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Sechzehntes Buch

Vorrede. Thronbesteigung Balduins des Dritten. Schilderung seines Äußeren und seines Charakters (Kap. 1, 2.) Seine Krönung. Vormundschaft seiner Mutter.  (Kap. 3.) Eroberung Edessas durch Zenghi (Kap. 4, 5.) Der König nimmt den Türken einen festen Platz über dem Jordan wieder ab. (Kap. 6.) Sanguin wird ermordet. (Kap. 7.) Ein damaszenischer Edler will dem König Bostrum übergeben. Verhandlungen hierüber mit dem Statthalter von Damaskus. (Kap. 8.) Gefährlicher Zug nah Bostrum. (Kap. 9.) Das christliche Heer findet die Stadt vom Feind besetzt und zieht unverrichteterdinge wieder ab. (Kap. 10.) Große Not, in die das Heer auf dem Rückzug kommt. Man läßt Ainard um Frieden ersuchen. (Kap. 11, 12.) Ankunft des Heeres in Gadara. Beschreibung des Orts. Das Heer kommt nach Hause zurück. (Kap. 13.) Die Bürger von Edessa rufen den Grafen herbei. Er gewinnt die Stadt wieder. (Kap. 14.) Nur ed-Din belagert die Stadt. Der Graf verläßt sie mit den Seinigen und wird von Nur ed-Din verfolgt. (Kap. 15, 16.) Tod des Patriarchen Wilhelm von Jerusalem. Seine Stelle erhält Erzbischof Fulcher von Tyrus. Der Kirche von Tyrus wird der königliche Kanzler Radolf als Erzbischof aufgedrungen. (Kap. 17.) Der römische Kaiser Konrad und der König Ludwig von Frankreich brechen mit vielen anderen Fürsten nach dem Morgenland auf. (Kap. 18.) Ankunft des römischen Kaisers in Konstantinopel. Rüstungen des Sultans von Ikonium. (Kap. 19.) Große Gefahr, in die das kaiserliche Heer durch die Treulosigkeit der Griechen kommt. (Kap. 20, 21.) Die Deutschen werden von den Türken überfallen. Der Kaiser entkommt. (Kap. 22.) Ankunft des Königs von Frankreich in Bithynien. Der römische Kaiser kehrt nach Konstantinopel zurück. (Kap. 23.) Der König von Frankreich kommt nach Ephesus und erzwingt den Übergang über den Mäander. (Kap. 24.) Das fränkische Heer wird überfallen und erleidet eine große Niederlage. Ein Teil davon entkommt. (Kap. 25.) Der König gelangt mit dem übriggebliebenen Heer nach Attalia. (Kap. 26.) Der Fürst von Antiochien empfängt den König von Frankreich im Hafen des heiligen Simeon und führt ihn nach Antiochien. Sie trennen sich als Feinde voneinander. (Kap. 27.) Im Frühjahr setzt Kaiser Konrad nach Syrien über. Der Graf Amphessus landet bei Akkon und stirbt bei Cäsarea. (Kap. 28.) Der König von Frankreich eilt nach Jerusalem. Der Patriarch kommt ihm entgegen. (Kap. 29.)

 

Die Geschichte, die wir bisher geschrieben, haben wir bloß dem Bericht anderer entnommen, die noch ein gutes Gedächtnis für die alte Zeit hatten, weswegen wir, auf fremden Beistand angewiesen, nur mit großer Mühe die Wahrheit, die Reihenfolge und die Zeit der Begebenheiten bestimmen konnten. Übrigens haben wir die vorangegangene Geschichtserzählung so treu gegeben, als uns immer möglich war. Was aber von jetzt an folgt, das haben wir teils selbst mit unseren eigenen Augen gesehen, teils aus der treuen Erzählung solcher erfahren, die bei den Begebenheiten anwesend waren. Im Vertrauen auf diese doppelte Hilfe hoffen wir denn, das Folgende unter Gottes Beistand mit weniger Mühe und getreuer für die Nachwelt niederschreiben zu können, denn einmal bleibt die Geschichte der neuen Zeit überhaupt besser im Gedächtnis, und dann wird das, was das Auge der Seele zugebracht hat, nicht so leicht vergessen wie das bloß Gehörte, womit unser Flaccus ganz übereinstimmt, wenn er sagt:

Schwächer erregt das Gemüt, was durch das Gehör dahin eingeht,

Als was den Augen erscheint, den zuverlässigen; und was

Selbst sich der Schauende sagt.

I. Nachdem nun Fulko, der dritte lateinische König von Jerusalem, gestorben war, folgte ihm Balduin der Dritte, der sein Sohn von der Königin Melisende war und, wie wir schon da gesagt haben, einen einzigen noch unerwachsenen Bruder von sieben Jahren namens Amalrich hatte, der später, nachdem Balduin ohne Kinder gestorben war, folgte, wie dies im folgenden erzählt werden wird. Balduin war dreizehn Jahre alt, als er zur Regierung kam, und regierte zwanzig Jahre. Er war nämlich ein Jüngling von der besten Anlage, bei dem man schon jetzt aus sicheren Anzeichen auf das schließen konnte, was er im Mannesalter leistete. Als er ein Mann geworden, zeichnete er sich ebenso durch sein schönes Äußeres als durch die Lebendigkeit seines Geistes und durch seine blühende Beredsamkeit vor allen übrigen Fürsten aus. Er war nämlich von hohem Wuchs, so daß er größer war als die Mittelgroßen, und seine Glieder stimmten so zu seiner Größe und hatten ein so richtiges Verhältnis zueinander, daß kein Teil auch nur im geringsten vom Ebenmaß des Ganzen abwich. Er hatte ein sehr schönes Gesicht und eine lebhafte Gesichtsfarbe, die seinen lebendigen Geist verriet, in allem diesen seiner Mutter und seinem Großvater sehr ähnlich. Seine Augen waren von mittlerer Größe, nur wenig hervorstehend und von einem milden Glanz, sein Haar war glatt und nicht völlig blond, um Kinn und Wangen hatte er einen vollen Bart, der ihm hübsch zu Gesicht stand. Seine Beleibtheit war so, daß man ihn weder wie seinen Bruder fett noch wie seine Mutter mager nennen konnte. Um alles mit einem Wort zu sagen, er hatte eine so ausgezeichnete Gestalt, daß die Würde, die ihn umstrahlte, jedermann den König zu erkennen gab.

II. Dieser körperlichen Schönheit entsprach auch ein gutgeartetes Inneres, denn er hatte eine sehr schnelle Auffassungsgabe, eine einzigartige Beredsamkeit, und an Würde des Charakters stand er keinem Fürsten nach. Er war sehr leutselig und mitfühlend, und obgleich er beinahe über seine Kräfte gegen jedermann freigebig war, so gelüstete ihn doch nicht nach fremdem Gut, und er nahm weder das Eigentum der Kirchen in Anspruch noch strebte er wie ein Verschwender nach den Reichtümern seiner Untertanen. Und was in diesem Alter sehr selten vorkommt, auch in seiner Jugend war er gottesfürchtig und hatte alle Ehrfurcht vor den kirchlichen Anordnungen und vor den Prälaten der Kirche. Mit einem lebendigen Geist verband er ein sehr getreues Gedächtnis, auch war er ziemlich gelehrt, weit mehr als sein Bruder Amalrich, der ihm in der Regierung nachfolgte, und jede Stunde, die er den öffentlichen Geschäften abzweigen konnte, verwandte er mit Vergnügen aufs Lesen. Besonders liebte er die Geschichte und forschte fleißig nach den Taten und dem Leben der alten Könige und der besten Fürsten. Auch erholte er sich gerne in Gesprächen mit Gelehrten oder wohl auch mit verständigen Laien. Er hatte nämlich eine so anmutige Leutseligkeit, daß er auch ganz unansehnliche Personen, wenn er ihnen zufällig begegnete, bei ihren Namen grüßte und anredete, und wenn einer zu ihm kommen wollte oder ihm begegnete, so begann er entweder selbst ein Gespräch oder schlug wenigstens eine Unterredung, um die man ihn ersuchte, niemand ab. Hierdurch gewann er sich die Liebe des Volks und der Väter so sehr, daß er bei beiden Ständen in weit höherem Grade als alle seine Vorgänger beliebt war. Auch war er ausdauernd in der Arbeit und im Krieg in zweifelhaften Fällen nach Art eines trefflichen Fürsten äußerst vorsichtig; in den großen Nöten, in die er der Vermehrung des Reichs wegen oft geriet, zeigte er stets eine königliche Entschlossenheit, und die Sicherheit eines tapferen Mannes verließ ihn nie. Auch in den Rechtsgewohnheiten, die in dem morgenländischen Königreich gelten, war er sehr bewandert, so daß auch ältere Fürsten des Königreichs in zweifelhaften Fällen seinen erfahrenen Rat suchten und seine Kenntnisse bewunderten. Sein Gespräch war anmutig und voll von Scherzen, und er hatte die liebliche Gabe, sich in jedermann finden und sich mit Leuten jeden Alters und jeden Standes abgeben zu können. Auch war er sehr artig und höflich, nur daß er allzu frei sprach und, was ihm an seinen Freunden mißfiel, ihnen, ob er sie beleidigen mochte oder nicht, offen ins Gesicht sagte, was ihm aber von denen, die seine freie Rede traf, nicht besonders übelgenommen wurde, weil es nicht von der Absicht wehzutun, sondern von seinem heiteren oder vielmehr von seinem leichten Sinn herkam, und man mußte es um so mehr entschuldigen, weil auch er sich mit großem Gleichmut das Beißendste sagen ließ. Dem verderblichen Würfelspiel war er mehr ergeben, als sich für seine königliche Würde schickte, und seiner fleischlichen Begierden wegen soll er sich an fremden Frauen vergriffen haben. Aber das war nur in seiner Jugend so, denn als er ein Mann wurde, tat er ab, was kindlich war, wie der Apostel sagt. Er machte jetzt durch die besten Eigenschaften die Fehler seiner Jugend wieder gut und soll, nachdem er eine Gemahlin genommen hatte, sich ganz mit dieser begnügt haben. Alles, was er in seiner Jugend, von dem Leichtsinn dieses Alters verleitet, Gott Mißfälliges und Tadelnswertes an sich hatte, legte er bei reiferem Verstande ab. Im Essen und Trinken war er über sein Alter enthaltsam und scheute die Unmäßigkeit als die Veranlassung aller Laster.

III. Als nun sein Vater gestorben war, wurde er am nächsten Weihnachtsfest im Jahr der Menschwerdung des Herrn elfhundertundzweiundvierzig, am zehnten November, als Papst Eugen der Dritte der römischen, Aimerich der antiochenischen, Wilhelm der jerusalemischen, Fulcher der tyrischen Kirche vorstanden, von den versammelten Fürsten und Prälaten der Kirchen in der Kirche zum Heiligen Grab von der Hand des Patriarchen Wilhelm von Jerusalem feierlich zum König gesalbt, geweiht und mit seiner Mutter gekrönt. Seine Mutter war nämlich eine sehr kluge Frau, die beinahe in allen weltlichen Geschäften große Erfahrung hatte und sich über die gewöhnlichen Schwächen des weiblichen Geschlechts so weit erhob, daß sie sich vor den gewaltigsten Unternehmungen nicht scheute und den besten Fürsten an großem Sinn ähnlich zu werden strebte. Sie regierte während der Minderjährigkeit ihres Sohnes das Reich so trefflich, daß man sie in diesem Punkt mit Recht ihren Vorfahren an die Seite setzen konnte, denn solange ihr Sohn sich von ihrem Rat leiten ließ, genoß das Volk der schönsten Ruhe, und alle Regierungsgeschäfte gingen aufs beste vonstatten. Als aber leichtfertige Leute sahen, mit welcher Klugheit die Königin ihren Bemühungen, den König zu verführen, begegnete, so suchten sie ihn, wie er nach Art junger Leute leicht für das Böse zu gewinnen und wohlmeinenden Lehren abhold war, mit ihrer Überredung dahin zu bringen, daß er sich der Vormundschaft seiner Mutter entzog und sein Königreich selbst regieren wollte. Sie sagten ihm nämlich, es schicke sich für einen König, der höher als alle anderen stehen müsse, nicht, wie das Kind eines gewöhnlichen Mannes immer an der Brust der Mutter zu hängen. Diese Bemühungen, ob sie nun aus unbedachtem Leichtsinn oder aus Bosheit herkamen, hätten aber beinahe das ganze Königreich ins Verderben gestürzt, wie hiervon weiter unten ausführlicher die Rede sein wird, wenn wir an diese Geschichten kommen.

