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Neuntes Buch

Acht Tage nach Eroberung der Stadt schreiten die Fürsten zur Königswahl. Einige vom Klerus wollen Einspruch dagegen erheben. (Kap. 1.) Herzog Gottfried wird zum König gewählt. (Kap. 2.) Sein Streit mit dem Grafen von Toulouse, der sich anfangs weigert, ihm die Burg zu übergeben. (Kap. 3.) Der Bischof von Martura will einen gewissen Arnulf auf den Patriarchenstuhl setzen. Auffindung des Heiligen Kreuzes. (Kap. 4.) Lebensbeschreibung Herzog Gottfrieds bis zu seiner Erhebung auf den Thron (Kap. 5-10.) Der ägyptische Kalif sendet ein ungeheures Heer nach Syrien. (Kap. 10.) Der Herzog zieht ihm entgegen und schlägt es. (Kap. 11. 12.) Die Grafen von Flandern und der Normandie ziehen wieder nach Hause, der Graf von Toulouse reist nach Konstantinopel. Tankred erhält Tiberias zum erblichen Besitz. (Kap. 13.) Boemund von Antiochien und Balduin von Edessa feiern das Weihnachtsfest in Jerusalem. (Kap. 14.) Daimbert wird Patriarch von Jerusalem. (Kap. 15.) Streitigkeiten zwischen Herzog Gottfried und dem Patriarchen. (Kap. 16-19.) Damaliger Zustand des Königreichs. Belagerung von Arsur. (Kap. 19.) Merkwürdige Äußerung des Herzogs bei dieser Belagerung. (Kap. 20.) Boemund gerät bei Meletenia in Gefangenschaft. (Kap. 21.) Der Herzog gibt in Arabien einem Fürsten einen bewundernswürdigen Beweis seiner Stärke. (Kap. 22.) Tod und Begräbnis des Herzogs. (Kap. 23.)

    I. Nachdem nun die Heilige Stadt durch die reiche Gnade Gottes wieder in die Gewalt des christlichen Volkes gekommen und die Ruhe in etwas hergestellt war, traten die Fürsten nach sieben Tagen, die man in großer Freude, jedoch dabei in aller Gottesfurcht zugebracht hatte, unter sich zusammen, um einen aus ihrer Mitte zum Vorsteher des Landes und zum König zu wählen, wobei sie den Beistand des Heiligen Geistes anriefen, daß dieser ihren Sinn lenken möge. Während sie nun damit beschäftigt waren, scharten sich einige aus dem Klerus zusammen, aufgeblasene Menschen, denen nicht die Sache Jesu Christi, sondern ihre eigene am Herzen lag, und sagten, sie haben den Fürsten, die sich zusammen verschlossen hatten, einiges im geheimen zu eröffnen. Als man sie eingelassen hatte, sprachen sie: "Der Klerus hat vernommen, daß Ihr darum zusammengekommen seid, um einen von Euch zum König zu wählen. Dieser Euer Vorsatz scheint uns ein guter und heiliger zu sein, der mit der größten Umsicht ausgeführt zu werden verdient, wenn anders dabei von Euch auf die gehörige Ordnung Obacht gegeben wird. Unstreitig steht das Geistliche über dem Weltlichen. Das Würdigste muß aber immer auch den Vortritt haben. Wollt ihr also nicht absichtlich nach einer verkehrten Ordnung handeln, so muß, wie wir glauben, zuerst eine Gott wohlgefällige und fromme Person, die der Kirche Gottes vorzustehen und ihr nützlich zu sein weiß, ausgesucht werden, ehe es sich um die Wahl der weltlichen Gewalt handeln kann. Wollt Ihr diese Ordnung befolgen, so sind wir ganz damit zufrieden und halten mit Leib und Seele zu Euch; wollt Ihr aber nicht, so erklären wir alles, was Ihr gegen unsere Übereinstimmung anordnet, für nichtig und kraftlos." Diese Forderung nun, obgleich sie oberflächlich angesehen ganz ehrenhaft erschien, hatte doch, wie man aus dem Folgenden sehen wird, die boshafteste Absicht. An