verschiedenen Wegen dem König entgegen. Es traf sich aber, daß er einer dieser Scharen begegnete, dieselbe auseinandersprengte und, nachdem er mehrere getötet und einige gefangengenommen hatte, zur Flucht nötigte. Von da zog er über Lator und Kasambella nach Antiochien, wo er vom Patriarchen, dem Klerus und dem ganzen Volk sehnsüchtig erwartet mit großer Freude empfangen wurde. Hier hielt er mit den Seinigen und mit denen, die sich aus der Schlacht gerettet hatten, eine Beratung, was wohl in dieser dringenden Not zu tun sei. Unterdessen hatte sich Ilghazi von den Städten Hama und Artasia weg zur Belagerung von Cerep gewandt, hauptsächlich darum, weil er gehört hatte, daß der Herr dieses Platzes, Alanus, vom König samt seinem Gefolge nach Antiochien berufen worden sei, wie es sich auch wirklich verhielt. Er näherte sich also der Burg und ließ, da er sie nicht im Verteidigungszustand fand, auf verschiedenen Seiten den Hügel, auf dem die Burg stand, untergraben und dann mit Balken stützen, unter die sodann Feuer gelegt werden sollte, daß die Türme und Mauern oben mit dem weichenden Boden zusammenstürzen. Da also die Einwohner fürchten mußten, der Platz stürze völlig zusammen, übergaben sie ihn unter der Bedingung, daß man ihrer schone und sie frei zu den Ihrigen zurückziehen lasse. Sofort wandte sich Ilghazi nach Sardona, belagerte den Platz und bekam ihn nach wenigen Tagen auf dieselbe Weise, indem ihn die Einwohner übergaben, in seine Gewalt. Und nun hauste er in seiner Ungeduld und hauptsächlich weil er glaubte, es könne ihm niemand Widerstand leisten, in der ganzen Gegend völlig nach Willkür, so daß die Bewohner der umliegenden Orte alle Hoffnung, von dem Joch eines so gewaltigen Fürsten verschont zu bleiben, verloren.

    XII. Der König aber zog mit dem Grafen und mit soviel Mannschaft, als er haben konnte, aus Antiochien aus und wandte sich, weil er den Feind bei Cerep zu treffen glaubte, gegen Rugia und von da über Hab nach dem Berg Damin, wo er ein Lager schlug. Als dies Ilghazi hörte, rief er seine Befehlshaber zusammen und befahl ihnen bei Todesstrafe, diese Nacht wachzubleiben und Waffen und Pferde aufs sorgfältigste in Bereitschaft zu setzen, um mit der ersten Dämmerung das Lager des Königs zu überfallen und das noch schlaftrunkene Heer niederzumachen, daß auch nicht einer dem Tod entkomme. Die göttliche Barmherzigkeit wandte aber alles anders. Auch der König brachte mit den Seinigen diese Nacht in ebensolcher Wachsamkeit und Tätigkeit zu, um das Nötige für den bevorstehenden Kampf anzuordnen, und der ehrwürdige Erzbischof Ebremar von Cäsarea, der den König hierher mit dem Zeichen des Kreuzes begleitet hatte, sprach dem Volk mit Ermahnungen zu. Bewaffnet also und männlich zum Kampf gegürtet, erwarteten sie mit dem frühen Morgen den Angriff des Feindes. Das Heer wurde auf Befehl des Königs ganz nach der Kriegskunst in neun Schlachtreihen geteilt und in Ordnung gestellt (er soll nämlich siebenhundert Ritter bei diesem Treffen gehabt haben), und so gerüstet, vertraute es auf den gnädigen Beistand des Herrn. Drei Reihen mußten den Vortrab bilden, der Graf von Tripolis mit den Seinen stand auf dem rechten, die Fürsten von Antiochien auf dem linken Flügel, und das Fußvolk wurde in die Mitte gestellt. Der König aber folgte mit vier Scharen, um den anderen in der Not beizustehen, hintennach. Wie sie auf diese Art geordnet die Ankunft der Feinde erwarten, siehe, da kamen diese plötzlich mit ungeheurem Geschrei unter dem Schmettern der Trompeten und dem Schall der Trommeln herbei und stürzten mit wildem Mut auf die Unseren ein. Ihr Vertrauen gründete sich hauptsächlich auf ihre Menge, während die höhere und untrügliche Hoffnung der Unseren auf das siegreiche Kreuz in ihrer Mitte und auf ihr Bekenntnis des wahren Glaubens gestützt war. Die Scharen gerieten also so aneinander, daß sie handgemein wurden. Beide Teile vergaßen alle Menschlichkeit und hieben mit glühender Kampflust und mit unersättlicher Rachgier wie auf wilde Tiere aufeinander ein. Da die Feinde sahen, mit welch furchtbarem Mut unser Fußvolk standhielt, so war ihr Absehen hauptsächlich darauf gerichtet, dieses zu vernichten. Und es geschah, auch weil Gott es zuließ, daß an diesem Tag der größte Teil davon fiel. Als aber der König sah, in welchem Gedränge das Fußvolk war, und daß die vorangegangenen Scharen Hilfe nötig haben, stürzte er sich mit den Seinigen mitten ins feindliche Heer und sprengte mutig einhauend die dichtesten Scharen auseinander. Seine Leute hielten sich treulich an ihn und flößten den übrigen durch Worte und Beispiel wieder neuen Mut ein. So drangen sie alle einmütig auf den Feind ein, und durch die Barmherzigkeit Gottes, dessen Hilfe sie anriefen, geschah es, daß sie eine unermeßliche Niederlage unter den Feinden anrichteten, worauf die noch übrigen, weil sie nicht länger Widerstand leisten konnten, die Flucht ergriffen. Es sollen an diesem Tag von unserem Fußvolk ungefähr siebenhundert, von den Rittern aber hundert gefallen sein, dagegen von den Feinden viertausend, die Gefangenen und tödlich Verwundeten ungerechnet. Ilghazi aber ließ die Seinen allein in der Todesgefahr und entfloh mit dem König Toghtekin von Damaskus und mit dem Araberfürsten Debeis. Während nun die Unseren die Feinde nach verschiedenen Seiten hin verfolgten, behauptete der König mit einer kleinen Anzahl das Schlachtfeld und blieb daselbst bis gegen das erste Viertel der Nacht. Endlich begab er sich aus Mangel an Lebensmitteln in die benachbarte Stadt Hab, um sich hier zu erholen. Sobald es Morgen geworden war, kehrte er auf das genannte Feld zurück und ließ von da aus durch Boten, denen er zur Bestätigung ihrer Worte seinen Siegelring mitgab, seine Schwester und den Patriarchen benachrichtigen, daß ihm mit Gottes Hilfe der Sieg zuteil geworden sei. Er blieb übrigens an diesem Tag bis zum späten Abend und bis er erfuhr, daß sich die Feinde gänzlich zerstreut haben und nicht wieder zurückkehren, fortwährend auf dem Schlachtfeld. Endlich aber kehrte er mit den Seinigen, so viele sich deren zusammengefunden hatten, als Sieger in Antiochien ein, wo ihm der Patriarch mit dem Volk und Klerus der Stadt entgegenkam. Dieser Sieg wurde aber den Unseren vom Himmel verliehen, im Jahre der Menschwerdung des Herrn elfhundertundzwanzig, im zweiten Jahr der Regierung Balduins des Zweiten, im Monat August, am Abend vor der Himmelfahrt Mariä, der heiligen Muttergottes. Das Holz des lebendigmachenden Kreuzes sandte der König durch den Erzbischof von Cäsarea, dem er ein stattliches Gefolge mitgab, nach Jerusalem zurück, wo es am Tag der Kreuzerhöhung anlangte und vom Klerus und dem Volk aufs feierlichste unter Hymnen und geistlichen Gesängen empfangen wurde. Er selbst aber wurde genötigt, dringender Geschäfte wegen, die ihn hier in Anspruch nahmen, sich länger in dieser Provinz aufzuhalten, und der Patriarch, die Großen, der Klerus und das Volk übergaben ihm durchaus einstimmig die völlige Regierungsgewalt in Antiochien, so daß er in diesem wie im Königreich nach seinem Gutdünken schalten und Einrichtungen treffen und abstellen konnte. Nachdem er nun den Kindern und nächsten Verwandten der in der Schlacht Gefallenen deren Besitzungen dem Recht und der Gewohnheit des Landes gemäß zugeteilt, den Witwen Männer, die sich für sie ziemten, zur Ehe gegeben und die festen Plätze, bei denen es nötig war, aufs sorgfältigste mit Mannschaft, Lebensmitteln und Waffen versehen hatte, nahm er auf einige Zeit Urlaub und kehrte ins Königreich zurück, wo er am heiligen Weihnachtsfest in der Kirche zu Bethlehem samt seiner Gemahlin gekrönt wurde.