IV. In demselben Jahr, in der Zeit zwischen dem Tod Fulkos und der Thronbesteigung König Balduins, belagerte der verruchte Sanguin, der mächtigste unter den türkischen Fürsten, Herr der Stadt, die in alten Zeiten Ninive hieß, jetzt aber den Namen Mossul führt und die Hauptstadt des Landes ist, das in alten Zeiten Assur genannt wurde, im Vertrauen teils auf die Stärke und große Anzahl seines Volkes, teils auf die Streitigkeiten, welche zwischen dem Fürsten Raimund von Antiochien und Joscelin, dem Grafen von Edessa, ausgebrochen waren, die große und herrliche Hauptstadt der Meder, die unter dem Namen Rages noch bekannter ist und ungefähr eine Tagereise weit von dem Fluß entfernt über dem Euphrat liegt, mit einem großen Heer. Der genannte Graf hatte aber seinen beständigen Wohnsitz gegen die Weise seiner Vorgänger von dieser Stadt nach dem Ort Turbessel am Euphrat verlegt, teils wegen der Fruchtbarkeit dieser Gegend, teils um hier ruhiger leben zu können; denn da er weit vom Schauplatz der Kämpfe mit den Feinden entfernt war, so ergab er sich hier den Lustbarkeiten und versäumte es, für die edle Stadt gehörig zu sorgen. Die Bewohner der genannten Stadt aber waren Chaldäer und Armenier, unkriegerische Leute, die nicht das geringste vom Kriegswesen verstanden und sich nur auf Handel verlegten. Die Lateiner kamen nur sehr selten hierher, und nur wenige von ihnen wohnten in der Stadt. Die Sorge für die Sicherheit war bloß den Kaufleuten übergeben, die aber nicht einmal ihren Sold zur rechten Zeit erhielten, sondern meistens jahrelang damit vertröstet wurden. Als nun aber die beiden, Balduin und Joscelin der Ältere, die Grafschaft erhielten, schlugen sie hier ihren beständigen Wohnsitz auf und versahen die Stadt aus den Umgegenden mit Lebensmitteln, Waffen und anderem Nötigen zur vollsten Genüge, so daß die Stadt nicht nur vor fremden Angriffen Ruhe hatte, sondern auch mit Recht von den benachbarten Städten gefürchtet wurde. Es hatten aber, wie wir schon erzählt haben, der Fürst von Antiochien und der Graf eine Feindschaft miteinander, die jetzt nicht mehr im geheimen bestand, sondern ganz offen ausgebrochen war, weswegen sich keiner von beiden auch nur im geringsten darum kümmerte, wenn dem andern etwas Schlimmes zustieß, ja es freute sich ein jeder, wenn der andere einen Verlust erlitt. Dies alles nützte der genannte große Fürst Sanguin aus und kam mit einem unermeßlichen Reiterheer, das er aus dem ganzen Orient zusammengebracht, und mit dem Volk der benachbarten Städte, das er versammelt hatte, vor die genannte Stadt gezogen. Er belagerte sie also und schnitt den Bürgern alle Zugänge ab, so daß weder sie aus der Stadt herauskommen noch jemand zu ihnen hineingehen konnte. Überdies herrschte in der Stadt auch ein großer Mangel an Lebensmitteln und den nötigsten Bedürfnissen. Die Stadt war nämlich mit einer festen Mauer umgeben, nur der höhergelegene Teil derselben war mit hohen Türmen umgeben, so daß man hier, auch wenn die Stadt erobert war, noch eine Zuflucht finden konnte. Aber alles dieses, wie es gegen den Feind dient, wenn Männer vorhanden sind, die für ihre Freiheit kämpfen und sich dem Feind mutig entgegensetzen wollen, so steht es ohne allen Nutzen da, wenn unter den Belagerten niemand ist, der die Verteidigung übernimmt, denn Türme, Mauern und Außenwerke nützen einer Stadt nichts, wenn sie nicht beschützt werden. Da er nun die Stadt von Bewaffneten entblößt fand, so hatte er desto mehr Hoffnung, sie in seine Hand zu bekommen. Er lagerte also sein Heer ringsherum, gab jedem seiner Hauptleute einen passenden Platz und begann dann mit Wurfmaschinen, die Mauern zu erschüttern und mit ununterbrochenem Pfeilschießen die Bürger fortwährend zu beunruhigen. Unterdessen verbreitete sich das Gerücht, daß die genannte christliche Stadt von den Feinden unseres Namens und Glaubens belagert sei, nach allen Seiten hin, und die Herzen aller Gläubigen, die es vernahmen, wurden von der Nachricht erschüttert, und der Glaubenseifer begann sich zur Rache zu wappnen. Als der Graf von der Belagerung hörte, rief er erschrocken schnell seine Ritterschaft zusammen und ordnete der trefflichen Stadt, deren er zu spät gedachte, da er ihr, solange sie leidend und hilfsbedürftig war, nicht hatte beispringen wollen, jetzt, da sie so gut wie verschieden war, eine Leichenfeier an. Er ging also bei seinen Lehensleuten umher, drang in seine Freunde, sandte Boten an seinen Herrn, den Fürsten von Antiochien, und bat ihn aufs flehentlichste, Mitleid mit seiner Not zu haben und die genannte Stadt von dem drohenden Joch der Knechtschaft zu befreien. Auch zum König von Jerusalem kamen Boten, die ihm das Gerücht von der Belagerung der Stadt bestätigten. Die Königin aber, welche das Reich verwaltete, schickte, nachdem sie sich mit ihren Großen beraten hatte, ihren Vetter Manasse, den Konstabler des Königs, Philipp von Neapel und Elinand von Tiberias mit einer starken Ritterschaft in aller Eile ab, um dem Grafen und den bedrängten Bürgern die gewünschte Hilfe zu bringen. Der Fürst von Antiochien dagegen, der sich über das Mißgeschick des Grafen freute und wenig in Erwägung zog, was er dem allgemeinen Vorteil schuldig sei, und daß der persönliche Haß dem öffentlichen Wohl nicht zum Schaden gereichen dürfe, säumte unter allerlei Vorwänden mit der Hilfe, um die er gebeten worden war.

V. Indessen bestürmte Sanguin die Belagerten unaufhörlich und wandte alles an, was die Not der Bürger vermehren und ihm dazu verhelfen könnte, den Platz zu gewinnen. Er ließ also unter der Mauer einen unterirdischen Gang hinführen und mit Pfählen stützen, die er sodann in Brand steckte, worauf ein großer Teil der Mauer zusammenstürzte, so daß die Feinde eine mehr als hundert Ellen breite Öffnung hatten. Als sich die Feinde nun den erwünschten Eingang verschafft hatten, stürzte das Heer von allen Seiten in die Stadt und machte ohne Rücksicht auf Alter, Stand oder Geschlecht alles, was ihm begegnete, nieder, so daß ihnen das Wort zu gelten schien: „Witwen und Fremdlinge bringen sie um und töten die Waisen.“ Nachdem nun die Stadt erobert und dem Schwert des Feindes überliefert war, flüchteten sich die von den Bürgern, welche am klügsten oder am rüstigsten waren, mit ihren Weibern und Kindern in die Burgen, die, wie wir gesagt haben, in der Stadt waren, um wenigstens für einige Zeit ihr Leben zu fristen. Hier entstand aber am Eingang ein solches Gedränge in der zuströmenden Menge, daß viele jämmerlich erstickten. Unter diesen soll auch der verehrungswürdige Erzbischof Hugo mit einigen seiner Kleriker umgekommen sein. Die, welche selbst dabei waren, versichern jedoch, daß der Bischof nicht ohne Schuld an dem Unglück gewesen sei, denn anstatt das Geld, dessen er eine unermeßliche Menge gesammelt hatte, den Rittern auszubezahlen und der Stadt auf diese Art Hilfe zu leisten, wollte er lieber als ein Geizhals auf seinen Schätzen liegen, als dem Untergang des Volks zuvorkommen, weswegen es auch geschah, daß er die Früchte seines Geizes erntete und seinen Tod mit dem gemeinen Volk fand; und wenn sich der Herr seiner nicht erbarmt, so ist er auch vor einem strengen Gericht in der anderen Welt nicht sicher. Solchen gelten nämlich die furchtbaren Worte der Schrift: „Daß du verdammt werdest mitsamt deinem Geld." So kam also, während der Fürst von Antiochien aus törichtem Haß seinen Brüdern Hilfe zu bringen säumte und während der Graf auf fremde Hilfe wartete, die uralte Stadt, die seit den Zeiten der Apostel der Christenheit angehört hatte und durch die Predigt des Apostels Thaddäus vom Irrtum der Ungläubigen erlöst worden war, in unverdiente Knechtschaft. In dieser Stadt soll auch der Leib des Apostels Thomas samt den Leibern des vorgenannten Apostels Thaddäus und des seligen Königs Abgarus begraben sein. Das ist jener berühmte Toparch Abgarus, von dem uns Eusebius in seiner Kirchengeschichte erzählt, daß er einen Brief an den Herrn Jesus Christus geschrieben habe und von dem Herrn einer Antwort gewürdigt worden sei. Er fügt auch beide Briefe bei und sagt dann am Schluß: „Dies haben wir in den öffentlichen Archiven der Stadt Edessa, wo früher der obgenannte Abgarus regierte, und den alten Blättern, welche die Taten des Königs Abgarus enthalten, geschrieben gefunden." Hiervon soweit, jetzt wollen wir wieder zur Geschichte zurückkehren.

VI. Im ersten Jahr, wo dieser Balduin zu regieren anfing, hatten die Türken mit Hilfe einiger Bewohner der Gegend, von denen sie dazu aufgefordert worden waren, einen unserer festen Plätze erobert, der das Mosestal hieß und über dem Jordan in Syrien-Sobal gelegen war. Der genannte Platz liegt nämlich bei dem Haderwasser, wo Moses dem israelitischen Volk, als es murrte und vor Durst verschmachten wollte, Wasser aus dem Felsen schlug und das ganze Volk und sein Vieh tränkte. Als der König nun erfuhr, daß die Feinde den genannten Platz erobert und die Unseren, die darin waren, getötet hatten, rief er von überallher die Ritterschaft zusammen und zog, obgleich er noch sehr jung und zart war, selbst mit dem Heer dahin. Er durchzog das berühmte Tal, wo jetzt das Tote Meer liegt, das auch der Asphaltsee heißt, und wandte sich dann nach den Bergen des Zweiten Arabiens, das das Petrazensische heißt, im Lande Moab. Von da kamen sie über Syrien-Sobal, das das Dritte Arabien ist, welches jetzt gewöhnlich das Land Montreal genannt wird, an den bestimmten Ort. Die Bewohner des Landes aber hatten sich, als sie von der Ankunft der Unseren hörten, mit Weibern und Kindern in die Burg geflüchtet, die unüberwindlich zu sein schien. Als nun die Unseren einige Tage damit zugebracht hatten, daß sie mit Steinen, die sie hineinschleuderten, mit Pfeilen, die sie schossen, und auf andere Art die Burg zu gewinnen suchten und sahen, wie fest und unüberwindlich der Platz sei, faßten sie einen anderen Beschluß. Diese ganze Gegend war mit fetten Ölbäumen übersät, die wie dichte Wälder die ganze Oberfläche des Landes überschatteten. Die Einwohner der Gegend bezogen wie ihre Altvorderen ihren Unterhalt allein aus diesen Bäumen, und wenn sie diese nicht mehr hatten, so gingen ihnen damit alle Mittel, ihr Leben zu fristen, aus. Diese Baumpflanzungen also beschloß man auszurotten und mit Feuer zu vertilgen, auf daß die Landesbewohner, hiervon erschreckt, die Türken, welche sich in die Burg begeben hatten, hinausjagen und den Platz den Unsrigen wieder zurückgeben sollten. Dieser Anschlag hatte einen guten Erfolg, denn sobald sie die ihnen teuren Bäume hinsinken sahen, wurden sie eines anderen Sinnes und gaben gegen die Bedingung, daß die Türken, die sie eingelassen hatten, frei und ohne Gefahr abziehen dürften, und daß man sie, ihre Weiber und Kinder das Vorgefallene nicht entgelten lasse, dem König die Burg zurück. Nachdem man also den Platz wiederbekommen, mit einer Besatzung wie auch mit Lebensmitteln und Waffen versehen hatte, kehrte der König nach diesem seinem ersten Unternehmen siegreich und wohlbehalten mit seinem ganzen Heer in die Heimat zurück.

VII. Unterdessen hatte Sanguin, von dem wir oben sprachen, durch sein Glück bei Edessa zum höchsten Übermut gesteigert, auch die feste Stadt Kalogenbar, die am Ufer des Euphrats liegt, zu belagern beschlossen. Während dieser Belagerung nun wurde er, als er in einer Nacht stark betrunken rücklings in seinem Zelt lag, von einigen seiner Bedienten und Eunuchen, die von dem Herrn der belagerten Stadt dafür gewonnen waren, ermordet. Als die Nachricht von seinem Tod kam, sagte einer der Unseren hierüber folgendes:

„Welch ein günstig Geschick, der nach dem Blut sich nannte

Liegt, der mörd'rische Mann, jetzt in dem eigenen Blut."

Die, welche ihn ermordet hatten, wurden von dem Herrn der belagerten Stadt, der Verabredung gemäß, in die Mauern aufgenommen und entkamen so der Rache der Verwandten des Ermordeten, das Heer aber, als es seinen Herrn verloren hatte, entfloh alsbald. Von seinen Söhnen herrschte der eine bei Mossul, im Innern des Orients, der andre, der der Jüngere war und Nur ed-Din hieß, in Haleb. Dieser war ein kluger und einsichtiger und nach dem falschen Glauben dieses Volks gottesfürchtiger Mann, der auch viel Glück hatte und sein väterliches Erbe erweiterte.