der Spitze dieser Partei stand ein gewisser Bischof aus Martura in Kalabrien, der mit jenem Arnulf, von welchem schon oben die Rede war, im innigsten Verhältnis lebte und ihm, welcher der Sohn eines Priesters war und im Heer durch seine Ausschweifungen so bekannt, daß er leichtsinnigen Gesellen, wenn sie im Chor sangen, den Stoff zu ihren Spottliedern gab, zum geistlichen Stand verhalf und ihn den heiligen kanonischen Beschlüssen und dem Wunsch aller Ehrenmänner zuwider auf den Patriarchenstuhl zu erheben suchte. Er war nämlich ein ganz verkehrter Mensch, dem die Ehre für nichts galt, weswegen er auch mit dem eben genannten Arnulf sich leicht befreunden konnte, denn ein jeder hat ja gern seinesgleichen um sich, und das Sprichwort sagt: "Gleich und gleich gesellt sich gern." Es hatte dieser Mensch bereits von der Kirche zu Bethlehem Besitz ergriffen und sich mit Arnulf dahin verabredet, daß Arnulf, wenn es des Bischofs Bemühungen gelinge, ihn auf den Patriarchenstuhl zu erheben, ihm den immerwährenden Besitz der genannten Kirche bestätigen mußte. Aber alle diese Pläne vereitelte der Tod, wie im folgenden erzählt werden wird. Es hatte in der Tat seit dem Tod des Bischofs Adhémar von Puy, welcher den Zug als Legat des Apostolischen Stuhls begleitet hatte, die Frömmigkeit und Ehrbarkeit unter dem Klerus nachgelassen, und die Geistlichen gingen da und dort auf unerlaubten Wegen. Nach dem Abscheiden des genannten seligen Mannes hatte zwar Bischof Wilhelm von Orange, ein frommer und gottesfürchtiger Mann, das Amt von diesem übernommen, und er besorgte es, so lange er lebte, aufs treulichste, aber nach kurzer Zeit entschlief er bei Maarah im Herrn. Nach dem Tod dieser Männer ging es, wie es im Propheten heißt: "Wie das Volk, so auch der Priester," und nur der Bischof von Albara und einige wenige andere hatten noch die Furcht Gottes vor Augen.

    II. Die Fürsten nun bekümmerten sich wenig um das, was die Vorgenannten gesprochen hatten, und fuhren fort, sich über ihr Vorhaben zu beraten. Einige sagen, um bei der Wahl ganz nach Gottes Willen und nach dem Verdienst der Personen verfahren zu können, haben sie Leute aus der Umgebung eines jeden der großen Fürsten durch einen Eid verpflichtet, ihnen wahr und ohne alles Falsch über den Charakter und die Lebensweise ihrer Herrn Zeugnisse abzulegen. Sie taten dies aber darum, daß die Wähler desto besser und genauer über die Verdienste derer, aus denen man einen zum König wählen wollte, unterrichtet wären. Als die Wähler nachher diese Leute auf ihren Eid hin aufs genaueste um den Charakter ihrer Herrn befragten, mußten diese im geheimen ebenso ihre Fehler bekennen, als auch ihre guten Eigenschaften aufzählen, so daß man ein ganz bestimmtes Urteil über jeden der zu Wählenden hatte. Als man die Diener des Herzogs nach ihrem Herrn fragte, antworteten sie, daß ihnen das allein an ihm nicht gefalle, daß er, wenn er in die Kirche gehe, sich auch nach dem Gottesdienst noch nicht von ihr trennen könne, sondern vielmehr von den Priestern und anderen Unterrichteten über jedes einzelne Bild und über jedes Gemälde sich Auskunft geben lasse, was ihnen, die nicht dieselbe Liebhaberei haben, unangenehm und widerwärtig sei; auch komme man bei diesem langen Warten niemals zu rechter Zeit an das Essen, und dieses, das für eine