    XIII. Da das Königreich Jerusalem unserer Sünden halber auf vielfache Art bedrängt wurde und zusätzlich zu dem, was es von den Feinden zu leiden hatte, durch den Schaden, welchen Heuschrecken und Mäuse seit vier Jahren in solchem Grade angerichtet hatten, daß es völlig an Brot zu fehlen anfing, in die größte Not geriet, versammelten sich in demselben Jahr, das seit der Menschwerdung des Herrn das elfhundertundzwanzigste war, der fromme und gottesfürchtige Patriarch Gormund von Jerusalem, der König Balduin und die Fürsten und Prälaten des Königreichs bei der Stadt Neapolis in Samarien, um hier eine große Reichsversammlung zu halten. Es wurde nun hier zuerst eine Rede zur Erbauung des Volks gehalten, sodann wurde allgemein, weil jedermann der Überzeugung war, daß die Sünden des Volks den Herrn erzürnt haben, beschlossen, man wolle sich von seinen Sünden bekehren und alle Ausschweifungen einstellen, um ein besseres Leben zu beginnen und sich mit seiner Buße die Gunst dessen wiederzugewinnen, der keinen Gefallen hat am Tod des Gottlosen, sondern der da will, daß sich der Gottlose bekehre von seinem Wesen und lebe. Erschreckt also durch die drohenden Zeichen am Himmel, durch die häufigen Erdbeben, die Hungersnot und das große Sterben wie auch durch den Übermut der Feinde, von denen sie beinahe täglich hartnäckig bedrängt wurden, suchten sie den Herrn durch Werke der Frömmigkeit wieder zu versöhnen und setzten, um eine bessere Zucht wiederherzustellen und zu erhalten, fünfundzwanzig Kapitel hierüber auf, die Gesetzeskraft erhielten. Wer diese zu lesen wünscht, der wird sie in den Archiven vieler Kirchen mit Leichtigkeit finden können. Es waren aber auf diesem Konzil der Patriarch Gormund von Jerusalem, Balduin, der zweite lateinische König von Jerusalem, der Erzbischof Ebremar von Cäsarea, der Bischof Bernhard von Nazareth, der Bischof Asquitillus von Bethlehem, der Bischof Roger von Lidda, der zum Abt des Klosters der heiligen Maria im Tal Joschafat erwählte Gildon, der Abt Peter vom Berg Tabor, der Prior des Tempels des Herrn, Achard, der Prior Arnold vom Berg Zion, der Prior Gerhard vom Grab des Herrn, Pains, der Kanzler des Königs, Eustach Grenier, Wilhelm von Buris, der Connetable Barissan von Joppe, Balduin von Rames und viele andere, Geistliche und Weltliche, deren Zahl und Namen wir nicht wissen.

    XIV. Im folgenden Jahr nutzte Ilghazi, der genannte hartnäckige und unermüdliche Verfolger des christlichen Namens und Glaubens, der wie ein unruhiger Wurm stets Gelegenheit suchte, jemand ein Leids anzutun, die Abwesenheit des Königs aus, rief Bewaffnete zusammen und schickte sich an, einige feste Plätze der Unseren zu belagern. Da die Bewohner von diesen hiervon benachrichtigt wurden, riefen sie den König aufs dringendste herbei, und dieser kam mit einem stattlichen Gefolge von Rittern und mit dem Holz des heilbringenden Kreuzes ungesäumt nach jenen Gegenden. Er rief auch den Grafen Joscelin von Edessa herbei und verband sich mit dem Fürsten von Antiochien und rückte dann dem Feind entgegen. Als er hier angekommen war und alle hofften, es werde mit nächstem ein Treffen erfolgen, geschah es, daß der genannte mächtige Fürst von der Hand Gottes getroffen und von der Krankheit befallen wurde, welche man Apoplerie heißt. Die Großen, welche in seinem Heer waren, wichen jetzt, wo sie vom Beistand ihres Fürsten verlassen waren, klugerweise dem Krieg aus und eilten mit ihrem Herrn, den sie halbtot auf einer Sänfte trugen, nach Haleb. Noch ehe sie dieses aber erreichen konnten, soll er seine unglückliche Seele ausgehaucht haben, um dem höllischen Feuer überantwortet zu werden. Nachdem der König sich etwas bei Antiochien aufgehalten hatte, kehrte auch er in sein Königreich zurück und kam dort mit Gottes Hilfe wohlbehalten an, beiden Teilen, denen im Königreich wie denen im Fürstentum, seiner Verdienste halber wert und teuer, denn er verwaltete beide Länder, das Königreich und das Fürstentum, obgleich sie weit auseinanderlagen, mit gleicher Sorge und Treue. Es war schwer zu unterscheiden, welchem von beiden Ländern er seine meiste Sorge zuwandte, obgleich das Königreich sein Eigentum war, das sich rechtlich auf seine Nachfolger forterbte, das Fürstentum ihm aber nur einstweilen übertragen. Ja er schien für die Angelegenheiten der Antiochener noch eifriger besorgt zu sein, und in diesen treuen Bemühungen fuhr er fort, bis Bohemund der Jüngere ankam, wie dies im folgenden erzählt werden wird.

    XV. Um dieselbe Zeit verlieh der König bei seiner Anwesenheit in Jerusalem mit frommer und fürstlicher Freigebigkeit den Bürgern der Stadt für alle Zeit die Freiheit von den Abgaben, welche sie bisher bei der Ein- und Ausfuhr von Waren hatten zahlen müssen, so daß künftighin kein Lateiner, er mochte ein- oder ausgehen, Waren aus- oder einführen, zu irgendeiner Abgabe genötigt werden, vielmehr jeder volle Freiheit zu kaufen und zu verkaufen haben sollte. Er gab auch den syrischen Christen, den Griechen und Armeniern und allen Leuten von solchen Völkerschaften, selbst die Sarazenen nicht ausgenommen, die Erlaubnis, ohne eine Abgabe Weizen, Gerste und jede Art von Hülsenfrüchten in die Heilige Stadt zu bringen. Er erließ auch die Gebühr, welche man bisher für alles, was man nach Maß und Gewicht kaufte, hatte erlegen müssen, und gewann sich auf diese Art die Liebe und den Beifall des genannten Volkes. Durch diese beiden Maßregeln sorgte er einmal dafür, daß die Stadt mehr Überfluß an Lebensmitteln hatte, da diese jetzt ohne Abgaben eingeführt werden durften, und sodann, daß sie mehr Einwohner bekam, was schon eine Hauptsorge seiner Vorgänger gewesen war.