VIII. Nicht lange Zeit nachher, im zweiten Jahr der Regierung Balduins, kam ein edler türkischer Satrap, der sich aus gewissen Gründen den Unwillen des Königs Meier ed-Din von Damaskus zugezogen  hatte und bei dem Statthalter Mehen ed-Din, der auch Ainard genannt wurde und noch viel mehr als der König selbst im ganzen Reich von Damaskus galt, in Ungnade gefallen war, mit einem stattlichen Gefolge nach Jerusalem und zum König und seiner Mutter und erklärte sich bereit, wenn ihm der König nach Anschlag eines billigen Mannes eine genügende und ehrenhafte Entschädigung geben wolle, die Stadt Bostrum, in der er befehligte, samt dem festen Platz Selkath den Christen zu übergeben. Bostrum ist nämlich die Hauptstadt des Ersten Arabiens und wird heutzutage gewöhnlich Bussereth genannt. Dieser Edle war, wie es hieß, ein Armenier, ein Mann von hoher Gestalt, schönem Antlitz und überhaupt von einem Äußeren, das eine große Beherztheit verriet, und hieß Tantais. Man berief also dieser Sache wegen die Fürsten des ganzen Königreichs, erwog die Sache nach allen Seiten und beschloß endlich übereinstimmend, dem genannten edlen Mann eine ehrenhafte und hinlängliche Entschädigung zu geben und mit einem Heer in die Gegend von Bostrum zu ziehen, denn sie hielten es alle für einen großen und Gott wohlgefälligen Gewinn, wenn durch diesen Mann die genannte Stadt für immer der Christenheit gewonnen werden könnte. Nachdem nun der Vertrag zu beiderseitiger Befriedigung ins Reine gebracht war, wurde das ganze Volk des Königreichs durch Heroldstimmen aufgeboten, und dann zogen der König und alle Fürsten unter dem Beistand Gottes, den sie angerufen hatten, und von dem Holz des lebenspendenden Kreuzes begleitet nach Tiberias, wo sie in der Gegend der Brücke, bei der der Jordan in der Nähe des Meeres sich teilt, ihr Lager schlugen. Nun hatte der genannte Ainard mit dem König, wie schon früher mit seinem Vater, ein Bündnis und einen Waffenstillstand geschlossen, und deswegen mußte ihm zuvor feierlich angekündigt werden, er solle sich in der gesetzlichen Frist zum Widerstand rüsten und sein Heer zusammenrufen, denn wenn der König plötzlich und ohne feierliche Ankündigung in sein Gebiet eingefallen wäre, so hätte er den eingegangenen Vertrag gebrochen. Man hatte ihm also Boten zugeschickt. Dieser aber, als ein schlauer Mann, schob die Antwort absichtlich so lang als möglich hinaus, und so war schon beinahe ein Monat verflossen. In dieser Zwischenzeit rief er mit Geld und Bitten alle benachbarten Großen seines Volkes um Hilfe an, und als diese nun von allen Seiten her in unermeßlichen Scharen herbeigekommen waren, ließ er dem König und den Fürsten folgendes sagen: „Ihr seid bereit, dem eingegangenen Bündnis zuwider, in das Land meines Herrn einzufallen und einem ungehorsamen Diener von ihm, der die schuldige Treue verletzt hat, unverdienten Schutz zukommen zu lassen. Wir bitten nun demütig, der König möchte von diesem ungerechten Vorhaben abstehen und das früher geschlossene Bündnis unverletzt erhalten. Auch sind wir bereit, dem König alle Kosten, die er für dieses Unternehmen aufgewandt hat, zu ersetzen." Hierauf gab der König nach gemeinschaftlichem Beschluß folgende Antwort: „Wir wollen keineswegs das geschlossene Bündnis verletzen, aber weil der genannte edle Mann zu uns gekommen ist, um im Vertrauen mit uns zu reden, so können wir ehrenhalber einem Manne, der auf uns seine Hoffnung setzt, nicht alle Hilfe entziehen. Wir aber wollen uns zufrieden geben, wenn uns gestattet wird, ihn in die Stadt, die er um unsretwillen verlassen hat, wieder einzuführen. Ist er hier wieder eingesetzt, so mag ihn Euer Herr nach den Landesgesetzen und wie er es verdient behandeln, denn wir werden bei unserem Ein- und Ausgang unserem Freund, dem König von Damaskus, stets treu bleiben und mit Gottes Hilfe pflichtgemäß stets darauf bedacht sein, ihm keinen Schaden zuzufügen." Dieser Ainard war nämlich ein äußerst kluger Mann, der unser Volk sehr liebte. Er hatte drei Töchter, von denen er die eine dem vorgenannten König von Damaskus, die zweite dem Sohn Sanguins, Nur ed-Din, und die dritte dem trefflichen Ritter Manguarth zur Frau gegeben hatte. Die Sorge für das Königreich war ihm teils weil er der Schwiegervater des Königs, teils weil er ein sehr erfahrener Mann war, anvertraut worden. Der König aber war ein untätiger Mensch, ein Schlemmer und Trunkenbold, der nur seinem Vergnügen lebte. Ainard nun suchte, wie wir gesagt haben, durch alle möglichen Dienste die Freundschaft unseres Volkes zu gewinnen, und er ließ es daran, womit man sich Freunde gewinnt, niemals fehlen. Ob er sich aus reiner, aufrichtiger Liebe um die Unseren bemühte oder ob er es notgedrungen tat, darüber waren die Klugen sich nicht einig, es konnte aber beides der Fall sein. Seinen Schwiegersohn Nur ed-Din nämlich hatte er, wie früher dessen Vater, nicht wenig im Verdacht, er wolle seinen anderen Schwiegersohn, den König, der ein ganz unnützer und im höchsten Grad unwissender Mensch war, vom Thron und ihn selbst von der Verwaltung des Reichs verdrängen. Dies war es hauptsächlich, was ihm unsere Freundschaft nötig machte und warum er sich auf alle Art um dieselbe bemühte. Der einsichtige Mann scheint in die Zukunft gesehen zu haben, denn was er fürchtete, traf wirklich ein. Sogleich nach seinem Tod stieß der genannte Nur ed-Din mit dem Willen der Damaszener den König vom Thron und setzte sich selbst darauf. Er gab sich also alle Mühe, den König zu vermögen, den angebotenen Ersatz für die Kriegskosten anzunehmen und nach Hause zurückzukehren, und ohne Zweifel hätte er sich weniger feindlich gegen den König und das christliche Heer betragen, wenn er über die auswärtigen Völker, die er zusammengerufen hatte, freie Gewalt gehabt hätte, denn er hatte schon mehr als sichere Proben seiner lauteren und beständigen Treue gegen uns abgelegt.

IX. Während die Gesandten, unter denen besonders auch einer aus der Umgebung des Königs war, der Bernhard Vacher hieß, diese Nachricht überbrachten, begann das Volk ein Geschrei, dieser Bernhard sei ein Verräter und niemand sei ein Freund des christlichen Volkes, der von diesem Unternehmen abraten wolle. Das törichte Volk fing auch ungestüm zu rufen an, man müsse den Zug fortsetzen, eine so edle Stadt dürfe man nicht so leicht aufgeben, sondern man müsse dem edlen Mann danken, der der Christenheit ein so ewig denkwürdiges Geschenk darbiete, seinen Vorschlägen treu und ergeben folgen und bis zum Tod für diese Sache kämpfen. Bei diesem großen Tumult nun gewann die Meinung des Haufens die Oberhand, und die gesünderen Vorschläge fanden kein Gehör. Man rüstete also das Gepäck, brach das Lager ab und wandte sich der genannten Stadt zu, und nachdem man die Schlucht von Roob durchzogen hatte, kam man in die Ebene, welche Medan genannt wird, wo die Araber und andere orientalische Völker jedes Jahr eine große Messe zu halten pflegen. Hier trafen nun die Unseren eine solche Menge von Feinden, daß die, welche früher geschrien hatten, man müsse bei dem begonnenen Werk bleiben, es für besser und wünschenswerter hielten, wenn es irgend möglich sei, wieder zurückzukehren. Indessen, als die Unseren die dichten Haufen sahen, rüsteten sie sich, erstaunt über ihre Menge, als werde es sogleich zum Kampf kommen. Der König aber ließ auf den Rat derer, die Erfahrung im Kriegswesen hatten, sofort ein Lager schlagen. In dieser bedrängten Lage konnten sie aber ihres Körpers nicht pflegen und brachten die Nacht schlaflos zu. Die Feinde nun, deren Zahl sich immer weiter vermehrte, umlagerten unser Heer von allen Seiten und zweifelten nicht, die Unseren am nächsten Tag wie geringe Sklaven gefangen mit sich fortführen zu können. Die Unseren dagegen waren wachsam und auf der Hut und betrugen sich durchaus klug und tapfer. Als es Morgen geworden war, beschlossen die Unseren nach gemeinsamem Rat, ihren Weg fortzusetzen, denn ein Rückzug erschien nicht nur schmählich, sondern auch ganz unmöglich. Aber beides wollten ihnen die Feinde, die sie rings umstanden, verwehren. Endlich drangen die Unseren mutiger ein, machten sich alle, einmütig nach derselben Richtung hinstrebend, mitten durch die feindlichen Reihen mit dem Schwerte Bahn, da sie aber mit Panzern, Helmen und Schilden beschwert waren und auch von den Feinden, die sie umgaben, gehindert wurden, so konnten sie nur langsam einherziehen. Auch die Reiter, obgleich sie hätten leichter voranschreiten können, mußten sich dennoch dem Fußvolk gleich halten, damit das Heer nicht aufgelöst und den Feinden Gelegenheit gegeben würde, über die getrennten Scharen herzustürzen. Sie nahmen sich also auf diese Art einander an, und das ganze Volk war wie ein Mann. Die Reiter waren um das Fußvolk so besorgt, daß sie von ihren Pferden herabstiegen, alle Arbeit mit ihnen teilten, die Ermatteten weitertrugen und ihnen auf diese Art die Beschwerden des Zugs zu erleichtern suchten. Unterdessen setzten die Feinde mit einem Hagel von Pfeilen unserem Heer zu und suchten es auf alle Art aufzulösen. Die Unsern aber, je ungestümer sie die Feinde dahin arbeiten sahen, desto fester schlossen sie sich aneinander an und desto eifriger setzten sie den begonnenen Zug fort. Um die Beschwerden zu vermehren, so wurde das Heer auch von einem mächtigen Durst geplagt, den die schwere Arbeit und die Sonnenhitze verdoppelten. Der Weg ging durch trockene und wasserlose Strecken, denn diese ganze Gegend weiß nichts von Quellen, sondern im Winter sammelt man in natürlichen und gegrabenen Zisternen das Regenwasser ein. In diesen Tagen war aber etwas vorgefallen, was auch diese Wassergruben unbrauchbar machte, denn es war kurz vorher ein unendliches Heer von Heuschrecken in dieser Provinz gewesen und hatte alle Teiche durch ihre Leichname, die in dem Wasser verfaulten, verdorben. Diese Gegend, durch welche die Unseren ziehen mußten, heißt nämlich Trachonitis, und der Evangelist Lukas erwähnt ihrer, wo er sagt: „Philippus Landesfürst von Ituräa und der Landschaft Trachonitis." Sie scheint uns aber ihren Namen von den Trakonen zu haben, so heißen nämlich jene verborgenen unterirdischen Gänge, deren man in diesem Lande so viele findet, denn beinahe das ganze Volk dieser Gegend wohnt in Höhlen und solchen Trakonen.

X. Nachdem sie nun diesen Teil der Gegend mit äußerster Gefahr durchzogen hatten, kamen sie um die letzte Stunde des Tages an den Ort, der mit seinem alten Namen Adratum heißt, jetzt aber gewöhnlich die Stadt Bernhards de Stampis genannt wird. Es ist dies nämlich eine der Städte, die unter der Hauptstadt Bostrum stehen. Hier vermehrte sich die Not der Unseren noch, denn die Einwohner des Ortes verbanden sich mit den Feinden; und auch bei den Zisternen, wo die Unseren ohne Schwierigkeit Wasser schöpfen zu können hofften, hatten sie Unglück. Die, welche in den unterirdischen Höhlen verborgen lagen, schnitten ihnen die Stricke, an denen sie ihre Trinkgeschirre hinabließen, ab und täuschten sie auf diese Art nicht nur in ihrer Hoffnung, sondern machten sie auch durch die Mühe, die sie aufs Wasserschöpfen verwandten, noch durstiger. So wurden die Unseren vier Tage lang unaufhörlich bedrängt, und auch nachts hatten sie kaum etwas Ruhe, um die Forderungen des Körpers in etwas zu befriedigen. Überdies vermehrten sich die Feinde Tag für Tag, während die Scharen der Unseren abnahmen, denn die einen waren umgekommen, andere tödlich verwundet, und manche verbargen sich aus Furcht zwischen den Pferden und Lasttieren und stellten sich unfähig zum Kampf, um nicht gezwungen zu werden, sich den feindlichen Angriffen entgegenzustellen. Es wurden nämlich unaufhörlich so viele Pfeile gegen unser Heer abgeschossen, daß sie wie ein Regen oder Hagel herabfielen, und alles, Menschen und Vieh, mit Geschossen übersät wurde; und ein Zuschauer hätte kaum gewußt, ob er sich mehr über die Gewandtheit der Feinde im Pfeilschießen oder über die unüberwindliche Ausdauer der Unseren verwundern solle. Auch die Unseren schossen viele Pfeile ab, aber da das feindliche Heer freier ausweichen konnte, so kam es weniger als das unsere davon zu Schaden. Endlich, am vierten Tag, kamen sie nach solchen gefährlichen Märschen in die Nähe des bestimmten Ortes und sahen die Stadt von ferne. Hier vertrieben sie mit großer Schwierigkeit die Feinde von dem Wasser, das in geringem Maße zwischen den Felsen hervorquoll, und schlugen an dieser Stelle ihr Lager auf. Sie konnten sich hier ein wenig erholen und pflegten ihres Leibes, soweit dies möglich war. Während sie nun in dieser Nacht, so gut oder so schlecht sie konnten, ausruhten und mit höchster Sehnsucht dem nächsten Morgen entgegensahen, kam in der Stille der Mitternacht einer mitten durch die Feinde aus der genannten Stadt mit einer traurigen Nachricht in unser Lager. Er wollte sogleich vor den König geführt werden, dem er insgeheim etwas eröffnen zu müssen versicherte. Er wurde also vorgelassen und eröffnete nun in Gegenwart der Fürsten und jenes edlen Mannes, der hier Statthalter gewesen war und uns in diese Not gebracht hatte, daß die Stadt durch den Verrat der Gemahlin des edlen Mannes den Feinden ausgeliefert, die Burg samt allen festen Plätzen von diesen besetzt und die frühere Mannschaft daraus vertrieben sei. Diese unglückliche Botschaft versetzte die Unseren in die größte Bestürzung, und sie beschlossen endlich, nachdem sie sich miteinander beraten hatten, unter allen Umständen eiligst wieder zurückzuziehen. Hier gaben nun einige der Größeren der Fürsten des Reichs dem König insgeheim den Rat, er solle das Pferd des Herrn Johann Goman besteigen, das schnellste und ausdauerndste im ganzen Heer, das Kreuzesholz zu sich nehmen und ohne sich um die anderen zu kümmern sein Leben zu retten suchen. Dies sagten sie aber, weil sie an der Rückkehr völlig verzweifelten und fürchteten, in kurzem werde das ganze Heer untergehen. Der König jedoch, obgleich er die männlichen Jahre noch nicht erreicht hatte, zeigte hier, was dereinst aus ihm werden würde, denn er wies den Antrag mit königlicher Würde zurück und sagte, wenn dieses gottgeweihte Volk so jämmerlich zugrunde gehen müsse, so wolle er auch nicht gerettet werden.  Da sie nun sahen, daß der König ihren Ermahnungen, die aus einem treuen Herzen kamen, nicht folgen wolle, versuchten sie etwas anderes, und da sie sahen, daß man nicht weiterrücken könne, wenn nicht alles umkommen solle, so fingen sie jetzt an die Rückkehr zu denken an. Und jetzt, wo alle ihre Hoffnung vereitelt und ihr ganzes Unternehmen gescheitert war, verdoppelte sich ihre Drangsal, denn wenn sie auch bisher Schlimmes und beinahe Unerträgliches ausgestanden hatten und nicht Geringeres, als ihnen nachher begegnen konnte, so hatten sie doch die Hoffnung und das Vertrauen gehabt, die Stadt zu gewinnen, und waren dadurch zur Ausdauer angespornt worden. Da sie also sahen, daß ihre Hoffnung ganz zunichte geworden war, so blieben sie bei ihrem Beschluß und bereiteten sich zum Rückmarsch, der durch Heroldsstimme allen angekündigt wurde.