bestimmte Zeit gerichtet sei, werde dadurch unschmackhaft. Als die, welchen das Wahlamt aufgetragen war, dies hörten, priesen sie den Mann darum glücklich, daß ihm zum Fehler angerechnet werde, wessen sich andere rühmen würden, und nach vielen Beratungen wählten sie endlich alle einmütig den Herzog zum König und führten ihn dann unter festlichen Gesängen mit größter Ergebenheit zum Grab des Herrn. Man sagt jedoch, daß die meisten für den Grafen Raimund von Toulouse gewesen seien, dessen Diener aber, welche dachten, er werde sogleich nach Hause zurückkehren, wenn die Wahl nicht auf ihn falle, haben, weil sie gern in die Heimat zurückgekehrt wären, gegen ihr Gewissen vieles zum Nachteil des Grafen erdichtet. Dieser blieb aber dennoch bei der Nachfolge Christi und ging nicht nach Hause zurück, sondern setzte die Pilgerschaft, die er einmal angetreten hatte, und die freiwillige Armut bis zu seinem Ende fort, wohl wissend, daß, "wer bis ans Ende beharrt, selig wird," und eingedenk des Ausspruchs des Herrn: "Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes."

    III. Als nun der Herzog mit allgemeiner Übereinstimmung den Thron erlangt hatte, behielt der Graf von Saint-Gilles und Toulouse die Davidsburg, die ihm, wie wir schon erzählt haben, gleich anfangs die Feinde übergeben hatten, noch immer in seiner Gewalt. Sie war auf einem der höchsten Teile der Stadt gelegen, gegen Abend, und aus ungeheuren Quadersteinen erbaut, so daß man von hier aus die ganze Stadt übersehen konnte. Da der Herzog sah, daß er in seiner Herrschaft verkürzt sei, wenn ihm diese Burg fehle, die der letzte Zufluchtsort der ganzen Stadt war, so forderte er sie in der Versammlung der Fürsten vom Grafen zurück. Der Graf aber berief sich darauf, daß sie ihm von den Feinden übergeben worden sei, und wollte die Burg bis Ostern, wo er sich zurückzukehren vorgenommen hatte, für sich behalten, um unterdessen mit den Seinigen ehrenvoller im Königreich zu wohnen. Der Herzog jedoch sagte, wenn er den Turm nicht bekomme, so wolle er alles verlassen, denn es sei unschicklich, daß ein anderer, den er auf diese Art sich gleich oder über sich sehen müsse, die Burg innehabe, während er zum Herrn der Stadt erwählt worden sei. Der Graf von der Normandie und der Graf von Flandern waren auf Seiten des Herzogs; die aber, welche im Gefolge des Grafen waren, schlugen sich auf die andere Seite, um ihren Herrn wenigstens auf diesem Wege zur Abreise zu veranlassen. Er übergab nun den Turm in die Hand des Bischofs von Albara, der die Rolle eines Vermittlers zwischen ihnen übernehmen sollte, bis entschieden wäre, wer nachgeben müßte. Dieser aber soll die Entscheidung des Urteils nicht abgewartet, sondern noch vorher die Burg dem Herzog übergeben haben, und da ihm dies später von einigen aufgerechnet wurde, versicherte er öffentlich, er sei dazu gezwungen worden. Der Graf geriet deswegen in großen Zorn und war sehr entrüstet darüber, daß er den Turm so schmählich, wie es ihm vorkam, verloren hatte, und daß die übrigen Fürsten uneingedenk all der Gefälligkeiten, die er ihnen öfters auf dem Weg erzeigt hatte, sich so unfreundschaftlich gegen ihn erwiesen. Er brach deswegen sogleich auf, ging an den Jordan hinab, um sich in seinem Wasser zu baden, und richtete dann dem Wunsche der Seinigen gemäß alles zur Rückkehr.