    XVI. Im folgenden Jahr verbündete sich der treulose und gottlose König Toghtekin von Damaskus, da er sah, daß der König durch die Sorge für beide Länder übermäßig in Anspruch genommen sei, mit dem Fürsten von Arabien und begann im Vertrauen darauf, verstärkt durch dessen Heerscharen, unser Land bei Tiberias feindlich zu verheeren. Als der König hiervon vernahm, rief er aus dem ganzen Königreich Heerscharen zusammen und zog, wie es seine Art war, ungesäumt dorthin. Toghtekin aber, dem die Ankunft des Königs vorher kund wurde, zog sich, da er sah, daß es ihm nicht glücken könne, wenn der König herbeikomme, und da er es nicht für sicher hielt, mit diesem zusammenzutreffen, aus dem Königreich zurück. Der König wandte sich nun mit seinen Scharen gegen Mittag und kam nach Gerasa. Gerasa ist eine der edlen Städte in der Provinz Dekapolis und liegt im Stamm Manasse, nahe beim Berg Galaad und nur wenige Meilen vom Jordan entfernt. Im befestigteren Teil dieser Stadt, denn die übrigen Teile hatte man aus Furcht vor Feindseligkeiten lange verödet liegen lassen, hatte Toghtekin im vergangenen Jahr mit vielen Kosten eine Veste aus großen Quadersteinen errichten lassen, sie mit Lebensmitteln und Waffen versehen und einigen seiner Getreuen zur Bewachung übergeben. Als der König hier ankam, bestürmte er diesen Platz heftig, worauf sie von den vierzig Bewaffneten, denen die Verteidigung anvertraut war, unter der Bedingung, daß sie unverletzt zu den Ihrigen zurückkehren dürften, dem König ausgeliefert wurde. Nachdem er sich nun mit den Seinigen beraten hatte, ob es besser sei, die Veste von Grund aus zu zerstören oder sie der Christenheit zu erhalten, erschien es allen das Geratenste, den Platz völlig zu zerstören, da er von den Unsern ohne große Kosten und immerwährende Anstrengung, auch großer Gefahr derer, welche sich hierher wenden wollten, nicht leicht instand gehalten werden konnte.

    XVII. Da also auf diese Art durch Gottes gnädige Fürsorge alles im Königreich gut stand, suchte der Feind der Ruhe, die jetzt zu hoffen war, einen Streit zu erregen. Pontius nämlich, der zweite Graf von Tripolis, verweigerte, wir wissen nicht auf wessen Anstiften, dem König von Jerusalem die Lehnstreue und sträubte sich unverschämterweise gegen die Dienste, die er durch seinen Lehenseid zu leisten gehalten war. Der König, der eine solche Kränkung nicht ertragen konnte, sammelte sich aus dem ganzen Königreich Reiter und Fußvolk und zog damit nach jener Gegend, um diese Beleidigung zu rächen. Ehe aber noch einer von beiden Teilen dem andern ein Leid zugefügt hatte, wurde durch die Vermittlung ehrenhafter und gottgeliebter Männer der Friede zwischen beiden wiederhergestellt. Hierauf wandte sich der König nach Antiochien, da er von den Einwohnern dieses Landes in ihrer Bedrängnis herbeigerufen wurde. Der große und mächtige Türkenfürst Balak nämlich beunruhigte das ganze Land durch häufige Einfälle, die er mit um so mehr Zuversicht machte, als er kurz vorher den Grafen Joscelin von Edessa und den Herrn Galeran, einen Verwandten von diesem, bei einem plötzlichen Überfall in seine Gefangenschaft bekommen hatte. Als er jetzt erfuhr, daß der König angekommen sei, fing er an, mit seinen Einfällen etwas nachzulassen und wich einem Zusammentreffen mit ihm aus, denn er hatte gehört, daß der König im Kampf viel Glück habe, und daß es jedem schwer sei, über ihn zu siegen. Doch blieb er mit einigen Leichtbewaffneten in der Nähe, um nach einer Gelegenheit zu spähen, den Unseren irgendeinen Schaden zuzufügen. Der König nun zog mit seiner Mannschaft in das Land des Grafen von Edessa, um dem Volk, das jetzt seines Herrn entbehren mußte, einigen Trost und Beistand zu bringen. Er zog im ganzen Land umher, untersuchte genau, ob die festen Plätze in gutem Zustand und hinlänglich mit Reitern und Fußvolk, mit Waffen und Lebensmitteln versehen seien, und gab sich alle Mühe, das Fehlende herbeizuschaffen. Als er nun in diesen Geschäften von der Stadt Turbessel aus nach Edessa eilte, um sich mit derselben Sorgfalt vom Zustand des Landes jenseits des Euphrats zu unterrichten und alles wo möglich in besseren Zustand zu setzen und mit dem Gefolge seiner Dienstleute seine Reise in der Nacht fortsetzte, geschah es, daß der genannte Balak, der von des Königs Reise einen Wink bekommen hatte, plötzlich, während sie, ohne sich fester aneinander anzuschließen, sorglos und unvorsichtig und beinahe alle schlafend einherzogen, aus einem Hinterhalt hervorbrach. Er fand also das Gefolge des Königs ganz unvorbereitet und schlaftrunken, und der Zufall wollte es, daß er an den König selbst geriet, ihn ergriff und gefangen mit sich schleppte, denn sowohl die, welche voran-, als die, welche hinten nachzogen, hatten sich nach verschiedenen Seiten hin geflüchtet, ohne zu wissen, was dem König zugestoßen war. Der oft genannte Balak ließ also den gefangenen König über den Euphrat in die Veste Quartapiert bringen, wo auch der Graf Joscelin und Herr Galeran, von denen oben die Rede war, gefangen lagen. Als unsere Fürsten im Königreich von dem jämmerlichen Fall, der sich mit dem König ereignet hatte, hörten, hielten sie und der Patriarch wie auch die Prälaten der Kirche, schwer bekümmert über den Zustand des Königreichs, bei der Stadt Akkon eine Zusammenkunft und ernannten hier einstimmig Eustach Grenier, einen verständigen und vorsichtigen Mann, der große Erfahrung im Kriegswesen hatte, zu ihrem Vorsteher und Anführer. Dieser Ritter besaß im Königreich zwei Städte, nämlich Sidon und Cäsarea, jede mit dem zugehörigen Gebiet. Diesem also übergaben sie die Sorge für das Königreich und die Verwaltung des Ganzen, bis der König, vom Aufgang aus der Höhe heimgesucht und freigegeben, die königlichen Geschäfte wieder besorgen könnte. Unterdessen wollen wir aber mit unserer Geschichtserzählung zu dem weiteren Bericht über den König zurückkehren.