XI. Als es Tag geworden war, kam Nur ed-Din, von seinem Schwiegervater herbeigerufen, mit unermeßlichen Türkenscharen aus der Stadt und schloß sich den feindlichen Scharen an. Die Unseren aber machten sich, wie sie sich vorgenommen hatten, auf den Rückweg. Als dies die Feinde sahen, stürzten sie ihnen mit viel Geschrei entgegen und suchten ihnen den Weg abzuschneiden. Die Unseren aber, durch die Not, die sie von allen Seiten her bedrängte, nur desto hitziger gemacht, durchbrachen die Reihen, die sich ihnen entgegenstellten, und machten sich unter großer Gefahr und bedeutendem Verlust mit dem Schwert gewaltsam eine Bahn. Das Heer hatte aber den Befehl erhalten, die Leichname der Erschlagenen auf die Kamele und übrigen Lasttiere zu legen, daß die Feinde den Verlust der Unsrigen nicht erfahren und dadurch nicht noch mehr ermutigt werden. Ebenso wurden die Gebrechlichen und Verwundeten auf die Lasttiere gesetzt, daß die Feinde glauben sollten, die Unseren haben keinen Toten oder Verwundeten. Diesen hatte man auch die Weisung gegeben, ihre Schwerter herauszuziehen, daß sie wenigstens den Anschein von Gesunden haben sollten. Die Klügeren der Feinde verwunderten sich deswegen sehr darüber, daß trotz des vielen Pfeilschießens, der vielen Gefechte und all der Beschwerden, die die Unseren vor Durst, Staub und Hitze auszustehen hatten, keiner umgekommen oder untüchtig gemacht worden sei, und dachten, es müsse ein eisernes Volk sein, das solche Bedrängnis so lange ertragen könne. Da die Feinde sofort sahen, daß sie auf diesem Wege nichts gewinnen, so wandten sie sich zu anderen Mitteln. Die ganze Gegend war mit Dornbüschen, niederem Gesträuch, dürren Disteln, mit einem Wald von Senfbäumen, mit alten Stoppeln und bereits gereifter Frucht ganz überdeckt. Dieses alles steckten sie in Brand, und der Wind, der den Unseren entgegenkam, fachte das Feuer immer mehr an. Als nun durch den Anhauch des nahen Feuers und durch die dichten Rauchwolken die Beschwerden der Unseren verdoppelt wurden, wandte sich das ganze Volk heulend und schreiend an den verehrungswürdigen Erzbischof Robert von Nazareth, der das Kreuz des Herrn trug, und rief ihm mit Tränen zu: „Bittet für uns, Vater, und errettet uns durch das Holz des lebenspendenden Kreuzes, das Ihr in Händen tragt und an welchem unser Herr und Heiland einst gehangen ist, von diesen Übeln, denn länger können wir es nicht aushalten." Das Volk war nämlich von dem Rauch, den der Wind hertrieb, im Gesicht und am ganzen Leibe schwarz wie Schmiede in ihren Werkstätten und bei der großen Sonnenhitze, die durch den Brand verdoppelt worden war, vom heftigsten Durst geplagt. Auf diesen Ruf des seufzenden Volkes richtete der gottgeliebte Mann mitleidigen und zerknirschten Herzens das heilbringende Holz gegen den Brand, der ihm heftig entgegenschlug, und rief die Hilfe des Himmels an. Und augenblicklich erschien der Beistand der Kraft Gottes, denn der Wind drehte sich alsbald und trieb das Feuer und den dicken Rauch gegen die Feinde, die unserem Heer voranschritten, so daß ihnen das, was sie uns zum Schaden bereitet hatten, jetzt selbst Verderben brachte. Die Feinde staunten über das unerhörte Wunder und dachten, der christliche Glaube müsse ein besonderer sein, da ihm sein Gott so plötzlich sein Gebet erhöre. Da sie also nun selbst bedrängt waren, so hatten die Unseren für einige Zeit Ruhe vor ihnen und konnten wieder etwas aufatmen.

XII. Während nun unser Heer so Unerträgliches auszustehen hatte, fürchteten die Großen und die, welche mehr Erfahrung hatten, das Volk möchte nicht länger ausdauern, und rieten daher dem König, er solle eine Gesandtschaft an Ainard schicken und ihn unter jeder Bedingung um Frieden und einen freien Rückzug bitten. Der, welcher zu dieser Gesandtschaft ausgewählt wurde, stand im Verdacht, schon bei einer ähnlichen Gesandtschaft einmal boshaft am christlichen Volk gehandelt zu haben. Weil er aber der Sprache am meisten mächtig war, so wurde ihm auch diese Gesandtschaft wieder aufgetragen. Als man ihn nun ermahnte, seinen Auftrag treu zu erfüllen, soll er gesagt haben: „Man hat mich ganz ungerechterweise im Verdacht, ich gehe aber, und bin ich des Verbrechens, das Ihr mir vorwerft, schuldig, so möge ich nie mehr zurückkehren, sondern unter den feindlichen Schwertern sterben." Dieses Todesurteil, das der Unselige selbst gegen sich ausgesprochen hatte, wurde durch ein göttliches Gericht sogleich vollstreckt, denn noch ehe er zu den Feinden kam und seines Auftrags sich entschuldigen konnte, wurde er von den Feinden erschlagen.  Es waren aber auch vier berühmte arabische Fürsten, die Brüder waren und Söhne des ausgezeichneten Satrapen, der Merel genannt wurde, mit einer unermeßlichen Menge der Ihrigen zum feindlichen Heer gestoßen. Als diese nun fortwährend von der Seite her die Unseren angriffen, die Unseren aber nicht gegen sie hervorzubrechen wagten, um nicht dem Gesetz zuwiderzuhandeln und, wenn sie gegen die Kriegszucht die Reihen verließen, die Strafe der Ausreißer zu erleiden, sprengte einer aus dem Gefolge  jenes Türken, der bei uns war, um diesen übermütigen Herausforderungen zu begegnen, ohne auf sein Leben zu achten und ohne an das gegebene Gesetz zu denken, mit seinem Pferd heran, zielte mit dem Speer, den er in der Hand hatte, nach einem der vier und durchbohrte ihn in der Mitte der Seinigen, daß er tot zur Erde fiel, kehrte dann sogleich wieder um und kam unverletzt und wohlbehalten zu den Unseren zurück. Es entstand nun ein unermeßlicher Auflauf um den Leib des Getöteten, und als sie sahen, daß er seine unglückliche Seele schon ausgehaucht hatte, brachen sie in Klagen aus und zeigten durch ihr Weinen und Jammern die Größe ihres Schmerzes. Die Unseren aber jubelten und erkundigten sich, wer denn der sei, der sich dieser großen Gefahr ausgesetzt und diese ruhmreiche Tat gewagt habe, und als sie erfuhren, daß es ein Fremdling sei, dem das Gesetz wohl unbekannt sein konnte, hauptsächlich weil er ihre Sprache nicht verstand, so hatten sie, obgleich er sich gegen die Kriegszucht verfehlt hatte, seiner Unwissenheit wegen Nachsicht mit ihm und rühmten die Tat, die mehr dem Erfolg als der Absicht nach zu loben war. Auf dieser Seite gingen also die Feinde auseinander, und da jetzt unser Heer freieren Raum hatte, so konnte es sich bequemer ausbreiten. Nachdem sie nun schon einige Tage dahingezogen waren, kamen sie an die Schlucht Roob, einen Ort, den die Fürsten zu umgehen befohlen hatten, weil er eng war und ihnen daher gefährlich werden konnte. Da aber der vorgenannte damaszenische Statthalter Ainard sah, daß der König mit seinem Heer diesem Tal zueile, bot er ihm an, er wolle dem Heer, wenn es ihm nicht anders gut scheine, jenseits des Tales ein stattliches Mal bereiten, denn er wußte, daß das Heer schon seit einigen Tagen Hunger gelitten habe. Ob dieser Antrag aus lauter Liebe hervorging oder aus Hinterlist und ob er damit unser Heer in die gefährlichen Engpässe dieses Tals verlocken wollte, können wir nicht bestimmt angeben, eine alte Regel ist es aber, daß man sich vor den Feinden auch dann, wenn sie Geschenke anbieten, hüten muß. Sie faßten also den gemeinsamen Entschluß, den oberen Weg einzuschlagen, weil er ebener und weniger gefährlich war. Nun hatten sie aber keinen Führer, der die Gegend, die sie zu durchziehen hatten, genau kannte, da erschien plötzlich ein unbekannter Ritter mit einem Panzer angetan und kurzen Ärmeln, die ihm bis an die Ellenbogen reichten, und zog auf weißem Rosse, eine rote Fahne schwingend, dem Heer voran. Dieser führte, als Engel des Herrn der Heerscharen, die Unseren die kürzesten Wege und an Quellen, die sie früher nicht gekannt hatten und wo sie sich bequem lagern konnten. So kamen sie, während sie auf dem Herweg kaum in fünf Tagen bis an die genannte Schlucht gekommen waren, jetzt unter diesem Führer in drei nach Gadara.

XIII. Gadara liegt in der Gegend, die Dekapolis genannt wird, von der es im Evangelium nach Markus heißt: „Und als er wieder fortging aus dem Gebiet von Tyrus, kam er durch Sidon an das Galiläische Meer, mitten in das Gebiet der Zehn Städte." In dieser Gegend liegen, wie dies der Name sagt, zehn Städte: Hippus, Pella, Gadara, von dem jetzt die Rede ist, und sieben andere. Als die ersten Scharen unseres Heeres hier angekommen waren, begannen die Feinde, weil hier die Grenze zwischen unserem und dem feindlichen Gebiet ist, mit erneuerter Wut auf den Nachtrab einzudringen. Da sie aber sahen, daß sie nichts ausrichten, und daß sich die Unseren schon in ihr Land begeben hatten, so lösten sie, von Rauch, Hitze und Überdruß erschlafft, ihr Heer auf und begannen sich scharenweise in ihre Heimat zurückzuziehen. Die Unseren erholten sich in dieser Nacht, die ruhiger als die anderen verfloß, von den vielen erlittenen Beschwerden und kamen am folgenden Tag nach Tiberias. Es sagen aber alle, denen diese Geschichte noch in gutem Andenken ist, einmütig, daß den Führer, von dem wir sprachen, niemand gekannt habe, denn als sie an der Stätte ankamen, wo das Heer ein Lager schlug, verschwand er plötzlich und ließ sich nirgends im Lager sehen, am Morgen aber zog er dem Heer wieder voran. Es weiß keiner der Lebenden, daß zur Zeit der Lateiner jemals im Orient ein so gefährlicher Zug wie dieser vorkam, bei dem jedoch die Feinde keinen offenbaren Sieg davontrugen. Nachdem nun der König wieder ins Reich zurückgekehrt war und das Kreuz des Herrn nach Jerusalem zurückgebracht hatte, freute sich das Volk, das zurückgeblieben war, über die Rückkehr der Seinigen und sprach: „Denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden; er war verloren und ist gefunden worden." Nachher aber wurde der vorgenannte edle Mann von Ainard mit trügerischen Friedensworten zur Rückkehr eingeladen und bei seiner Ankunft aufs schlimmste behandelt, denn man stach ihm die Augen aus, und er endigte sein unglückliches Leben in Not und Armut.

XIV. Während dies bei uns vorfiel, ereignete sich in Edessa etwas Jämmerliches, das der Aufzeichnung wohl wert ist. Wir müssen aber des besseren Verständnisses wegen etwas weiter zurückgehen. Als nach dem Tod Sanguins, des größten Feindes des christlichen Namens, dessen Sohn Nur ed-Din bei Mossul über die Erbfolge stritt und durch diesen Streit in jenen Gegenden festgehalten war, schickten die Bürger von Edessa, da sie sahen, daß nur wenige von seinen Leuten zum Schutz der festen Plätze zurückgeblieben seien, alles übrige Volk aber dem christlichen Glauben angehöre, insgeheim Boten an den vorgenannten Grafen Joscelin und taten ihm zu wissen, daß bis auf wenige Türken, welche die Aufsicht über die Befestigungswerke haben, bloß Bürger in der Stadt seien. Die Bürger dieser Stadt waren aber seit den Tagen der Apostel fest im christlichen Glauben verankert, so daß, wie wir an anderer Stelle schon gesagt haben, wenige oder keine von anderem Glauben unter ihnen wohnten. Sie baten ihn also aufs dringendste, ohne Säumen ein Heer zusammenzubringen und nach der Stadt zu eilen, die sie ihm, ohne daß er dabei Mühe und Gefahren habe, überliefern wollten. Er aber setzte in Begleitung des edlen und mächtigen Balduin von Mares mit allem, was er im Land an Reitern und an Fußkämpfern zusammenbringen konnte, in aller Eile über den Fluß und erschien plötzlich nachts vor der Stadt. Hier wurden nun, während die Wachen schliefen, in der mitternächtlichen Stille einige von ihnen mittels Seilen und Leitern von den Bürgern in die Stadt gebracht, und diese öffneten den übrigen, die draußen warteten, die Tore. Sobald diese geöffnet waren, strömten alle ohne Unterschied hinein, durchstreiften sogleich die Stadt und erschlugen, was ihnen an Feinden begegnete, mit der Schärfe des Schwertes. Ein Teil von ihnen jedoch entkam dem Verderben und flüchtete sich in die festen Plätze. Der Graf und das christliche Heer, das mit ihm war, hatten also die Stadt einige Tage im Besitz, die festen Plätze aber konnten sie nicht in ihre Gewalt bekommen, weil sie gut befestigt und mit Lebensmitteln, Waffen und Mannschaften versehen waren, hauptsächlich aber, weil sie keine Maschinen oder Material, aus dem man solche hätte erbauen können, mit sich gebracht hatten und weil sich auch in der ganzen Stadt nichts derartiges vorfand.