    IV. Der vorgenannte Bischof von Martura aber, dieser schlechte und hinterlistige Mann, hörte unterdessen nicht auf, das unwissende Volk gegen den frommen Fürsten aufzureizen und auszubreiten, daß die Fürsten aus Neid der Kirche keinen Vorsteher geben wollten, um diese, wenn sie ohne einen Hirten sei, desto willkürlicher mißhandeln zu können. Er erwählte also mit denen von seiner Partei gegen den Willen anderer den vorgenannten Arnulf und setzte ihn im Vertrauen auf den Beistand des Grafen von der Normandie, mit dem er bisher sehr vertraut gelebt hatte und noch lebte, auf den Patriarchenstuhl, und das törichte Volk gab seine Beistimmung dazu. Aber keiner von beiden freute sich seiner Herrschaft lange. Arnulf wurde gezwungen, die Würde, die er sich so vermessen beigelegt hatte, wieder abzutreten, und auch der unverschämte Patron der Schlechtigkeit Arnulfs erntete in kurzem die Frucht seiner gottlosen Wege. Um dieselbe Zeit wurde in einem Teil der heiligen Kirche zur Auferstehung ein einzelnes Stück vom Kreuz des Herrn gefunden, welches die Gläubigen aus Furcht vor den Heiden, unter deren Joch sie waren, zu größerer Sicherheit hier verborgen hatten. Sie hatten die Sache nur wenigen mitgeteilt, unter anderen einem gewissen Syrer, durch dessen Bemühungen es jetzt wieder gefunden wurde. Sie legten es nun in einen silbernen Behälter und trugen es unter Lobliedern und geistlichen Gesängen, begleitet vom ganzen Klerus und dem Volk, zuerst nach dem Heiligen Grab, dann nach dem Tempel des Herrn. Sie nahmen diesen Fund als eine Tröstung, die ihnen vom Himmel geschickt worden war, und sahen ihn für eine würdige Belohnung ihrer Mühen und Drangsale an.

    V. Als nun der oft genannte Herzog durch die Gnade Gottes auf den Thron des Königreichs gelangt und alles Ärgernis, wenn sich einiges erhoben hatte, beiseite geschafft war, fing das Reich unter ihm stark und kräftig zu werden an. Er regierte aber nur ein Jahr, denn das Volk verdiente es seiner Sünden halber nicht, daß die neue Pflanzung durch die Fürsorge eines so trefflichen Fürsten gepflegt und gegen alle Bedrängnisse beschützt wurde. Er wurde von hinnen genommen, damit die Bosheit nicht sein Herz verderbe, wie geschrieben steht: "Der Gerechte ist umgekommen, und niemand ist da, der es zu Herzen nimmt." Er stammte von erlauchten und frommen Eltern aus dem Reich der Franken, aus der Provinz Reims und aus der Stadt Boulogne, die am englischen Meer gelegen ist. Sein Vater war nämlich Eustachius der Ältere, der herrliche und berühmte Graf dieses Landes, der viel Merkwürdiges in seinem Leben ausführte, was im Andenken der alten Leute der Gegend noch fortlebt, die seiner als eines frommen und gottesfürchtigen Mannes segnend gedenken. Seine Mutter aber, die unter den edlen Frauen des Abendlandes sowohl durch ihre Sitten als durch ihre hohe Abkunft hervorleuchtete, war Ida, die Schwester von dem ausgezeichneten Herzog Gottfried von Lothringen, der den Beinamen "mit dem Bühel" führte. Dieser nahm später, da er keine Kinder hatte, seinen Neffen, der den gleichen Namen mit ihm führte, an Sohnesstatt an und setzte ihn zum Erben aller seiner Besitzungen ein, weswegen dieser nach seinem Tod ihm im Herzogtum nachfolgte. Er hatte drei leibliche Brüder, die durch ihre ausgezeichneten Eigenschaften und durch ihren würdigen Charakter der Brüderschaft mit diesem Fürsten wert waren. Der erste war Graf Balduin von Edessa, der sein Nachfolger auf dem königlichen Thron wurde, der zweite Graf