    XVIII. Als der König mit dem Grafen in der genannten Veste gefangen lag, beschlossen einige Armenier aus dem Land des Grafen, die davon hörten, daß so große christliche Fürsten hier gefangengehalten werden, unter Verachtung der Gefahr, die ihnen drohte, wenn ihr Unternehmen keinen glücklichen Erfolg hätte, ein neues und unerhörtes Wagstück. Einige jedoch versichern, sie seien von Joscelin herbeigerufen worden und haben sich durch die Aussicht auf reichliche Belohnung, die ihnen zuteil werden sollte, dieser Gefahr ausgesetzt. Fünfzig aus der Zahl von diesen also, welche die Stärksten schienen, verschworen sich dazu, dort hinzugehen und die genannten großen Männer auf jede Gefahr hin zu befreien. Sie verkleiden sich also in Mönche und gehen, kurze Schwerter unter ihren weiten Kleidern tragend, nach der genannten Stadt, wo sie sich das Ansehen gaben, als haben sie etwas in Angelegenheiten ihrer Klöster zu verrichten. Weinend, mit kummervollen Gesichtern und kläglichen Worten, geben sie vor, es sei ihnen Gewalt angetan worden, und sagen, sie wollen ihre Not dem Vorgesetzten des Orts vortragen, der dafür zu sorgen hatte, daß in der umliegenden Gegend die Ordnung und Ruhe nicht gestört wurde. Andere wieder sagen, sie seien als Krämer mit geringen Waren in die Stadt gegangen. Endlich werden sie eingelassen, und wie sie nun in dem Ort sind, ziehen sie ihre Schwerter heraus und hauen alle nieder, die ihnen begegnen. Um kurz zu sein, sie bekommen den Platz in ihre Gewalt, lösen dem König und dem Grafen ihre Fesseln und befestigen die Burg, so sehr sie können. Unterdessen beschließt der König, den Grafen Joscelin hinauszuschicken, um ihm und seinen Genossen, durch deren Bemühung sie freigekommen waren, eiligst Hilfstruppen zu schicken. Als aber die Türken, welche in den umliegenden Dörfern wohnten, erfuhren, daß der König und die, welche mit ihm drinnen waren, durch diese List den Platz in ihre Gewalt bekommen haben, ergreifen sie die Waffen und kommen herbei, um wenigstens bis zur Ankunft Balaks, ihres Herrn, denen in der Stadt den Aus- und Eingang wo möglich abzuschneiden. Der Graf Joscelin jedoch wagte es mit drei Genossen, von denen ihn zwei auf der Reise begleiten sollten, während er den dritten sogleich wieder zum König zurückschicken wollte, um diesem zu melden, wie es ihm ergangen sei, sich den Nachstellungen der Feinde auszusetzen und hinauszugehen. Unter Gottes Schutz gelangte er auch wirklich, ohne daß die Belagerer etwas merkten, ins Freie, trat dann mit zwei seiner Genossen, wie dies früher so beschlossen worden war, seine Reise an und schickte den dritten in die Stadt zurück, um dem König seinen Ring zu übergeben, zum Zeichen, daß er den Feinden glücklich entkommen war. Der König aber suchte mit denen, durch deren Hilfe er befreit worden war, mit aller Anstrengung den Platz zu befestigen, um sich wo möglich bis zur Ankunft von Hilfstruppen, die er mit nächstem erwartete, hier halten zu können.

    XIX. In dieser Nacht aber wurde Balak durch ein schreckliches Gesicht in Schrecken gesetzt, indem es ihm im Traum vorkam, als ob ihn der Graf Joscelin mit eigenen Händen seiner Augen beraubte. Aufgeschreckt durch dieses Gesicht, schickte er gleich am frühen Morgen Boten nach dem genannten Ort, welche den Joscelin unverzüglich enthaupten sollten. Als diese näher gegen den Platz kamen und erfuhren, auf welche Art dieser unterdessen in die Hände der Feinde gekommen sei, kehrten sie in aller Eile zu ihrem Herrn zurück und berichteten ihm alles, was hier vorgefallen war. Auf dieses rief er von allen Seiten Mannschaften zusammen, eilte ohne Säumen in diese Gegend und schloß die, welche sich in die Stadt begeben hatten, rings mit seinem Heer ein. Es kam nun durch Unterhändler zu einem Gespräch zwischen dem König und Balak, worauf dieser dem König das bestimmte Versprechen gab, ihm und den Seinigen, wenn sie ihm den Platz freiwillig wieder ausliefern, freien Auszug und sicheres Geleit bis nach der Stadt Edessa zu gewähren. Der König jedoch verwarf die angebotenen Bedingungen und fuhr fort, den Ort hartnäckig zu verteidigen, denn er setzte ein großes Vertrauen auf die Festigkeit desselben und hoffte ihn mit Hilfe derer, die zu ihm hereingekommen waren, bis zur Ankunft eines Hilfsheeres behaupten zu können. Durch die Ablehnung dieser Bedingungen wurde Balak im höchsten Grade aufgebracht. Er rief Handwerksleute herbei, ließ vielfache Maschinen errichten, wie man sie bei Belagerungen braucht, und wandte jedes Mittel an, durch das man Belagerten Schaden bringen kann. Der Platz lag nämlich auf einem Hügel, der aus Kreide bestand und leicht untergraben werden konnte. Da er also sah, wie man hier dem Ort am leichtesten beikommen könne, ließ er ungeheure Gruben ausheben und diese mit Balken und sonstigem Holzwerk stützen, worauf sich dann die Handwerksleute, nachdem sie Feuer angelegt hatten, zurückzogen. Als nun das Holz innen verbrannt war, senkte sich der Hügel, und der Turm, welcher auf ihm erbaut war, stürzte mit ungeheurem Getöse zusammen. Da der König jetzt fürchten mußte, es möchte die ganze Burg auf dieselbe Art zusammenstürzen, gab er sie ohne alle Bedingungen an Balak zurück. Als dieser den Platz nun wieder in seiner Gewalt hatte, schenkte er dem König und einem Neffen von ihm wie auch Galeran das Leben und ließ sie in Fesseln nach Karra führen, eine Stadt in der Nähe von Edessa, wo sie im engsten Gewahrsam gehalten wurden. Die vorgenannten Armenier aber, diese wackeren und treuen Männer, die sich, um ihren König und Herrn zu befreien, so großen Gefahren ausgesetzt hatten, marterte er auf die verschiedenste Art. Den einen ließ er die Haut abziehen, andere wurden mitten auseinandergesägt, andere lebendig begraben, und wieder andere mußten seinem Knaben beim Pfeilschießen als Zielscheibe dienen. Obgleich sie aber auf diese Art in den Augen der Menschen gepeinigt wurden, so blieb ihre Hoffnung auf das ewige Leben dennoch aufrecht, und da sie in wenigem treu waren, so werden sie über vieles gesetzt werden.