XV. Es wurden nun Boten fortgeschickt, welche weit und breit dieses Glück verkünden und die Nachbarn zum Beistand auffordern sollten, damit mit ihrer Hilfe die Stadt der Christenheit, an die sie durch Gottes Gnade wieder gekommen war, für alle Zukunft erhalten werde. Über diese Nachricht freute sich das christliche Volk überall, und so groß der Schmerz über den Verlust der Stadt gewesen war, so groß war jetzt der Jubel über ihre Wiedereinnahme. Aber die äußerste Freude grenzt an die Trauer, und so wurde auch hier die Zither plötzlich zur Klage gestimmt, und es kam ein Unglück, das noch schlimmer war als das frühere. Als nämlich Nur ed-Din hörte, daß die Bürger dem Grafen die genannte Stadt überliefert hatten, sammelte er aus dem Orient Mannschaften, ließ durch Herolde alles Volk der benachbarten Städte aufbieten, erschien plötzlich vor der Stadt und schloß sie rings mit seinen Heer ein. Es war also bei ihnen wie geschrieben steht: „Draußen wird das Schwert sie berauben und drinnen der Schrecken," denn draußen lagen die feindlichen Heere, den Ausgang verweigernd, sich zum Kampfe rüstend und Verderben drohend, innen wurden sie von denen, welche noch in den festen Plätzen lagen, in Schrecken gesetzt und fortwährend beunruhigt. So von allen Seiten bedrängt, wußten sie nicht, was sie tun sollten. Sie besannen sich hin und her und faßten bald diesen, bald jenen Plan, aber wohin sie sich in ihren Gedanken wenden mochten, sie trafen auf nichts Sicheres, sie fanden keinen Weg, der ihnen nicht den Tod drohte. Endlich hielten sie es für das Beste, was sie in ihrer Lage tun könnten, wenn sie auf jede Art, es möge gehen wie es wolle, die Stadt verließen. Sie wollten lieber mit den Feinden zusammentreffen und sich mit dem Schwert einen Weg durch seine Scharen bahnen, als bei einer Belagerung entweder alle durch das Schwert umkommen oder aus Hungersnot sich dem Feind übergeben und in eine Knechtschaft geraten, härter und schlimmer als jeder Tod. Dieser Beschluß gefiel allen, und wieviel Gefahr er auch darbot, so schien doch dieser Weg in Anbetracht des Schlimmeren, was sie treffen könnte, der kürzeste zu sein. Als die Bürger, die den Grafen mit den Seinigen in die Stadt gebracht hatten, vernahmen, daß keine Hoffnung auf Widerstand mehr vorhanden sei, so beschlossen sie, aus Furcht, wenn sie nach des Grafen Abzug in der Stadt gefunden würden, für diese Tat, deren Urheber sie waren, mit dem härtesten Tod gestraft zu werden, die Stadt samt ihren Weibern und Kindern zugleich mit dem christlichen Heer zu verlassen, denn sie wollten lieber das zweifelhafte Geschick ihrer Brüder teilen, als dem sicheren Tod entgegengehen oder in die Sklaverei der Ungläubigen geraten, was ihnen furchtbarer erschien als jeder Tod.

XVI. Sie öffneten also die Tore und wollten alle um die Wette aus der Stadt, weil ihnen dies der einzige Weg zur Rettung schien, und obgleich sie wußten, daß sie sich mit dem Schwert mitten durch die Feinde einen Weg bahnen mußten, so erschien ihnen doch alles, was sie treffen möchte, ein Leichtes, wenn sie nur aus der Stadt kommen könnten. Indessen waren aber einige von den Feinden, denen die, welche in den festen Plätzen lagen, einen Eingang erschlossen hatten, in die Stadt gekommen. Diese drängten nun, als sie aus den Toren wollten, von hinten auf sie ein und trieben sie, ihren Abzug zu beschleunigen. Die aber, welche draußen waren, wollten auf die Nachricht, daß einige von ihnen in der Stadt und schon mit den Unsrigen im Kampf begriffen seien, sich mit diesen verbinden, besetzten das Tor, das die Unsrigen, um dadurch hinauszugehen, geöffnet hatten, riefen eine große Menge von Leuten jeden Rangs herbei, versperrten mit diesen den Unseren den Ausweg und suchten selbst in die Stadt einzudringen. Es kam also hier zwischen beiden Teilen, soweit dies der enge Raum gestattete, zu einem Treffen, das für beide höchst gefährlich war. Endlich machten sich die Unseren, von denen, welche von hinten auf sie einhieben, bedrängt und durch diese Not ermutigt, mit dem Schwert einen Weg durch das Heer, das sich ihnen von außen entgegensetzte, und kamen, nachdem viele von beiden Seiten gefallen waren, in das offene Feld. Hier wurden nun, schauerlich zum Ansehen und kläglich zum Erzählen, das waffenlose und unkriegerische Volk der Bürger, Greise, Kranke, Matronen mit zarten Mädchen, Mütter mit Säuglingen im Engpaß des Tores teils von den Füßen der Pferde zertreten, teils im Gedränge erstickt, teils von den feindlichen Schwertern niedergehauen. Fast alle die Bürger, welche mit unserem Heer zugleich abziehen wollten, Männer und Weiber, kamen hier ums Leben, und nur wenige entkamen durch ihre eigene Rüstigkeit oder durch die Schnelligkeit ihrer Pferde und erreichten das abziehende Heer. Als nun Nur ed-Din sah, daß die Unseren im Abzug begriffen seien, setzte er ihnen mit seinen Scharen hinten nach und verfolgte sie unaufhörlich auf ihrem Zug. Die Unseren nahmen nämlich ihren Weg gegen den Euphrat, der ungefähr vierzehn Meilen von der genannten Stadt entfernt ist. Auf diesem ganzen Weg waren der Graf und sein Heer in unausgesetztem Kampf und in fortwährender Gefahr, denn fast bei jedem Schritt kam es zwischen Scharen oder einzelnen zum Gefecht, und viele von beiden Seiten kamen hierbei um. Hier starb der edle und durch seine Waffentaten ausgezeichnete Balduin von Mares, dessen wir oben gedacht haben, es fielen auch viele andere löbliche und des Andenkens würdige Männer, deren Seelen der heiligen Ruhe genießen mögen und deren Namen, obgleich wir sie nicht kennen, gewiß im Himmel eingeschrieben sind, weil sie im Kampf für die Sache des Glaubens und für die Freiheit des christlichen Volkes ein ruhmreiches Ende fanden. Der Graf, da er den Verfolgenden an Stärke nicht gleich war und die meisten der Seinigen verloren hatte, rettete endlich, da er den immerwährenden Angriffen der Feinde nicht länger standhalten konnte, sein Leben durch die Flucht, setzte über den Euphrat und begab sich nach Samosata. Andere aber begaben sich nach anderen Orten, wie es einem jeden am besten dünkte, ließen ihr Gepäck zurück und waren nur darauf bedacht, ihr Leben zu retten. Die Kunde hiervon verbreitete sich nun weit und breit durch alle angrenzenden Länder, und die, welche sich kurz vorher über die Wiedereroberung der Stadt Edessa gefreut hatten, wurden jetzt durch die Nachricht, daß sie wieder verloren sei, und durch die Kunde vom Tod so vieler edler Männer und von der Verwirrung, in die das christliche Volk geraten war, um so schmerzlicher betrübt.

XVII. Um dieselbe Zeit ging der Patriarch Wilhelm von Jerusalem, ein einfältiger und gottesfürchtiger Mann, den Weg alles Fleisches. Er starb nämlich am fünfundzwanzigsten September im fünfzehnten Jahr seiner Amtsführung. An seine Stelle wurde sodann im folgenden Januar, am fünfundzwanzigsten des Monats, der Erzbischof Fulcher von Tyrus gewählt, der in der Reihe unserer Vorgänger der dritte ist. Um dieselbe Zeit, um Epiphaniä, schlug ein Blitz vom Himmel in die Kirche zum Heiligen Grab auf dem Berg Zion, wie wir glauben zur Vorbedeutung unglücklicher und die ganze Stadt erschütternder Ereignisse. Auch sah man viele Tage lang einen Kometen, und manche andere außerordentliche Zeichen erschienen als Vorboten künftiger Ereignisse. In diesen Tagen geschah es auch, daß der König und seine Mutter, in deren Händen die Regierung war, wie auch der Patriarch, der von der Kirche von Tyrus zur Patriarchenwürde abgerufen worden war, mit den Suffraganbischöfen dieser Kirche bei Tyrus zusammenkamen, um der Kirche einen neuen Bischof zu geben. Als man nun hier auf die herkömmliche Art über die Wahl eines Bischofs verhandelte, trennte man sich, wie dies in solchen Fällen gewöhnlich geschieht, in zwei Parteien. Ein Teil nämlich wollte Radulf, den Kanzler des Königs, einen Engländer von Nation, einen schönen, gelehrten, beim König, der Königin und dem ganzen Hof sehr beliebten Mann, der aber den Fehler hatte, daß er allzu weltlich war. Diese Partei wurde vom König und seiner Mutter begünstigt. Andere aber, an deren Spitze Johannes von Pisa stand, der Archidiakon dieser Kirche, der nachher Kardinal der Silvester- und Martinskirche in Rom wurde, und zu denen auch die Bischöfe Bernhard von Sidon und Johannes von Berythus gehörten, wollten im Einverständnis mit dem Patriarchen den genannten Radulf nicht haben. Diese hatten zur Appellation gegriffen und widersetzten sich, auf die Gunst des Patriarchen gestützt, wie sie konnten, den andern, die sich auf die königliche Gewalt verließen. Es geschah aber, daß der genannte Kanzler auf dem Weg der Gewalt die Kirche und ihre Güter erhielt und zwei Jahre im Besitz derselben blieb, bis durch den römischen Papst der Streit in Gegenwart der Parteien entschieden und von Eugen die Wahl des genannten Kanzlers für ungültig erklärt wurde. Später aber wurde derselbe Radulf durch Begünstigung des Papstes Hadrian, der ein Landsmann von ihm war, zum Bischof der Kirche von Bethlehem erwählt. Für die genannte Metropolitankirche aber wurde mit allgemeiner Übereinstimmung Peter, Prior zur Kirche des Heiligen Grabes, aus Barcelona im diesseitigen Spanien gebürtig, zum Erzbischof gewählt, ein Mann, edel seiner Abstammung, edler seinem Geiste nach, von wunderbarer Einfalt und Milde, gottesfürchtig und alles Böse scheuend, dessen Andenken bei Gott und Menschen gesegnet ist und dessen Leben und Charakter ausführlicher und weitläufiger besprochen zu werden verdiente, müßten wir hier nicht alles Besondere übergehen und uns nur an das Öffentliche und Allgemeine halten.

 XVIII. Nachdem nun, wie wir erzählt haben, Edessa erobert war, erscholl das Gerücht hiervon bis über das Meer, und im ganzen Abendland hieß es, das gottlose Volk der Türken habe nicht nur die genannte Stadt gewonnen, sondern ziehe auch frei im ganzen Orient umher, verheere die Städte, Höfe und Flecken der Unsrigen und setze dem christlichen Volk mehr als bisher mit immerwährenden Angriffen und Überfällen zu. Es fehlte nicht an solchen, die diese Worte nach allen Seiten unter den Völkern und Völkerschaften verbreiteten und die in langem Frieden erschlafften und träge gewordenen Provinzen aufforderten, ihre Brüder an den Feinden des christlichen Namens und Glaubens zu rächen. Auch Papst Eugen der Dritte, ein Mann voll göttlichen Geistes, schickte in väterlichem Mitleiden und Erbarmen mit der Not, von der, wie er vernahm, seine Kinder im Morgenland bedrängt wurden, fromme und mit Wort und Tat wirkende Männer, denen die Gabe der Überredung verliehen war, nach verschiedenen Gegenden des Abendlandes und ließ Völkern, Stämmen und Zungen von dem unerträglichen Druck, unter dem ihre morgenländischen Brüder lebten, Kunde geben und sie auffordern, das Blut ihrer Brüder zu rächen. Der vorzüglichste unter diesen war der Abt Bernhard von Clairvaux, ein Mann, der allen anderen als Sittenspiegel dienen konnte. Dieser zog voll Eifers, das Werk, das man ihm anvertraut hatte, zu vollführen, mit seinen gottgeliebten Mitarbeitern rastlos und unermüdlich in allen Reichen und Ländern umher, obgleich er teils seines herannahenden Alters, teils seines fast immerwährenden Fastens wegen von sehr schwächlichem Körper war, und verkündigte überall das Reich Gottes. Er berichtete von der Bedrängnis des Volks im Orient und von den Beschwerden, unter denen sie unausgesetzt seufzen müßten, schilderte aufs lebendigste, wie die Städte der Gläubigen, die früher dem christlichen Glauben geweiht gewesen waren, jetzt das harte Joch der Verfolger des christlichen Namens tragen müssen, und belehrte sie, wie ihre Brüder, für die Christus gestorben ist, in Fesseln und Banden, von Hunger aufgezehrt, in furchtbaren Gefängnissen schmachtend mit Schmutz bedeckt, in Schmerz gehüllt, arm und gefangen dasitzen. Dann rief er sie auf, sie zu befreien, entzündete ihre Herzen, ihren Brüdern aus der Not zu helfen und verhieß ihnen zu diesem frommen Werk den himmlischen Beistand und ewige Belohnungen, deren sie einst mit den Erwählten teilhaftig werden würden. Diese seine Reden, die er bei Völkern, in Fürstentümern und Königreichen mit großer Langmut sprach, fanden sowohl bei Hohen als bei Niederen günstiges Gehör, und überall gelobte man die Reise nach Jerusalem und heftete sich zum Zeichen der Wallfahrt das lebenspendende Kreuz auf die Schultern. Und seine Rede ermutigte nicht nur das niedere Volk also kräftig, auch bei den höchsten Gebietern der Welt und denen, die auf der obersten Stufe standen, hatte sein Wort nicht geringeren Erfolg. Die erlauchten und mächtigen Herrscher, der römische Kaiser Konrad und der König Ludwig von Frankreich nahmen mit vielen Fürsten beider Reiche, von gleichem Wunsch beseelt, die Aufforderung an und hefteten das Zeichen des heilbringenden Kreuzes als Unterpfand des Kreuzzuges, den sie unternehmen wollten, auf ihre Schultern und Gewänder.