Eustachius von Boulogne, der den Namen seines Vaters führte und diesem in der Grafschaft nachfolgte und dessen Tochter Mathilde der herrliche und erlauchte König Stephan von England zur Frau nahm. Als sein Bruder Balduin ohne Kinder zu hinterlassen mit Tod abging, riefen ihn die morgenländischen Fürsten zur Nachfolge herbei, aber er wollte nicht kommen, denn er fürchtete, diese seine Erhebung möchte Streit veranlassen. Der Dritte war Wilhelm, ein angesehener Mann, der von der Ehrenhaftigkeit und Tapferkeit seines Vaters und seiner Brüder keine Ausnahme machte. Die zwei ersteren folgten ihrem Herrn und Bruder auf dem Kreuzzug, der dritte blieb zu Hause. Gottfried war aber, wie seiner Geburt so auch dem inneren Menschen nach der Erstgeborene, der das Vorrecht des trefflichsten Charakters hatte und dem in allem mit Recht der Preis zuteil wurde, denn er hatte Ehrfurcht vor dem Heiligen, war mild, fromm und gottesfürchtig, gerecht, alles Böse meidend, hielt sein Wort fest und treu und verachtete die Eitelkeiten der Welt, was bei einem Mann in diesem Alter und besonders bei einem aus dem Kriegerstand etwas Seltenes ist. Er war stets munter zum Gebet und unermüdet in den Werken der Frömmigkeit, freigebig, von liebenswürdiger Menschenfreundlichkeit, sanft und mitleidig. Alles was er tat, war löblich und Gott wohlgefällig. Von Gestalt war er groß, so daß er kleiner war als die Größten und größer als die von mittelmäßiger Höhe. Seine Körperkraft war beispiellos, die Glieder stark, die Brust männlich, das Antlitz schön, Bart und Haare beinahe blond. Im Gebrauch der Waffen und in allen kriegerischen Übungen war er nach dem Urteil aller unvergleichlich.

    VI. Die Mutter dieser großen Fürsten, eine heilige, fromme und Gott wohlgefällige Frau, sah, als ihre Kinder noch in sehr zartem Alter waren, von göttlichem Geist erfüllt ihre Zukunft vorher und weissagte, was aus ihnen dereinst werden würde. Als nämlich die Knaben einmal nach Kinderart um die Mutter herumspielten und sich neckend oft nach dem Schoße der Mutter ihre Zuflucht nahmen, traf es sich, daß ihr Vater, der ehrwürdige Graf Eustachius, eintrat, als sie sich gerade unter dem Mantel der Mutter verborgen hatten. Als sie sich nun unter dem Mantel der Mutter zu necken fortfuhren, wobei sie ihre Hände und Füße in Bewegung setzten, und der Graf fragte, was sich denn unter ihrem Mantel bewege, soll sie geantwortet haben: "Es sind drei große Fürsten, von denen der erste Herzog, der zweite König, der dritte Graf werden wird. Diese Prophezeiung hat sich denn auch später durch die Gnade Gottes erfüllt, und der Erfolg hat erwiesen, daß die Mutter Wahres vorhergesagt hat, denn der erste von ihnen, Gottfried, folgte, wie schon gesagt worden ist, seinem Oheim im Herzogtum nach und erlangte nachher durch die Wahl der gesamten Fürsten den Thron von Jerusalem, auf welchem der zweitgeborene, Balduin, sein Nachfolger wurde. Der Dritte, Eustachius, wurde nach dem Tod des Vaters der Gesamterbe und kam in den Besitz der ganzen großväterlichen Grafschaft. Die Fabel von dem Schwan und der übernatürlichen Abkunft der Brüder übergehen wir mit Absicht, obgleich viele die Wahrheit dieser Sage behaupten, indem uns die Sache allzu unwahrscheinlich vorkommt. Wir lassen das also beiseite und wenden uns wieder zu dem weiteren Bericht vom Leben und den Taten des Herzogs, unter denen eine vor den übrigen so hervorleuchtet und so denkwürdig ist, daß wir es der Mühe wert halten, sie dieser Erzählung einzuflechten.