    XX. Unterdessen hatte der Graf Joscelin mit seinen Weggefährten in immerwährender Furcht und Besorgnis seinen Weg fortgesetzt und war mit einem mäßigen Vorrat an Lebensmitteln und mit zwei Schläuchen, die er zufällig mitgenommen hatte, bis an den großen Fluß Euphrat gekommen. Hier füllte er auf den Rat seiner Genossen, die er darum fragte, auf welche Art er über den Fluß kommen könnte, seine Schläuche mit Luft an, band sie mit einem Strick um sich herum und kam so mit Gottes Hilfe, von seinen Gefährten, die große Übung im Schwimmen hatten, zur Rechten und Linken gestützt, wohlbehalten an das jenseitige Ufer. Von da mußte er seinen Weg unter nicht geringerer Gefahr fortsetzen, mit bloßen Füßen, vor Hunger, Durst und Mattigkeit völlig erschöpft und von der ungewohnten Anstrengung ganz darniedergedrückt. Endlich gelangte er unter Gottes gnädigem Beistand nach der trefflichen Stadt Turbessel. Hier war er nun aufs eifrigste darauf bedacht, seinen Auftrag zu erfüllen. Er nahm also ein Gefolge mit, wie er es für den Augenblick nötig hatte, und reiste zuerst nach Antiochien und dann auf den Rat des Patriarchen Bernhard nach Jerusalem, setzte den Patriarchen und den Fürsten des Königreichs die ganze Sache auseinander, erzählte ihnen ausführlich den Unfall und forderte sie zur eiligsten Hilfeleistung auf, indem er ihnen versicherte, die Sache des Königs stehe so, daß sie durchaus keinen Aufschub des Beistands dulden könne. So geschah es, daß sich auf seine Aufforderung hin das Volk des ganzen Königreichs wie ein Mann versammelte. Sie nahmen das Kreuz des Herrn mit sich und kamen bedeutend gestärkt, da sich ihnen in jeder der Städte, die sie durchzogen, neue Hilfstruppen anschlossen, nach Antiochien und von da, vereint mit dem Volk und den Vätern dieser Stadt, unter Anführung des Grafen nach Turbessel. Als sie hier genaue Nachricht darüber bekamen, wie es dem König in der Zwischenzeit ergangen sei, und einsahen, daß es nichts fruchte, wenn sie weiterziehen, beschlossen sie alle zusammen, es sollte ein jeder in seine Heimat zurückgehen. Um jedoch nicht ganz unverrichteterdinge wieder heimzukehren, beschlossen sie, wenn sie bei Haleb vorüberkommen, zu versuchen, ob sie den Feinden einen Schaden oder eine Kränkung zufügen könnten. Dies wurde denn auch ausgeführt, denn als sie vor der genannten Stadt vorüberzogen, trieben sie die Einwohner des Orts, die mit ihnen zu kämpfen herausgekommen waren, mit Gewalt in die Stadt zurück und verweilten hier zum Ärger und Verdruß der Bürger vier ganze Tage. Der Teil des Heeres, der aus dem Königreich war und seinen besonderen Weg verfolgte, fiel, als er in der Gegend von Skythopolis über den Jordan kam, plötzlich in das feindliche Land ein, richtete hier, da er die Feinde ungerüstet fand, eine große Niederlage an und kehrte dann mit einer unermeßlichen Zahl von Gefangenen, sowohl Männern als Weibern, und mit der reichsten Siegesbeute froh und triumphierend in die Heimat zurück.

    XXI. Unterdessen erwog der Fürst von Ägypten, daß ihm die Gefangenschaft des Königs eine treffliche Gelegenheit darbiete, das Königreich von Jerusalem, vor dem er sich mit allem Recht fürchtete, zu überfallen. Er ließ also aus ganz Ägypten Bewaffnete zusammenrufen und gab den Seestädten Befehl, Galeeren instand zu setzen und eine Flotte zu bewaffnen, wozu er besondere Vorsteher ernannte, welche diese Ausrüstung beaufsichtigen sollten. Auch alles übrige, was ein Schiffsheer braucht, ließ er ohne Säumen verfertigen. Als nun siebzig Galeeren bereit lagen, zog er mit einem unermeßlichen Landheer durch die Wüste und lagerte sich sodann bei Askalon. Die Flotte aber fuhr bis Joppe und hielt hier vor der Stadt. Alsbald kamen sie in schwerer Menge von ihren Schiffen ans Land und begannen der Stadt ringsherum von allen Seiten durch immerwährende Angriffe feindlich zuzusetzen. Da die Stadt nur sehr wenige Verteidiger hatte, so konnten sie sich ganz ungestört daranmachen, die Mauer zu untergraben, und sie machten sie auch wirklich in einigen Teilen wankend. Hätten sie noch den folgenden Tag die Stadt ungehindert bestürmen können, so hätten sie ohne Zweifel die Mauern erbrochen und die Stadt erobert, denn es waren nur wenige drinnen, die sich ihnen entgegenstellen konnten. Unterdessen aber hatten sich der Patriarch und Eustach Grenier, der Connetable des Königreichs, und die übrigen Fürsten mit allen Mannschaften, die sie hatten zusammenbringen können, auf der Ebene von Cäsarea, an dem Ort, der Kako heißt, vereinigt und wandten sich von da, in geordneten Reihen dahinziehend, gen Joppe. Als dies die Belagerer hörten, zogen sie sich aus Furcht vor den Unseren eiligst wieder auf ihre Flotte zurück. Als sie diese wieder in Ordnung gebracht hatten, hielten sie sich bereit und erwarteten, wie es den Ihrigen ergehen würde, die, wie sie gehört hatten, nicht mehr weit von den Feinden waren. Indessen trafen die Unseren, wie sie unter dem Panier des Heiligen Kreuzes, bewaffnet mit dem Glauben und voll der Siegeshoffnung, die ihnen der Herr eingegeben hatte, in Schlachtordnung einherzogen, bei dem Ort, der Ibelin genannt wird, auf die Feinde. Diese waren in ihrer gewohnten Ordnung herbeigekommen, um mit den Unseren zu kämpfen. Als sie aber die Rüstungen von diesen sahen und aus sicheren Anzeichen auf ihren Mut schlossen, zogen sie, die wie Löwen herangeschritten waren, sich wie Hasen und furchtsamer als diese zurück und wünschten dem Kampf ausweichen zu können und mehr noch, ihn gar nicht begonnen zu haben. Das Heer der Unsern soll, allerlei Volk, das dabei war, mitgerechnet, siebentausend Mann stark gewesen sein, wogegen die Feinde sechzehntausend wohlgerüsteter Krieger zählten, außer denen, welche auf der Flotte dienten. Die Unseren stürzten also unter Gottes Beistand, den sie sich frommen und zerknirschten Herzens erbeten hatten, aufs heftigste und gewaltsamste auf die Feinde ein und bedrängten sie Mann gegen Mann so sehr, daß sie nicht einmal mehr Atem holen konnten. Die Ägypter waren über die Kraft und Kühnheit der Unseren sehr erstaunt und lernten jetzt aus Erfahrung kennen, was sie früher nur gehört hatten. Dennoch schickten sie sich an, Widerstand zu leisten und den Unseren auf die gleiche Art zu begegnen; aber weit schwächer an Mut und Kraft mußten sie dieses Vorhaben aufgeben und die Flucht ergreifen. Sie ließen also ihr Lager, das mit allen Arten von Schätzen und Vorräten angefüllt war, im Stich und retteten ihr Leben durch die Flucht. Die Unseren jedoch setzten ihnen heftig nach und machten alles, was sie erreichen konnten, nieder, so daß nur wenige von einer so großen Menge der Gefangenschaft oder dem Tod entkamen. Es sollen an diesem Tag von den Feinden siebentausend gefallen sein; die Unseren aber kehrten siegreich ins Lager zurück und verteilten untereinander nach dem Kriegsrecht die ägyptischen Schätze, die sie hier fanden, die unermeßliche Menge von Silber und Gold, die kostbaren Geräte aller Art, die Zelte, Pferde, Panzer und Schwerter, und kamen so, übermäßig bereichert, in die Heimat zurück. Die Flotte aber wandte sich, als sie erfuhr, wie es den Ihrigen ergangen war, nach Askalon, das noch in ihrer Gewalt war, wo sie über die Niederlage der Ihrigen noch ausführlichere Kunde erhielten. Um dieselbe Zeit starb der verständige, umsichtige Mann, Eustach Grenier, der Reichsverweser, und an seine Stelle wurde Wilhelm von Buris gesetzt, der Herr von Tiberias war, ein großer und durchaus lobenswerter Mann.