XIX. Nachdem sie nun zuvor die Angelegenheiten ihrer Reiche in Ordnung gebracht und alles, wie es sich für Könige schickte, zur Reise gerüstet hatten, brachen sie mit denen, die in demselben Glaubenseifer dasselbe Gelübde getan hatten, im Monat Mai zu der Gott wohlgefälligen Pilgerfahrt auf. Aber sie zogen unter keinen guten Zeichen aus, es schien, als zürne ihnen der Himmel, denn sie brachten auf diesem ganzen Zug unserer Sünden halber nichts Gott Wohlgefälliges zustande, ja sie machten die Lage der Unseren, denen sie Hilfe zu bringen meinten, nur noch schlimmer. Sie beschlossen, gesondert voneinander einherzuziehen, damit keine Streitigkeiten unter den Völkern ausbrechen und damit die einzelnen Heere sich bequemer ihre Bedürfnisse verschaffen könnten und es den Pferden und Lasttieren nie an Futter fehlen lassen müßten. Sie zogen also durch Baiern, setzten bei Regensburg über den großen Donaustrom, zogen dann diesem zur Linken nach Österreich hinab und kamen von da nach Ungarn, wo sie vom König dieses Landes mit vielen Ehren empfangen wurden. Nachdem sie dieses Reich und die beiden Pannonien durchzogen hatten, kamen sie durch die bulgarischen Provinzen, durch Mösien und Dakien, nämlich das mittelländische, denn das Uferland von Dakien ließen sie links liegen. Von da kamen sie über Thrakien und die berühmten Städte Philippopolis und Adrianopel nach der Kaiserstadt. Hier besprach sich Kaiser Konrad freundschaftlich mit Kaiser Manuel von Konstantinopel und ließ dann seine Heere, nachdem sie sich erholt und der Ruhe, die ihnen nach so vielen Mühen nötig war, genossen hatten, über den Hellespont, der die Stadt bespült und die Grenze zwischen Europa und Asien bildet, in die erste asiatische Provinz Bithynien übersetzen, wo das ganze Heer im Bezirk von Chalkedon, von wo sie Konstantinopel aus der Ferne sehen konnten, sein Lager schlug. Dies ist die alte Stadt Chalkedon, wo unter dem Kaiser Martianus und dem Papst Leo die vierte heilige Synode gehalten wurde, zu der sich sechshundertundsechsunddreißig Väter versammelten, um Maßregeln gegen die Irrlehren des Mönchs und Abts Euthyches zu ergreifen, der bloß eine Natur in Christo annahm. Unterdessen riefen der Sultan von Ikonium, der schon vorher von der Ankunft so großer Fürsten, die ihm Furcht einflößten, gehört hatte, aus den äußersten Gebieten des Orients Bewaffnete zusammen und war aufs emsigste besorgt, Vorkehrungen gegen die drohende Gefahr zu treffen. Er befestigte also die Städte, stellte die schadhaft gewordenen Befestigungswerke wieder her, forderte die Nachbarvölker zum Beistand auf und erwartete in beständiger Besorgnis von Tag zu Tag die Ankunft der Heere, die vor der Türe stehen sollten, und damit den Untergang der Seinigen und den Untergang des Vaterlandes. Es hieß nämlich, es komme eine Menge einher, wie man sie in Jahrhunderten nie gesehen habe, ihre Reiterei bedecke die ganze Oberfläche der Erde, die größten Flüsse reichen nicht hin, sie zu tränken, und die reichsten Landschaften können ihnen nicht die nötigen Lebensmittel liefern. Obgleich nun dieses Gerücht die Sache übertrieb, so war doch der wahre Zustand des Heeres so, daß die großen ungläubigen Fürsten mit Recht davon erschreckt werden konnten. Nach der einstimmigen Versicherung derer, welche den Zug mitmachten, waren allein im Gefolge des Kaisers siebzigtausend Geharnischte, wobei Fußkämpfer, Kinder und Weiber und die leichten Reiter nicht mitgerechnet sind. Im Heer des Königs von Frankreich aber waren ebenfalls siebzigtausend Geharnischte, wobei die Leute zweiten Rangs nicht eingerechnet sind. Wäre der Herr diesen Heeren gnädig gewesen und hätte er sie seines Beifalls gewürdigt, so hätten sie nicht nur den Sultan, sondern alle Provinzen des Morgenlandes dem christlichen Namen untertan machen können, aber der Herr verschmähte ihre Dienste aus einem unbekannten, aber jedenfalls gerechten Ratschluß und hatte keinen Gefallen an ihrer Gabe, die sie ihm vielleicht mit unreinen Händen darbrachten.

XX. Nachdem nun alle Heere über den Bosporus gesetzt waren, beurlaubte sich auch der Kaiser Konrad von Kaiser Manuel und setzte mit einigen wenigen ihm befreundeten Fürsten ebenfalls über den Bosporus. Er gab nun einem jeden Heer einen besonderen Fürsten zum Anführer und gebot, den weiteren Zug anzutreten. Er ließ Galatien und Paphlagonien zur Linken liegen, zur Rechten aber Lydien, Phrygien und Kleinasien, und zog mitten durch Bithynien, nahe an Nikomedien vorbei, der Hauptstadt dieser Provinz, Nikäa, wo zu den Zeiten Konstantins eine Synode von dreihundertundachtzehn heiligen Vätern gegen die gottlosen Lehrsätze des unseligen Arius zusammenkam, zur Rechten lassend. Er durchzog diese ganze Gegend und kam dann mit seinem Heer auf dem kürzesten Weg und in bester Ordnung nach Lykaonien, das Ikonium zur Hauptstadt hat. Hier stand der genannte Sultan mit seinem Heer und einer großen Anzahl von Türken, die er aus den benachbarten Ländern zusammengebracht hatte, und wartete auf Zeit und Gelegenheit, mit den Unseren auf ihrem Zug zusammenzutreffen und sie an der Weiterreise zu hindern. Er hatte alle Könige und Fürsten jener Länder bis zu den äußersten Grenzen des Orients mit Geld und Bitten gegen uns aufgewiegelt, denn er versicherte ihnen, wenn man einem so großen und so trefflich bewaffneten Heer einen freien Durchzug gestatte, so werde es sich den ganzen Orient unterwerfen. Es eilten also aus beiden Armenien, aus Kappadokien, Isaurien, Kilikien, Medien und Parthien unermeßliche Scharen auf seinen Ruf herbei, und es stand ihm eine unerhörte Menge zu Diensten, mit der er dem ungeheuren Heer, von dessen Ankunft er gehört hatte, gewachsen zu sein hoffte. Der Kaiser von Konstantinopel hatte aber dem Kaiser Konrad, als er abzog, auf seine Bitte Wegführer mitgegeben, die in den benachbarten Provinzen aller Orte kundig, aber von schlechter Zuverlässigkeit waren. Die Unseren glaubten, sie hätten diese Führer dazu erhalten, daß sie dem Heer treu voranzögen, damit dasselbe nicht in gefährliche Engpässe oder in unwegsame Gegenden gerate, wo es keine Lebensmittel finde. Nachdem diese Wegführer aber die Unseren in das feindliche Land geführt hatten, gaben sie den Obersten des Heeres die Weisung, für eine bestimmte Anzahl von Tagen, in denen sie, um den kürzesten Weg zu machen, durch Wüsten ziehen müßten, die nötigen Speisevorräte mitzunehmen, und versicherten ihnen fest, in wenigen Tagen werde das Heer vor der berühmten Stadt Ikonium ankommen, wo ihnen die reiche Gegend alle Bequemlichkeiten im Überfluß darbiete. Diese ließen sich von ihnen bereden, beschwerten die Lasttiere und Wagen mit Speisen und folgten ihnen vertrauensvoll in der Einfalt ihres Herzens. Die Griechen aber begannen aus angeborener Bosheit und aus ihrem bekannten Haß gegen uns, sei es, daß sie von ihrem Herrn dazu Befehl hatten oder daß sie sich von den Feinden hatten bestechen lassen, absichtlich und mit Fleiß unser Heer in unwegsame Gegenden zu führen, wo die Feinde leicht und bequem das arglose Volk überfallen und angreifen konnten.

XXI. Als die bestimmten Tage verflossen und das Heer noch nicht an dem gewünschten und verheißenen Ziel angekommen war, berief der Kaiser die griechischen Führer vor sich und fragte sie in Gegenwart seiner Fürsten ernstlich, wie es komme, daß das Heer schon einige Tage weiter, als sie anfangs bestimmt hätten, auf der Reise sei, und noch immer wolle sich das bestimmte Ziel nicht zeigen. Diese aber griffen zu ihren gewöhnlichen Künsten und versicherten felsenfest, innerhalb von drei Tagen werde das ganze Heer vor Ikonium stehen. Durch diese Versicherung ließ sich der Kaiser, ein einfacher Mann wie er war, beruhigen und sagte, er wolle ihren Versprechungen Vertrauen schenken und diese drei Tage noch geduldig warten. In der folgenden Nacht nun, nachdem man wie sonst ein Lager geschlagen hatte, entfernten sich die genannten verruchten Männer, während die übrigen der Ruhe pflegten, heimlich vom Heer und ließen das ihnen anvertraute Volk ohne Führer zurück. Als es Morgen geworden war und die Zeit zum Aufbruch nahte, ließen sich also die, welche gewöhnlich dem Heer voranzogen, nirgends finden, und endlich hinterbrachte man auch dem Kaiser und den Fürsten des Heers den Betrug, den die Genannten gespielt hatten und der jetzt offen zutage trat. Jene Belialskinder aber, um ihre Bosheit fortzusetzen und Vergehen an Vergehen zu reihen, eilten jetzt zu dem Heer des Königs von Frankreich, das in der Nähe sein sollte, und belogen es, der Kaiser sei unter ihrer Führung glücklich nach Ikonium gekommen, habe die Stadt erobert und von Grund aus zerstört und einen glänzenden Sieg über die Feinde davongetragen. Sie erdichteten dies aber, wie wir glauben, entweder um den König in dieselbe Gefahr zu stürzen und ihn zu bewegen, denselben Weg einzuschlagen, oder vielleicht, damit er seinen Brüdern nicht in ihrer Not zu Hilfe komme in der Meinung, es gehe ihnen alles nach Wunsch, oder vielleicht auch, weil sie fürchteten, wenn sie die Nachricht bringen, das Heer sei zugrunde gegangen, als Verräter, deren Bosheit das Volk in dieses Unglück gebracht habe, zur Verantwortung gezogen zu werden. In welcher Absicht sie dies auch gesagt haben mögen, sicher ist, daß durch ihre Treulosigkeit das Heer in das Verderben geführt wurde, in das es sofort geriet. Da nun der Kaiser sah, daß das Heer keinen Führer mehr habe, berief er alle Fürsten zur Versammlung und beriet sich mit ihnen, was hier zu tun sei. Nun sagten die einen, man solle vorwärts, die anderen, man solle zurück, und es war eine solche Geteiltheit der Meinungen, daß man in Wahrheit sagen konnte: „Er schüttete Verachtung aus auf die Fürsten und ließ sie irren in der Wüste, wo kein Weg ist." Während sie nun so des Wegs unkundig und ohne Lebensmittel, denn es war alles Futter für die Pferde und das Vieh und alle Speise für die Menschen völlig ausgegangen, hin und her schwankten, kam die Nachricht, die auch nicht weit von der Wahrheit entfernt war, eine unermeßliche Menge von Türken befinde sich ganz in der Nähe. Das Heer war aber in einer unfruchtbaren Wüste, weit von bebautem Boden entfernt, als es von den genannten Verführern mit Absicht hierhergebracht worden war. Sie hatten nämlich Lykaonien rechts liegen lassen, und anstatt dieses zu durchziehen, wo sie dann in kürzerer Zeit und auf einem Weg, der alles im Überfluß darbot, zu ihrem Ziel gekommen wären, hatten sie sich links gehalten und das Heer weitab von Ikonium in die Einöden von Kappadokien geführt. Man sagte offen und es war nicht unwahrscheinlich, dieser Betrug sei mit Wissen und auf Befehl des griechischen Kaisers ersonnen worden, der die Fortschritte der Unseren mit Neid ansah, denn die Griechen galten und gelten dafür, daß sie jedes Wachstum der Unseren, hauptsächlich aber die Mehrung des deutschen Reichs, in dem sie einen Nebenbuhler sehen, mit Furcht und Argwohn betrachten. Es war ihnen verdrießlich, daß der König von Deutschland sich römischer Kaiser nenne, denn sie hielten dies für eine Beeinträchtigung der Rechte ihres Kaisers, den sie den Monarchen nennen, das heißt den alleinigen Herrscher über alle, und den wahren und einzigen römischen Kaiser.

XXII. Während das Heer des Kaisers auf diese Art durch Hunger, Unkenntnis der Gegend, Unzugänglichkeit der Wege, Verlust der Pferde, Schwere des Gepäcks und ununterbrochene Anstrengung in Not und Bedrängnis war, stürzten die türkischen Satrapen und Befehlshaber verschiedener Art mit den Streitkräften, die sie schon früher zu diesem Zweck gesammelt hatten, plötzlich über unser Lager her und setzten durch diesen raschen Überfall unser Heer, das auf nichts solches gefaßt war, in die größte Bestürzung. Mit ihren raschen, wohlgefütterten Pferden, ihren leichten Bogen und Köchern umschwirrten sie das Lager mit großem Geschrei und machten mit ihrer gewohnten Rührigkeit gefährliche Angriffe auf die Unseren, die sich unter ihren schweren Waffen langsam bewegten. Die Unseren aber, die schwere Panzer, Beinharnische und Schilde und ausgehungerte und ermattete Pferde hatten, welche nicht mehr dazu taugten, sich eilig hin und her zu wenden, wollten sich, obgleich sie den Feinden an Stärke und Übung in den Waffen überlegen waren, nicht weiter von ihrem Lager entfernen, um sie zu verfolgen oder ihnen ein Treffen zu liefern. Dagegen stürzten die Feinde haufenweise daher, verwundeten und töteten mit einem Hagel von Pfeilen, den sie aus der Ferne abschossen, Pferde und Reiter, und wenn die Unseren sie mit dem Schwert verfolgen wollten, so entflohen sie mit ihren raschen Pferden. So wurde also unser Heer von allen Seiten her ununterbrochen mit Pfeilen beschossen und aufs schlimmste bedrängt, ohne daß es die Angriffe erwidern und mit den Feinden Mann gegen Mann kämpfen konnte, denn es war ihm nicht möglich, seine Gegner zu fassen. Sooft nämlich die Unseren einen Angriff auf die Feinde machen wollten, sprengten sie, ihrer Bemühungen spottend, nach verschiedenen Seiten auseinander, und wenn die Unseren sich wieder in ihr Lager zurückzogen, so sammelten sich die Feinde wieder, umzingelten unser Heer und hielten es fortwährend gleichsam belagert. Es geschah nämlich durch einen verborgenen, jedenfalls aber gerechten Ratschluß Gottes, daß all die Kraft so großer Fürsten, die früher an Waffen, Stärke, Mut und Zahl unvergleichlich schien, durch diesen ermüdenden Kampf so zusammenschwand, daß kaum noch ein Überrest jener unermeßlichen Streitkräfte und kaum eine Spur des früheren Glanzes übrigblieb. Von siebzigtausend gepanzerten Reitern und von einem Fußvolk, dessen Menge unzählig war, blieb nach den Versicherungen derer, die dabei waren, kaum der zehnte Teil übrig, die anderen kamen alle durch Hunger oder das Schwert der Feinde um, und einige gerieten auch in Gefangenschaft. Der Kaiser entkam kaum selbst mit einigen wenigen seiner Fürsten und brachte den Überrest seines Heeres mit großer Not nach einigen Tagen in die Gegend von Nikäa. Die siegreichen Feinde aber begaben sich mit der Beute und den unermeßlichen Schätzen, die sie gewonnen, und mit den Pferden und Waffen, deren sie eine schwere Menge bekommen hatten, in verborgene feste Plätze, die ihnen als Ortskundigen wohlbekannt waren, und erwarteten hier gierig die Ankunft des Königs von Frankreich, der ungefähr denselben Weg kommen sollte. Sie hofften nämlich, da sie das größere Heer des Kaisers vernichtet hatten, über das Gefolge des Königs von Frankreich noch viel leichter siegen zu können, was denn auch geschah. Der Sultan von Ikonium war jedoch hierbei nicht anwesend, sondern es war ein großer türkischer Satrap namens Paramum, ein edler Heeresoberster, der mit Gottes Erlaubnis diesen Streich führte und die Hoffnung der Unseren vernichtete. Es geschah dies im Jahr der Menschwerdung des Herrn elfhundertundsechsundvierzig, im Monat November.