    VII. Bei einem Zweikampf nämlich, dem er sich nur sehr ungern unterzog, welchem er aber doch nach der Sitte des Landes ohne seine Ehre zu verlieren nicht ausweichen konnte, zeichnete er sich auf eine ganz merkwürdige Weise aus. Der treffliche Mann kam am Hof des Kaisers mit einem edlen und mächtigen Mann, der zu der Zahl der Fürsten gehörte und mit ihm verwandt gewesen sein soll, einiger bedeutenden Grundstücke und einer großen Besitzung wegen in Streitigkeiten. Nachdem man beiden Teilen einen Tag festgesetzt hatte, an welchem sie ihr Recht erweisen sollten, stellten sie sich, sowohl der Kläger als der Beklagte, bei Hofe ein. Als hier nach feierlicher Eröffnung des Prozesses der genannte edle Mann seine Eigentumsklage anstellte, der Herzog aber ihr aus Kräften widersprach, so mußte nach den Landesgesetzen auf Zweikampf erkannt werden. Die größeren Fürsten des Landes gaben sich alle Mühe, daß so ausgezeichnete Männer sich nicht dem Volk auf eine unwürdige Art zur Schau stellen und sich einem Kampf unterwerfen, in welchem die Ehre des einen von beiden zugrunde gerichtet werden mußte, aber ihre Ermahnungen fruchteten nichts. Der kaiserliche Urteilsspruch wurde vollzogen, und die Kämpfer betraten den Kampfplatz, der rings vom Volk und von den Fürsten nach hergebrachter Art umstellt war, um ihr Glück zu versuchen. Als nun die hohen und erlauchten Männer männlich und tapfer miteinander fochten, traf es sich, daß dem Herzog, als er nach dem Schild seines Gegners einen Hieb führte, sein Schwert zerbrach, so daß nur noch ein Stück von kaum einem halben Fuß über dem Griff in seiner Hand blieb. Als die umstehenden Fürsten sahen, daß sich die Lage des Herzogs so verschlimmert hatte, geboten sie einen Waffenstillstand und baten den Kaiser dringend, er möchte zugeben, daß man die trefflichen Fürsten auf gütlichem Wege miteinander zu vergleichen suche. Der Herzog wies aber diese Anerbietungen zum Frieden streng zurück. Er blieb unwiderruflich bei seinem Vorsatz und begann den Kampf von neuem. Sein Gegner, der sich, weil sein Schwert noch ganz war, dem Herzog übermächtig fühlte, drang ungestüm auf ihn ein und ließ ihm keine Ruhe, bis dieser mit seiner gewohnten Tapferkeit, mit welcher er einzig dastand, im Zorn den Griff seines Schwertes nahm und seinen Gegner damit so gewaltig in die linke Schläfe schlug, daß dieser halbtot zu Boden fiel. Als dieser nun ganz leblos dalag, warf der Herzog den Stumpf seines Schwertes weg, nahm das Schwert des darniedergestreckten Feindes und rief die Fürsten herbei, die ihn früher um einen Vergleich gebeten hatten, und drang nun aufs inständigste in sie, sie sollten den Frieden vermitteln und den ausgezeichneten Mann, der unterlegen war, einem so schmachvollen Tod entziehen. Diese bewunderten die ausgezeichnete Tugend des Herzogs und die unvergleichliche Barmherzigkeit, die er ausübte, wirkten einen Frieden aus und machten der Streitigkeit ein ehrenvolles Ende, wobei jedoch der Herzog bei allen als der Sieger galt und überall als ein Mann gerühmt wurde, der unsterblichen Ruhmes würdig sei.