    XXII. Etwa zur gleichen Zeit rüstete Dominico Michaeli, der Doge von Venedig, mit den übrigen Großen dieses Landes eine Flotte aus, die aus vierzig Galeeren, achtundzwanzig Katten und vier größeren Lastschiffen bestand, und brach damit, da er von der Not im Morgenland hörte, nach Syrien auf. Als sie damit bei der Insel Zypern angekommen waren, wurde ihnen, da man von ihrer Ankunft schon zuvor gehört hatte, gemeldet, daß die ägyptische Flotte in Syrien bei der Seestadt Joppe gelandet sei und zum Schrecken der Seestädte in diesen Gegenden verweile. Als der Doge dies vernommen hatte, befahl er mit den Schiffen auszulaufen und wandte sich, zum Kampf gerüstet, eiligst gegen das Ufer von Joppe. Unterdessen wurde ihnen gemeldet, daß die genannte ägyptische Flotte Joppe verlassen und sich in die Gegend von Askalon begeben habe. Die Ägypter hatten nämlich über die Ihrigen, welche mit den Unseren zu Lande gekämpft hatten, schlimme Gerüchte vernommen und sich auf diese Veranlassung hin nach ihrer eigenen Stadt gewandt. Da nun die Venezianer durch Zwischenträger auch hiervon in Kenntnis gesetzt wurden, so steuerten sie dorthin und wünschten sehnlichst die feindliche Flotte zu finden und mit ihr ein Treffen zu versuchen. Sofort stellten sie, da sie vorsichtige und in solchen Unternehmungen erfahrene Männer waren, ihre Flotte in die Ordnung, die ihnen am nützlichsten schien. Sie hatten bei dieser Flotte eine gewisse Art von Schnabelschiffen, die man Katten nennt. Sie sind größer als die Galeeren und haben hundert Ruder, von denen jedes zwei Ruderknechte braucht. Sie hatten aber, wie wir schon gesagt haben, auch noch vier größere Schiffe, welche dazu bestimmt waren, die Lasten, wie Maschinen, Waffen und Lebensmittel, zu führen. Diese stellten sie mit den Katten voran, damit die Feinde ihre Flotte von der Ferne für eine Anzahl von Kauffahrteischiffen halten sollten. Die Galeeren aber folgten hinterdrein. Nachdem die Schiffe in diese Ordnung gestellt waren, näherten sie sich den Ufern. Es war ihnen nämlich die Luft äußerst günstig, das Meer ruhig und die feindliche Flotte ganz in der Nähe. Als es nun schon um die Dämmerung war und die Morgenröte die Ankunft der Sonne verkündigte, merkten die Feinde die Ankunft der Flotte, und als das Tageslicht zunahm, sahen sie sie in größerer Nähe. In großer Furcht und Bestürzung ergriffen sie also die Ruder und forderten die Ihrigen durch Zuruf und Winke auf, die Taue abzuhauen, die Anker zu lichten, die Ruderknechte an ihren Platz zu stellen und zum Kampf gefaßt die Waffen zu ergreifen.

    XXIII. Während so bei den Feinden unruhiger Tumult und große Verwirrung herrschten, wie sie die Furcht hervorzubringen pflegt, siehe, da flog eine der venezianischen Galeeren, die, in welcher der Doge war, den übrigen voraus und rannte so heftig an ein Schiff, in welchem sich zufällig der feindliche Anführer befand, daß dieses beinahe völlig, samt seinen Ruderern, in die Fluten versenkt wurde. Auf dieses folgten die anderen Schiffe eiligst nach und stürzten auch fast alle übrigen feindlichen Schiffe um. Es kam also zu einer heftigen Schlacht, auf beiden Seiten wurde mit größter Erbitterung gekämpft, und es wurden so viele erschlagen, daß die, welche dabei waren, aufs bestimmteste versichern, so unwahrscheinlich es klingen mag, die Füße der Sieger seien im feindlichen Blut gewatet und das umliegende Meer sei von den hineingestürzten Körpern und von dem Blut, das aus den Schiffen herabfloß, bis zu einem Umkreis von zweitausend Schritten blutrot gefärbt worden. Die Ufer aber, sagen sie, seien von den Leichen, die vom Meer ausgeworfen wurden, so bedeckt gewesen, daß die Luft in dem umliegenden Land durch die Fäulnis der Leichen ganz verpestet worden sei und eine Seuche erzeugt habe. Lange wurde der Kampf Mann gegen Mann fortgesetzt, und aufs hitzigste suchten die einen vorzudringen, die andern Widerstand zu leisten. Endlich aber wurden die Venezianer mit Gottes Hilfe Sieger, schlugen die Feinde in die Flucht und erfochten einen für alle Zeiten denkwürdigen Sieg, durch den sie vier Galeeren, ebenso viele Katten und eines der großen Schiffe gewannen. Der feindliche Anführer aber war in dem Treffen umgekommen. Als nun den Unseren dieser Sieg vom Himmel verliehen worden war, wollten sie die Zeit nicht unnütz verschwenden, sondern wandten sich auf Befehl des Dogen Ägypten zu und kamen bis zu der alten Seestadt Laris, die in der Wüste liegt. Hier spähten sie umher, ob ihnen nicht zufällig einige feindliche Schiffe begegneten, und dieser Wunsch wurde ihnen auch erfüllt, ja es war, als ob sie über alles, was später vorfiel, zuvor eine bestimmte Nachricht erhalten hätten. Während sie sich nämlich in diesem Meer aufhielten, sahen sie in geringer Entfernung zehn feindliche Schiffe. Sie steuerten in aller Schnelligkeit auf sie zu und bekamen sie beim ersten Zusammentreffen in ihre Gewalt. Die Mannschaft, die sie hier fanden, töteten sie teils, teils legten sie sie in Fesseln. Diese Schiffe waren nämlich mit morgenländischen Waren angefüllt, und zwar mit Spezereien und Seidenzeugen. Dieses alles verteilten sie nach dem Kriegsgebrauch unter sich, und so kamen sie bedeutend bereichert mit ihren eroberten Schiffen bei der Stadt Akkon an.