XXIII. Unterdessen war der König von Frankreich beinahe auf demselben Weg mit seinem Heer nach Konstantinopel gelangt. Er hatte hier während der kurzen Zeit seines Aufenthalts mehrere vertraute Gespräche mit dem Kaiser gehabt, war samt seinen Fürsten unter vielen Ehrenbezeugungen und mit großen Geschenken entlassen worden, hatte sodann da, wo der Hellespont zwischen der Kaiserstadt und dem Pontischen Meer, das dreißig Meilen von hier entfernt liegt, am engsten und nur eine Meile breit ist, sein ganzes Heer übergesetzt und sofort, nachdem er den Meerbusen, der von der benachbarten Hauptdtadt Bithyniens der Nikomedische heißt und auch ein Teil des Bosporus oder Hellesponts ist, umfahren hatte, im Gebiet von Nikäa, nicht weit von der Stadt, sein Lager geschlagen. Wie er nun hier überlegte, welchen Weg er einschlagen sollte, und vom Kaiser, der ihm vorangezogen war, Nachricht zu erhalten suchte, wurde ihm gemeldet, der Kaiser habe sein Heer verloren und sei nur mit wenigen Fürsten in irrer Flucht der Gefahr entkommen. Diese erste Nachricht war noch unbestimmt und hatte keinen sicheren Gewährsmann, aber bald kam der Herzog Friedrich von Schwaben, ein Jüngling von bewundernswürdigen Anlagen, ein Sohn des erstgeborenen Bruders des Herrn Kaisers, der als Nachfolger dieses Konrads seines Oheims jetzt mit Kraft und Glück das Römische Reich regiert, aus dem Lager des Kaisers zu dem Heer des Königs von Frankreich und brachte sichere und ausführliche Nachricht über das, was man bis jetzt nur durch ein unbestimmtes Gerücht vernommen hatte. Er kam nämlich, um den König zu einer Unterredung mit dem Kaiser einzuladen, damit sie sich, freilich jetzt zu spät, über ihren Zug miteinander beraten könnten. Als das Heer der Franken die Not und den Untergang seiner Brüder und das Unglück, das den Kaiser getroffen hatte, vernahm, wurden sie alle im höchsten Grad bestürzt und von größtem Mitleid ergriffen. Auf den Antrag des Herzogs nun ging der König, nachdem er sich mit den Seinigen beraten hatte, von einigen seiner Fürsten begleitet und vom Herzog geführt nach dem Lager des Kaisers, das ganz in der Nähe war, um sich mit ihm zu unterreden. Nachdem sie sich nun aufs freundlichste gegrüßt und geküßt, besprachen sie sich miteinander und faßten den Beschluß, bei ihrem Vorsatz zu bleiben und von jetzt an den Weg im vereinten Zug zu machen. Viele aus anderen Heeren aber, hauptsächlich jedoch aus dem deutschen Lager, ließen sich durch den Verlust ihres Reisegeldes und ihrer sonstigen Habe und durch die Scheu vor der Mühseligkeit des Unternehmens dazu bestimmen, uneingedenk ihres Gelübdes nach Konstantinopel zurückzukehren. Nach einer gemeinsamen Beratung der Fürsten beider Heere ließ man nun den Weg, den früher der Kaiser eingeschlagen hatte, zur Linken liegen und zog rechts von beiden Phrygien, und Bithynien im Rücken, Kleinasien zu. Sie zogen hier bald in der Mitte des Landes, bald am Meeresufer hin und kamen dann, Philadelphia links liegen lassend, nach Smyrna und von da nach Ephesus, der Hauptstadt von Kleinasien, die hauptsächlich dadurch berühmt ist, daß der Evangelist Johannes hier gelebt und gepredigt hat und hier auch begraben liegt. Hier schickte der Kaiser, sei es, daß er sich der kleinen Anzahl, die ihm von seinem großen Heer übriggeblieben war, schämte oder daß er den Hochmut der Franken nicht ertragen konnte oder aus anderen unbekannten Gründen, den Überrest seines Heeres auf dem Landweg zurück und setzte selbst von Ephesus aus zu Schiff nach Konstantinopel über. Er wurde hier vom Kaiser noch viel ehrenvoller als das erste Mal empfangen und verweilte bei ihm mit seinen Fürsten bis zu Anfang des Frühlings. Sie waren nämlich durch ihre Frauen, die beide Schwestern, Töchter des älteren Berengar Grafen von Sulzbach waren eines großen und vortrefflichen und im Deutschen Reich äußerst mächtigen Fürsten, miteinander verwandt. Daher kam die große Gewogenheit und Freigebigkeit, mit der er auf Fürsprache der Kaiserin samt den Seinigen hier aufgenommen wurde.

XXIV. Während indessen der König von Frankreich, sehr bekümmert über seinen weiteren Zug, bei Ephesus mit seinem Heer Rast hielt, starb hier der Graf Guido von Ponthieu, ein durch seine Waffentaten ausgezeichneter Mann, an einer schweren Krankheit und wurde im Vorhof der Kirche ehrenvoll begraben. Der König aber brach von hier auf und eilte mit seinem Heer, so schnell er konnte, dem Orient zu. Einige Tage nachdem er von hier abgezogen war, kam er an die Furten des Mäanders, in denen sich bekanntlich die Schwäne gerne aufhalten. Dies ist jener Fluß, von dem unser Naso in seinen Heroiden sagt:

So, wenn sein Letztes genaht, der weiße Schwan an Mäanders

Strande im schwellenden Gras, singt er sein Sterbelied ab.

An den Ufern dieses Flusses, auf anmutig grünen Weiden, schlug er sein Lager auf. Hier wurde den Franken zuerst ihr Wunsch gewährt, die Feinde von Angesicht zu sehen, denn als sie sich dem Wasser nähern wollten, kamen sie in großer Anzahl an das entgegengesetzte Ufer und wollten die Unseren vom Fluß vertreiben. Endlich aber fanden die Unseren eine Furt, an der sie trotz des Widerstandes der Feinde über den Fluß setzten und die feindlichen Scharen, nachdem sie viele von ihnen getötet oder gefangengenommen hatten, in die Flucht schlugen. Sie gewannen auch das feindliche Lager mit allen Habseligkeiten und einer reichen Siegesbeute und wurden auf diese Art Herren vom jenseitigen Flußufer. Nachdem sie also die Feinde besiegt und große Beute gemacht hatten, brachten sie diese Nacht in aller Ruhe zu. Am nächsten Morgen aber brachen sie wieder auf und kamen von da nach Laodikäa, eine Stadt in dieser Gegend, wo sie Lebensmittel für einige Tage zu sich nahmen und dann auf ihre gewöhnliche Art einmütig weiterzogen.

XXV. Das Heer kam aber auf seinem Weg an einen Berg, der sehr hoch und schwer zu ersteigen war, auf dessen Höhe sie nach dem Reiseplan an diesem Tag noch gelangen mußten. Nun hatten sie die Gewohnheit im Heer, jeden Tag einige der Edlen auszuwählen, welche zum Schutz des waffenlosen Haufens und hauptsächlich des Fußvolks den Vor- und Nachtrab begleiten und sich jeden Tag mit den Fürsten besprechen sollten, was man am andern Tag für einen Weg einschlagen, wie weit man ziehen und wo man lagern wolle. Es hatte aber an diesem Tage das Los, dem Heer mit dem königlichen Banner voranzuziehen, einen edlen Mann aus Aquitanien namens Gottfried von Rancun getroffen. Als dieser den genannten Berg erstiegen hatte und mit seinem Vortrab auf dem Gipfel desselben angekommen war, zog er, anstatt daß, wie vorher festgesetzt worden war, der Vortrab auf der Höhe des Berges ein Lager schlagen sollte, dieser Verordnung entgegen noch etwas weiter, denn er meinte, das Heer habe an diesem Tag einen allzu kurzen Weg gemacht und man habe noch einen guten Teil des Tages vor sich. Er begann also noch ein Stück Weges weiterzuziehen, und die Pfadfinder, die dem Heer vorangingen, versicherten, daß ein bequemer Lagerplatz in der Nähe sei. Die aber, welche hinterdrein kamen, rückten in der Meinung, die Vorangegangenen werden auf dem Gipfel des Berges ein Lager schlagen, und weil sie ihre Tagereise bald vollendet zu haben glaubten, äußerst langsam hinten nach, so daß ein Teil, während der andere noch am Fuße des Berges verweilte, denselben schon überschritten hatte. Als die feindlichen Scharen, welche aus der Ferne und von der Seite her die Unseren beobachteten, zu welchem Zweck sie ununterbrochen unserem Heer folgten, sahen, daß das Heer voneinander getrennt worden sei, ergriffen sie, stets bereit, wenn es sich schickte, die Unseren zu überfallen, die Gelegenheit, daß das Heer in einem engen Raum und der stärkere und tapferere Teil voran und von den anderen getrennt war und nicht leicht etwas von dem Zustand der nachfolgenden erfahren oder ihnen zu Hilfe kommen konnte, besetzten den Abhang des Berges, um alle Verbindung zwischen beiden Teilen des Heeres zu unterbrechen, fielen dann in geordneten Reihen über die Unseren her und sprengten, ehe diese die Waffen ergreifen konnten, ihre Scharen auseinander. Und diesmal kämpften die Feinde nicht bloß mit Pfeil und Bogen, sondern sie drangen mit den Schwertern auf sie ein und setzten denen, welche die Flucht ergreifen wollten, aufs heftigste zu. Die Unseren aber waren in einem engen Paß, und außerdem wurden sie von ihren Pferden, die von dem langen und schwierigen Weg ermattet waren, und von ihrem vielfachen Gepäck behindert. Nichtsdestoweniger kämpften sie einmütig und kühn für ihr Leben, ihre Freiheit und für ihre Genossen und schwangen, sich gegenseitig durch Wort und Beispiel aufmunternd, mit männlichem Arm ihre Schwerter und Lanzen. Auf der entgegengesetzten Seite ermutigten die Feinde die Ihrigen durch die Hoffnung auf den Sieg und erinnerten sie daran, daß sie wenige Tage vorher ein weit größeres Heer ohne alle Gefahr vernichtet und über weit zahlreichere und weit tapferere Feinde gesiegt haben. Sie kämpften also lange, ohne daß sich der Sieg entschieden auf die eine oder die andere Seite neigte, am Ende aber gewannen die Feinde unserer Sünden halber die Oberhand. Ein großer Teil der Unseren fiel im Kampf, und unzählige wurden gefangen, und von dem ganzen Heer blieb nur ein kleiner Teil übrig. An diesem Tag fielen von den edlen und erlauchten, durch ihre Waffentaten ausgezeichneten erinnerungswürdigen Männern der Graf von Varennes, ein unter den Großen des Heeres ausgezeichneter Held, Galcher von Montjai, Eberhard von Breteuil, Itier von Magnac und noch viele andere, deren Namen, wenn wir sie auch nicht wissen, doch gewiß im Himmel aufgeschrieben sind und deren Andenken für alle Zeiten gesegnet sein wird. An diesem Tag, der den Unseren so viel Unheil brachte, sank der hohe Ruhm der Franken; die Kraft, vor der bis dahin die Heiden gezittert hatten, wurde zunichte und zum Gespött der unreinen Völker, die Gott nicht kennen. Warum doch, gebenedeiter Herr Jesus, hast du es zugelassen, daß das Volk, das dir so treu ergeben ist, deine Fußstapfen küssen und die heiligen Orte, welche du durch deine Gegenwart verherrlicht hast, anbeten wollte, durch die Hand derer, die dich hassen, vernichtet wurde? Ja, deine Ratschlüsse sind verborgen, und niemand ist, der sie erforschen kann. Du allein bist der Herr, der alles kann, und es ist niemand, der deinem Willen zu widerstehen vermag. Unterdessen rettete sich der König fast durch bloßen Zufall aus dieser Gefahr und Verwirrung nach dem Gipfel des genannten benachbarten Berges und kam mit wenigen Begleitern ohne Pfadfinder in der Stille der Nacht im Lager der Seinigen an, das in einiger Entfernung davon lag. Die, welche vorangezogen und dem königlichen Banner gefolgt waren, hatten nämlich den engen Bergpaß ohne Schwierigkeit überschritten und ohne das geringste von dem Unglück, das die anderen getroffen hatte, zu wissen ungestört an einem bequemen Ort ihr Lager geschlagen. Doch ahnten sie, da ihnen die übrigen so lange nicht folgten und der Zug völlig unterbrochen wurde, etwas Schlimmes, und es war ihnen nicht alles nach Wunsch. Als sie nun aber durch die, welche entkommen waren und sich mit dem König ins Lager begeben hatten, von dem ganzen Unglück in Kenntnis gesetzt wurden, da ergriff alle eine große Trauer, und Angst und Besorgnis bemächtigten sich aller Herzen. Und während nun ein jeder den, der seinem Herzen am nächsten lag, mit Weinen und Klagen suchte und zur Vermehrung seines Schmerzes nicht finden konnte, war alles von Jammertönen erfüllt, und es war keine Stelle im Lager, wo nicht Schmerz und Trauer um den Verlust eines Verwandten oder Freundes wohnten. Die einen suchten ihre Väter oder ihre Herrn, andre ihre Söhne, wieder andre ihre Männer, und da sie nicht fanden, was sie suchten, brachten sie die Nacht vor schweren Sorgen schlaflos zu und dachten an alles Schlimme, was ihren abwesenden Verwandten und Freunden zustoßen könnte. Es kamen jedoch in dieser Nacht noch einige Leute beider Klassen, die sich hinter Strauchwerk und Felsen oder in Höhlen verborgen gehalten hatten und auf diesem Wege dem Tod entkommen waren, unter dem Schutz der Finsternis ins Lager zurück, mehr vom Zufall als von ihrer Klugheit dahin geführt. Es geschah dies im Jahr der Menschwerdung des Herrn, elfhundertundsieben-undvierzig, im Monat Januar. Es ging aber an diesem Tag auch das Brot und alle Nahrung im Lager aus, und auch nichts anderes konnten sie sich viele Tage lang verschaffen, und was das Schlimmste war, sie schweiften ohne Führer, der Orte völlig unkundig, haufenweise da und dort in der Irre umher. Endlich aber kamen sie nach Pamphylien und mit großen Schwierigkeiten über steile Berge und durch tiefe Täler, ohne jedoch von den Feinden beunruhigt zu werden, nach Attalia, der Hauptstadt dieses Landes. Die Stadt Attalia liegt am Meeresufer und gehört zum Reich des Kaisers von Konstantinopel. Der Boden der Gegend ist sehr fruchtbar, bringt aber dennoch den Bürgern wenig Nutzen, denn der Feinde wegen, die sie von allen Seiten bedrängen, können sie ihre Felder nicht bebauen und müssen ihre Äcker wüst liegen lassen. Doch hat die Stadt noch manch andere Vorzüge, um derentwillen die Reisenden gern in ihr verweilen. Sie hat sehr klares und gesundes Wasser, eine Menge Obstgärten und ist äußerst anmutig gelegen. Auch hat sie immer großen Vorrat an Früchten, die über das Meer hergebracht werden, und die Durchreisenden können sich hier immer hinlänglich mit Speisen versorgen. Weil sie so nah am feindlichen Gebiet liegt, daß sie die unaufhörliche Beunruhigung von dieser Seite nicht auszuhalten vermochte, so wurde sie den Feinden tributpflichtig und kam auf diese Art mit den Feinden in Handelsverkehr. Die Unseren benennen diese Stadt aus Unkenntnis des Griechischen mit dem verdorbenen Namen Satalia, und so heißt auch jener ganze Meerbusen von dem Vorgebirge Lisidona bis zur Insel Zypern, der den Namen des Attalischen führt, bei uns der Golf von Satalien. Als der König von Frankreich mit den Seinigen hier ankam, führte dieser Zusammenfluß so vieler Menschen einen großen Mangel an Lebensmitteln herbei, und das Überbleibsel des Heeres und hauptsächlich die Armen starben hier beinahe Hungers. Er selbst mit seinen Fürsten aber verließ das Fußvolk, schiffte sich ein und kam, Isaurien und Kilikien links und Zypern rechts liegen lassend, von bestem Wind begünstigt in kurzer Zeit bei der Mündung des Flusses Orontes, der an Antiochien vorbeifließt, im Hafen des heiligen Simeon an, welcher in der Nähe der alten Stadt Seleucia, ungefähr zehn Meilen von Antiochien entfernt liegt.