    VIII. Auch noch eine andere Tat, die bei vielen noch im Gedächtnis lebt und ihm nicht geringeren Ruhm brachte, haben wir für würdig erachtet, im vorliegenden Werk einzureihen. Das Volk der Sachsen, das unter den deutschen Herkunftsländern das wildeste ist, war von Kaiser Heinrich abgefallen, weil es das Joch des Römischen Reiches nicht tragen und ohne Gesetz und Ordnung frei nach seinem Gefallen leben wollte. Es widersetzte sich ihm so hartnäckig, daß es einen gewissen Grafen namens Rudolf, einen edlen Mann aus demselben Stamm, zum Gegenkönig wählte. Auf dieses hin ließ der Kaiser alle Fürsten es Reichs zu sich entbieten, setzte ihnen ausführlich auseinander, wie sehr er von den Sachsen beleidigt worden sei, was ihnen indessen schon bekannt war, und forderte sie auf, ihn zu rächen. Diese, im Eifer für den Ruhm des Reiches und in der Entrüstung über das schwere Vergehen der Sachsen, boten sich ihm um die Wette zum Beistand an und versprachen ihm Streitkräfte, denn, sagten sie, eine solche Beleidigung des römischen Kaisers könne man nicht übersehen, sondern ein so schweres Vergehen müsse mit dem Tod bestraft werden. Sie beschlossen also, das Verbrechen der beleidigten Majestät mit dem Schwert zu ahnden und versammelten sich an dem festgesetzten Tag der Verabredung und dem Befehl des Kaisers gemäß aus allen Gegenden des Reichs, sowohl weltliche als Kirchenfürsten, in einer Anzahl von vielen Tausenden, um in das Sachsenland einzubrechen und das große Vergehen von diesen zu rächen. Da nun der Tag der Schlacht gekommen und das Heer in Ordnung gestellt war und beide Teile bereitstunden, das Treffen zu eröffnen, rief der Kaiser die Fürsten herbei und fragte sie, wem er wohl mit Sicherheit das Reichsbanner anvertrauen und den Oberbefehl über ein so großes Heer übergeben könnte. Auf diese Frage erhielt er von allen die Antwort, dazu sei der Herzog Gottfried von Lothringen unter allen bei weitem der passendste. Da nun dieser von so vielen Tausenden dazu auserwählt und von ihnen allen für einen ausgezeichneten Mann erklärt worden war, übergab ihm der Kaiser den Adler, so sehr er sich gegen diese Ehre sträubte. Es traf sich aber an diesem Tag, daß der Herzog, während von beiden Seiten aufs feindlichste gekämpft wurde, mit dem Adler dem Kaiser voranziehend sich mit der Schar, die der Kaiser befehligte, nach dem Teil des feindlichen Heeres zuwandte, welchen der Gegenkönig Rudolf anführte. Als er hier angekommen war, sprengte er die Reihen des Königs auseinander und stieß im Angesicht des Kaisers und einiger Fürsten das Banner, das er trug, dem König mitten durch die Brust, so daß dieser tot zur Erde niederfiel. Dann erhob er die Fahne wieder, die ganz mit Blut bedeckt war. Als die Sachsen sahen, daß ihr König unterlegen sei, schwand ihnen der Mut, und sie übergaben sich dem Kaiser, der ihnen, nachdem sie ihm gehörige Genugtuung gegeben, ihre festen Plätze ausgeliefert und Geiseln gestellt hatten, durch die er Sicherheit haben sollte, daß sie nie wieder etwas ähnliches versuchen würden, für das Vorgefallene Verzeihung gewährte. Wir haben diese Erzählung darum hier eingeflochten, um zu zeigen, in welchem Ansehen der herrliche Mann, von dem wir reden, bei den höchsten Fürsten der Welt stand, denn es wird niemand bezweifeln, daß es viel heißt, wenn einer von solchen Fürsten, die ihresgleichen nicht in der Welt haben sollen, allgemein als der erste bezeichnet wird, und dies um so mehr, da er ihr Urteil durch eine so ausgezeichnete Tat bestätigte und durch das eben Erzählte den Beweis gab, daß sie richtig über ihn geurteilt hatten. Der herrliche Mann hat auch noch viele andere große und bewundernswürdige Taten vollbracht, welche noch jetzt im Mund vieler sind und hochgepriesen werden. Unter anderem schenkte er auch, als er den Vorsatz zum Kreuzzug schon gefaßt hatte, das Schloß Bouillon - von welchem er den Beinamen führte -, das durch seine Lage, seine Festigkeit, die trefflichen Felder, die dazugehörten, wie durch andere Vorteile und durch sein weithin sich ausbreitendes Gebiet sehr berühmt war, mit frommer Freigebigkeit der Kirche von Lüttich zum immerwährenden Besitz. Da wir aber bloß die Taten von ihm beschreiben wollen, die er bei uns vollbracht hat, so kehren wir zu unserem Vorhaben zurück.