    XXIV. Als der Patriarch Gormund von Jerusalem, Wilhelm von Buris, der Verweser und Conntable des Reichs, und der königliche Kanzler Pains samt den Erzbischöfen, Bischöfen und übrigen Großen des Reichs vernahmen, daß der Doge von Venedig mit einem Schiffsheer an unser Ufer gekommen sei und so glorreich über die Feinde gesiegt habe, sandten sie kluge und ehrenhafte Männer als Boten an ihn, um ihn wie auch die Großen von Venedig und die Hauptleute des Heeres vom Patriarchen, den Fürsten und dem Volk zu grüßen und ihnen ihre Freude über ihre Ankunft zu bezeugen. Sie ließen sie auch einladen, es sich im Königreich auf alle Art bequem zu machen und sich hier als Bürger und Einheimische zu fühlen, da man sich vorgesetzt habe, alle Pflichten der Gastfreundschaft gebührend gegen sie zu beachten. Der Doge machte sich also auf, teils um die heiligen Orte zu sehen, nach denen er sich schon lange gesehnt hatte, teils um sich mit den Fürsten, die ihn so freundlich eingeladen hatten, zu unterreden, und kam mit den Großen seines Volks, nachdem er die Aufsicht über die Flotte klugen Männern übergeben hatte, nach Jerusalem, wo er mit allen Ehren empfangen wurde und das Weihnachtsfest feierte. Als er hier von den Fürsten des Königreichs dringend aufgefordert wurde, seine Kräfte einige Zeit im Dienste Christi zur Vergrößerung des Königreichs zu gebrauchen, antwortete er, daß er eben darum hierhergekommen, und daß seine Absicht ganz dahin gerichtet sei. So schlossen denn der Patriarch und die übrigen Fürsten des Reichs mit ihm einen Vertrag ab, nach welchem sie eine der Seestädte, entweder Tyrus oder Askalon, gemeinschaftlich belagern wollten. Die übrigen nämlich, vom Fluß Ägyptens bis nach Antiochien, waren bereits alle mit Gottes Beistand in unsere Gewalt gekommen. Hier hätte die Sache aber beinahe einen gefährlichen Streit verursacht, indem die Wünsche der Unseren nach ganz entgegengesetzten Richtungen gingen. Die Einwohner von Jerusalem, Ramla, Joppe und Neapolis und die, welche in den Gebieten dieser Städte wohnten, gaben sich nämlich alle Mühe, eine Belagerung von Askalon zustande zu bringen, da ihnen diese Stadt näher lag und die Eroberung weniger Mühe und Kosten zu erfordern schien; die Einwohner von Akkon, Narareth, Sidon, Beritus, Tiberias, Biblius und den übrigen Seestädten aber verlangten, daß die Unternehmung gegen Tyrus gerichtet werde. Denn da dieses eine sehr edle und wohlbefestigte Stadt sei, so müsse man alles aufwenden, um sie in unsere Gewalt zu bringen, damit sie nicht dereinst den Feinden dazu diene, durch sie in unser Land einzufallen und dasselbe wieder zu erobern. Durch diese Geteiltheit der Wünsche hätte die Sache, wie gesagt, beinahe einen Aufschub erlitten. Endlich wurde die Angelegenheit auf den Vorschlag einiger dahin vermittelt, daß man zu einer Entscheidung durchs Los schritt. Die Art, auf die man das Los zog, war nicht unehrenhaft. Sie nahmen nämlich zwei Pergamentblätter und schrieben auf das eine Tyrus, auf das andere Askalon. Dann legten sie diese Blätter auf einen Altar und ließen einen unschuldigen und elternlosen Knaben nach seinem Belieben eines davon nehmen, und welche Stadt nun auf dem Blatt stand, das dieser wählte, nach der sollten beide Heere ohne weitere Streitigkeiten sich wenden. Das Los entschied also für Tyrus. Wir haben dies nämlich von einigen alten Leuten gehört, welche uns die bestimmte Versicherung gaben, daß sie bei allem diesem zugegen gewesen seien. Nachdem also dies beschlossen worden war, kamen der Patriarch und die Großen dieser Gegend samt dem ganzen Volk in der Stadt Akkon zusammen, in deren Hafen die venezianische Flotte vor Anker lag. Nachdem beide Teile einen körperlichen Eid geschworen hatten, daß sie die geschlossenen Verträge treulichst halten wollten, und nachdem alles Nötige gerüstet war, begannen sie am 15. Februar die doppelte Belagerung der genannten Stadt.