XXVII. Als nun der Fürst Raimund von Antiochien hörte, daß der König von Frankreich, dessen Ankunft er seit vielen Tagen mit Sehnsucht erwartet hatte, in seinem Gebiete gelandet sei, rief er die Edlen der ganzen Provinz und die Ersten des Volks zusammen, zog ihm mit einem auserlesenen Gefolge entgegen und führte ihn aufs glänzendste unter allen möglichen Zeichen der Ehrerbietung in Antiochien ein, von wo ihm das ganze Volk und die Geistlichkeit entgegenkamen. Der Fürst hatte nämlich schon lange vorher, seit der Zeit, wo ihm der Plan des Königs, ins Morgenland zu kommen, zum ersten Mal bekannt geworden war, den Gedanken gefaßt, mit seiner Hilfe sein Fürstentum zu vergrößern, und ihm deswegen, schon bevor er von Frankreich aufbrach, kostbare und glänzende Geschenke zugesandt, um sich damit seine Gunst zu gewinnen. Er rechnete dabei auch auf die Fürsprache der Königin, welche auf diesem ganzen Pilgerzug die unzertrennliche Gefährtin des Königs war. Die Königin war nämlich die Nichte des Fürsten, die erstgeborene Tochter seines Bruders, des Grafen Wilhelm von Poitou. Er erwies also dem König bei seiner Ankunft jede Art von Aufmerksamkeit, und auch gegen die Edlen und Fürsten, die in seinem Gefolge gekommen waren, ließ er es nicht an Freundschaftsdiensten und an Beweisen seiner Freigebigkeit fehlen. Vielmehr kam er allen, wie es einem jeden zukam, mit Ehrenbezeugungen zuvor und behandelte sie mit verschwenderischer Güte. Er hatte die größte Hoffnung, die Nachbarstädte Haleb und Cäsarea und einige andere mit Hilfe der Streitkräfte des Königs erobern zu können. Und in dieser Hoffnung hätte er sich auch nicht getäuscht, wäre es ihm gelungen, den König mit seinen Großen dazu zu bringen; denn die Ankunft des Königs hatte den Feinden einen solchen Schrecken eingejagt, daß sie nicht nur alles Vertrauen auf ihre Kraft verließ, sondern daß sie auch völlig an ihrer Rettung verzweifelten. Er eröffnete also dem König in Gegenwart seiner und der königlichen Großen seinen längst entworfenen Plan, über den er sich schon mehrmals im Vertrauen mit ihm besprochen hatte, und zeigte, wie leicht sein Wunsch ausführbar und wie das Unternehmen zugleich ehrenvoll und vorteilhaft sei. Als er aber sah, daß er nichts ausrichte, weil der König den unwiderruflichen Vorsatz und den Wunsch, nach Jerusalem zu gehen, gefaßt hatte, so änderte er, in seiner Hoffnung betrogen, von jetzt an seinen Sinn, verwünschte den Beschluß des Königs und begann, ihm Schlingen zu legen und sich gegen ihn zu wappnen. Er faßte nämlich den Vorsatz, dem König entweder mit Gewalt oder mit List seine Frau wegzunehmen, welche ein leichtsinniges Weib war und in den Plan des Fürsten selbst einstimmte. Die Königin war, wie wir eben gesagt haben und wie sie davon früher und später deutliche Proben gab, ein unvorsichtiges Weib, das, ihrer königlichen Würde uneingedenk, wenig Rücksicht auf ihre Frauenehre nahm. Als dies dem König entdeckt wurde, beschleunigte er auf den Rat seiner Großen seine Abreise und zog, um dem Fürsten zuvorzukommen und sein Leben zu retten, heimlich mit den Seinigen aus Antiochien. Auf diese Art also hatte sich die Farbe geändert, der Ausgang war so ganz anders, als es der Anfang verheißen hatte. Unrühmlich mußte der König, der mit soviel Glanz empfangen worden war, die Stadt verlassen. Manche rechnen diesmal dem König große Bosheit an und sagen, es sei ihm Recht geschehen, weil er den Bitten eines solchen Mannes, der sich um ihn und die Seinigen so viele Verdienste erworben hatte, kein Gehör geschenkt habe, und sie sind um so schlechter auf den König zu sprechen, als sie versichern, es wäre ihm, wenn er einige Mühe hätte aufwenden wollen, ein Leichtes gewesen, eine oder mehrere der genannten Städte zu erobern.

XXVIII. Indessen kam der Kaiser, nachdem er den Winter in Konstantinopel zugebracht und dort, wie es seiner Würde zukam, aufs zuvorkommendste behandelt und bei seinem Abgang mit reichen Geschenken überhäuft worden war, auf einer Flotte, die ihm die kaiserliche Freigebigkeit zur Verfügung stellte, mit einigen seiner Fürsten wieder nach dem Orient und landete bei Akkon. Von hier reiste er nach Jerusalem, wo er von König Balduin und dem Patriarchen Fulcher nach der Heiligen Stadt geführt wurde, aus der ihnen der ganze Klerus und das Volk unter geistlichen Liedern und Gesängen entgegenkamen. In diesen Tagen landete im Hafen von Akkon auch der herrliche und vortreffliche Graf Anfossus von Toulouse, der Sohn des Grafen Raimund des Älteren, der sich beim ersten Kreuzzug so groß gezeigt und sich so große Verdienste erworben hatte. Als der Graf, der zwar durch sich selbst ausgezeichnet, doch durch die Erinnerung an seinen Vater seinen größten Glanz erhielt, von hier nach Jerusalem reiste, um dem Herrn für die glücklich vollbrachte Pilgerreise zu danken, wurde er auf der Reise in der Seestadt Cäsarea, wenige Tage nachdem er gelandet war, man weiß nicht von wem, vergiftet. Dieser herrliche Mann war vom ganzen Volk mit Sehnsucht erwartet worden, denn man hoffte, sein Name werde dem Königreich Glück und Segen bringen.

XXIX. Unterdessen kam die Nachricht nach Jerusalem, der König von Frankreich habe Antiochien verlassen und sich Tripolis zugewendet. Man schickte ihm nun, nach einem gemeinschaftlichen Beschluß der Fürsten, den Patriarchen Fulcher von Jerusalem entgegen, der ihn durch seinen heilsamen Zuspruch bestimmen sollte, ins Königreich zu kommen. Sie fürchteten nämlich, er möchte vom Fürsten, wenn er sich vielleicht mit diesem wieder aussöhne, oder vom Grafen von Tripolis, seinem Vetter, sich auf seiner Reise nach Jerusalem, wo er sehnlichst erwartet wurde, aufhalten lassen. Das Land der Lateiner im Orient bestand nämlich aus vier Fürstentümern. Das erste, gegen Mittag, war das Königreich Jerusalem, das von dem Bach, der zwischen den phönizischen Seestädten Biblius und Berythus fließt, bis an die Wüste reicht, die jenseits von Darun gegen Ägypten hinsieht. Das zweite, gegen Mitternacht, war die Grafschaft Tripolis, die an dem genannten Bach ihren Anfang nahm und an dem Bach zwischen den Seestädten Maraklea und Valenia endigte; das dritte, das Fürstentum Antiochien, das sich von diesem Bach an bis nach Tarsus in Kilikien abendwärts erstreckte; das vierte, die Grafschaft Edessa, die sich von dem Wald, der Marrim genannt wird, bis über den Euphrat gegen Morgen hin ausdehnt. Diese großen und mächtigen Fürsten hatten alle von Anfang an die Hoffnung gefaßt, mit Hilfe der genannten Könige, deren Ankunft erwartet wurde, ihr Gebiet erweitern und ihre Grenzen ins Unermeßliche hinausrücken zu können. Sie hatten nämlich alle wilde Feinde und ihnen verhaßte Städte zu nächsten Nachbarn, die sie unter ihre Herrschaft zu bringen wünschten. So war also jeder von ihnen wegen seiner eigenen Angelegenheiten und wegen des Wachstums seines Gebiets aufs eifrigste besorgt, die Könige durch Boten und Geschenke zu sich einzuladen und den übrigen zuvorzukommen. Unter diesen hatten der König und die im Königreich die größte Hoffnung, teils weil in ihrem Gebiet die geweihten Orte lagen, von denen alle am meisten angezogen wurden, teils weil sie den Kaiser bei sich hatten und weil es sehr glaublich war, daß sich der König von Frankreich ebendahin begeben werde, teils um hier sein Gebet als Pilger zu verrichten, teils um gemeinschaftlich mit den anderen ein Werk zum Wachstum der Christenheit zu unternehmen. Es wurde also, wie wir schon gesagt haben, der Patriarch an den König abgeschickt, denn sie fürchteten, er möchte vom Fürsten von Antiochien, der sein Verwandter war und in einem näheren Verhältnis zu ihm stand, hauptsächlich auch auf die Fürsprache der Königin hin in der Gegend von Haleb zurückgehalten werden, was auch höchst wahrscheinlich schien. Als sie aber erfuhren, daß sie nicht in Freundschaft voneinander geschieden waren, schöpften sie größere Hoffnung, daß er ohne Säumen von da nach Jerusalem kommen werde. Um aber irgendeinem Mißgeschick, das sich ereignen könnte, zuvorzukommen und weil es immer klug ist, sich vor dem, was sich ereignen kann, zu hüten, schickten sie ihm den genannten ehrwürdigen Mann, den Patriarchen, entgegen, damit dieser ihn zur Reise nach Jerusalem bewegen sollte, und sie täuschten sich auch in ihrer Hoffnung nicht, denn der König folgte seiner Aufforderung und kam ungesäumt nach Jerusalem. Als er hier ankam, gingen ihm der ganze Klerus und das Volk entgegen, empfingen ihn und seine Fürsten aufs ehrenvollste mit Hymnen und geistlichen Liedern und führten ihn mit großem Glanz in die Stadt und nach den heiligen Orten. Nachdem er nun seine üblichen Gebete verrichtet hatte, wurde eine allgemeine Versammlung bei der Stadt Akkon angesagt, um hier über die Folgen eines solchen Pilgerzugs, über die Beendigung so vieler Beschwerden und über die wünschenswerte Erweiterung des Königreichs zu verhandeln. Am festgesetzten Tag endlich kamen sie an den bestimmten Ort und begannen sich hier mit den Großen unseres Königreichs, die eine größere Kenntnis der Umstände und der Orte hatten, ausführlich darüber zu beraten, was am geratensten zu tun sei.

 

 

 

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