    XXV. Um aber keines der alten Dokumente, die auf unsere Geschichte Bezug nehmen, zu übergehen, wollen wir eine Abschrift von dem Privilegium, in welchem die Verträge, welche die Venezianer und die Fürsten von Jerusalem miteinander schlossen, enthalten sind, zu vermehrter Deutlichkeit der Geschichte hierhersetzen. "Im Namen der heiligen und unteilbaren Dreieinigkeit, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen. Zur Zeit, als Papst Kalixtus der Zweite und der Kaiser Heinrich der Vierte, Mehrer des Reichs, jener die römische Kirche, dieser das Reich regierte, und in demselben Jahr, da zwischen der geistlichen und der weltlichen Gewalt wegen des Streits über Ring und Stab auf der Versammlung zu Rom mit Gottes Hilfe Friede geschlossen wurde, kam Dominicus Michaelis, Herzog von Venedig, Dalmatien und Kroatien, des Reiches Fürst, mit einer unermeßlichen Zahl an Schiffen und Kriegsvolk, nachdem er zuvor noch vor den unwirtlichen Gestaden von Askalon die heidnische Flotte des Königs von Babylon mit schwerer Niederlage heimgesucht hatte, zuletzt sieghaft zum Schutz der hilfsbedürftigen Christen gen Jerusalem. Es wurde nämlich dazumal König Balduin der Zweite von Jerusalem um unserer Sünden willen von dem Partherfürsten Balak nebst vielen anderen in der Heiden Bande gefangengehalten. Darum haben wir, Gormund, von Gottes Gnaden der Heiligen Stadt Jerusalem Patriarch, samt den uns zugeordneten Brüdern unserer Kirche, Herrn Wilhelm von Buris, dem Connetable, und Pains dem Kanzler und unter Beiwesen der ganzen Ritterschaft der Barone des Reichs in Akkon, in der Kirche des heiligen Kreuzes vereint, die Verheißungen des besagten Königs Balduin nach seiner Briefe und Boten Zusage, welche Briefe der König selbst durch seine Boten dem Herzog von Venedig dorthin entsandt hat, mit unserer eigenen Hand und der Bischöfe und des Kanzlers Hand und dem Friedenskuß, wie das unseres Standes Regel ist, alle Barone aber, deren Namen daruntergeschrieben sind, auf die heiligen Evangelien, dem heiligen Evangelisten Sankt Markus, dem vorgenannten Herzog und seinen Nachfolgern und dem Volk der Venezianer insgesamt die nachstehenden Vertragsbedingungen zugesagt und bestätigt, damit solches alles, was gesprochen und wie es hernach geschrieben steht, ohne jeglichen Widerspruch ihm und seinem Volk also stetig, fest und künftighin unbekümmert für ewige Zeiten verbleibe. Amen. In allen unter des genannten Königs und seiner Nachfolger wie auch seiner Barone Herrschaft gelegenen Städten sollen die Venezianer eine Kirche, eine ganze Straße, einen Platz oder eine Badestube und einen Backofen zu erblichem und immerwährendem Recht besitzen, von jeglicher Beschwerde frei, gleich des Königs Eigentum selbst. An der Badestube zu Jerusalem aber sollen sie so viel Eigentumsrecht haben, wie der König selbst es dort hergebracht hat. Wollen sie zu Akkon einen Backofen, eine Mühle, Badestube, Waage, Scheffel und Maße, um Wein, Öl oder Honig damit zu messen, im Viertel der Venezianer errichten, so mögen alle, die darin wohnen, daselbst nach Gefallen backen, mahlen, baden, wie wenn es des Königs eigen wäre. Mit dem Scheffel, der Waage und den Maßen mögen sie sich also gebrauchen: So nämlich die Venezianer untereinander Kaufmannschaft treiben, sollen sie nach der Venezianer Maßen messen, so sie aber ihr Gut an andere Völkerschaften verkaufen, so sollen diese nach den ihren, das heißt nach der Venezianer Maßen messen. Wo dagegen die Venezianer von anderen Völkerschaften als Venezianern etwas mit Handelschaft an sich brächten, sollen sie es nach den königlichen Maßen und gegen Bezahlung des Preises empfangen. Dazu sollen die Venezianer keinerlei Gabe, sei es nach Herkommen oder nach irgendeinem Recht, auf keinerlei Weise beim Ankommen, Anhalten, Verkaufen, Kaufen, Bleiben oder Gehen aus irgendeinem Grund bezahlen, außer allein, wenn sie mit ihren Schiffen kommen und gehen und Pilger darauf führen. Alsdann sollen sie nach des Königs Herkommen dem König selbst das Dritteil geben. Da sollen der König von Jerusalem selbst und wir alle dem Herzog der Venezianer von der Zollstatt zu Tyrus, von seiten des Königs, an Sankt Peter und Paul, der Zwölfboten Tage, alljährlich dreihundert sarazenische Byzantiner vertragsmäßig zu bezahlen schuldig sein. Auch geloben wir Euch, dem Herzog von Venedig und Eurem Volk, daß wir von jenen Völkerschaften, welche mit Euch Handelschaft treiben, nicht mehr nehmen werden, als was sie bisher gegeben haben und was wir von denjenigen nehmen, die mit anderen Völkern Handelschaft treiben. Dazu bestätigen wir dem heiligen Markus und Euch, dem Herzog Dominicus Michaelis von Venedig, und Euren Nachfolgern, kraft dieser Schrift, denjenigen Teil des Platzes und der Straße in Akkon, welcher an dem einen Ende mit dem Haus des Pater Zannus, an dem anderen mit dem Kloster des heiligen Demetrius sich schließt, und den anderen Teil derselben Straße, worin ein hölzernes Haus, welches einst ein Rohrschuppen gewesen ist, und zwei steinerne Häuser gelegen sind, den Teil, den König Balduin von Jerusalem dem heiligen Markus und dem Herzog Ordolaf und seinen Nachfolgern schon früher bei der Eroberung von Sidon verliehen hat, und geben Euch Gewalt, diese auszuüben, zu besitzen und damit auf ewige Zeiten zu schaffen, was Euch beliebt. An dem anderen Teil jener Straße, der von dem Haus Bernhards von Neuenburg an, das früher Johann Julians gewesen, bis zum Hause Guiberts von Joppe aus Lauda in gerader Richtung fortgeht, geben wir Euch alle Gewalt, wie sie der König daselbst gehabt. Es soll auch kein Venezianer im ganzen Gebiet des Königs irgendeine Gabe beim Eintritt, Verweilen oder Abgeben unter keinerlei Vorwand zu entrichten gehalten, sondern genauso frei sein, wie wenn er in Venedig selbst wäre. So aber irgendein Rechtshandel oder Streit über ein Geschäft zwischen einem Venezianer und einem anderen Venezianer sich erhübe, soll er am Hofe der Venezianer entschieden werden, oder ob jemand einige verschiedene Forderungen oder Ansprüche wider einen Venezianer zu haben vermeinte, so soll darüber ebenfalls im Hof der Venezianer erkannt werden. Wenn aber ein Venezianer gegen irgendeinen anderen Menschen als einen Venezianer Klage führte, so soll man das in des Königs Hofe bessern. Da ferner auch ein Venezianer mit oder ohne letztwillige Verfügung, was wir "ohne Sprache" nennen, verstürbe, soll seine Habe in die Gewalt der Venezianer kommen. So aber ein Venezianer Schiffbruch litte, soll ihm nichts von dem Seinen genommen werden, stirbt er aber beim Schiffbruch, so soll sein hinterlassenes Gut an seine Erben oder andere Venezianer fallen. Über allerhand Bürger, die in der Venezianer Viertel und Häuser wohnen, sollen die Venezianer gleiches Gericht und Herkommen haben, wie der König über die Seinen. Endlich sollen die Venezianer von den beiden Städten Tyrus und Askalon ein Drittel mit seinem Dazugehörigen und von allen dazugehörigen Landschaften, die von Sankt Peters Tag an nur unter sarazenischer Botmäßigkeit sind, und nicht Franken gehören, ebenfalls ein Drittel erhalten, je nachdem welche von beiden Städten, oder ob unter Gottes Beistand mit ihrer Hilfe oder unter irgendeinem Zutun von ihnen beide Städte, der Heilige Geist in der Christen Gewalt überantworten wollte. Es sollen die Venezianer jenes Drittel frei und vollgültig, wie der König selbst die beiden andern, zu erblichem und immerwährendem Recht, von männiglichs Ansprüchen unbeirrt, besitzen. Demnach werden wir, der Patriarch von Jerusalem, dafür sorgen, daß alle die oben geschriebenen Artikel vom König selbst, wenn er dereinst unter Gottes Beistand aus seiner Gefangenschaft zurückkehren wird, auf das Evangelium bestätigt werden. Würde auch ein anderer, der König werden sollte, ins Königreich Jerusalem kommen, so werden wir entweder, wie gesagt, es schaffen, daß er, ehe er König würde, die oben bestimmten Gelöbnisse bestätige, oder wir werden unsre Zustimmung zu seiner Erhebung zum König auf keine Weise erteilen. Ebenso und in gleicher Weise werden auch der Barone Erben und die künftig Barone sein werden, dieselben Bestätigungen tun. Was aber die Sache in Antiochien anlangt, davon Euch, wie wir wohl wissen, der König Balduin der Zweite in derselben Vertragsabrede Versprechungen getan, daß er Euch, den Venezianern, im Fürstentum Antiochien, und zwar in Antiochien der Stadt, einräumen wolle, was in den eigenen Städten des Königs gilt, so werden wir, der genannte Gormund, Patriarch von Jerusalem, mit unsern Bischöfen, dem Klerus, den Baronen und dem Volk von Jerusalem, sofern die Antiochier die Versprechungen des königlichen Bündnisses zu halten gewillt sein werden, Euch Rat und Beistand leihen, dasjenige, was der Herr Papst darum schreiben wird, getreulich und vollkommen zu erfüllen, und geloben alles obige den Venezianern zu Ehren.

Ich, Gormund, von Gottes Gnaden Patriarch von Jerusalem, bestätige mit meiner eigenen Hand das Obengeschriebene.

Ich, Ebremar, Erzbischof von Cäsarea, bestätige desgleichen ebendasselbe.
Ich, Bernhard, Bischof von Nazareth, bestätige desgleichen.
Ich, Roger, Bischof des heiligen Georg zu Lidda, bestätige desgleichen.
Ich, Gildoin, Abt der heiligen Maria im Tal Joschafat, bestätige desgleichen.
Ich, Gerhard, Prior des Heiligen Grabes, bestätige desgleichen.
Ich, Richard, Prior zum Tempel des Herrn, bestätige desgleichen.
Ich, Arnold, Prior zum Berg Zion, bestätige desgleichen.
Ich, Wilhelm von Buris, des Königs Connetable, bestätige desgleichen.

Gegeben zu Akkon von der Hand Pains, des Kanzlers des Königs von Jerusalem, im Jahre tausendeinhundertunddreiundzwanzig, in der zweiten Indiktion."
 

 

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