    IX. Nachdem er den Thron bestiegen hatte, war er, nachdem er ein frommer Mann war, nach wenigen Tagen sogleich auf das bedacht, was zur Ausschmückung des Hauses Gottes gehörte, und brachte so die Erstlinge seiner Bemühungen dem Herrn dar. Er stellte sofort in der Kirche zum Heiligen Grab und zum Tempel des Herrn Kanoniker auf und wies ihnen reiche Einkünfte an, die man Präbenden nennt, wie auch würdige Wohnungen in der Nähe der genannten gottgeliebten Kirche. Er beachtete dabei die Ordnung der großen Kirchen, die von frommen Fürsten jenseits der Alpen gegründet worden waren, und hätte ihn nicht der Tod übereilt, so würde er noch Weiteres dafür getan haben. Der genannte gottgeliebte Mann hatte auch, als er den Kreuzzug antrat, aus Klöstern, in welchen eine gute Zucht herrschte, fromme Mönche, die sich durch ihren heiligen Lebenswandel auszeichneten, zu sich genommen und sich von ihnen auf der ganzen Reise bei Tag und Nacht den gebräuchlichen Gottesdienst halten lassen. Nachdem er auf den Thron erhoben worden war, wies er ihnen, ihrem Wunsche gemäß, ihren ferneren Aufenthalt im Tal Josaphat an und begabte den Ort um ihretwillen mit reichen Besitzungen. Es wäre aber zu weitläufig, ausführlich aufzuzählen, was und wie vieles er mit frommer Freigebigkeit den Kirchen Gottes schenkte. Wenn man den Inhalt der Privilegien, welche die Kirchen erhielten, der Reihe nach durchgeht, so kann man sehen, wie vieles der gotterfüllte Mann zum Heil seiner Seele an die verehrungswürdigen Orte abtrat. Nach seiner Erhöhung zum König aber wollte er aus Demut keine goldene Königskrone tragen, denn seine Verehrung galt der Krone, welche der Erlöser des Menschengeschlechtes an derselben Stelle unseres Heiles wegen aus Dornen geflochten bis zu seinem Tod am Kreuz getragen hatte, und er begehrte keiner anderen. Daher wollen einige, welche das Verdienst nicht gehörig zu schätzen wissen, ihn nicht in die Reihe der Könige stellen, womit sie zeigen, daß sie mehr auf das Äußerliche Rücksicht nehmen, als auf die Verdienste eines gläubigen und Gott wohlgefälligen Innern. Wir aber glauben, daß er nicht nur ein König gewesen sei, sondern auch der beste der Könige, das Licht und der Spiegel aller übrigen. Wenn er die Krone zurückwies, so tat es der gläubige Fürst nicht darum, weil er die kirchliche Weihe seiner Würde verachtet hätte, sondern er verschmähte die Pracht de Welt und die Eitelkeit, der alle Kreatur unterworfen ist, und wies demütig die vergängliche Krone zurück, um an einem anderen Ort eine unvergängliche zu erhalten.

    X. Um dieselbe Zeit, kurz nach Eroberung der Stadt, solange die Fürsten, welche sie dem Dienst Gottes zurückgegeben hatten, noch alle beisammen waren, verbreitete sich das Gerücht, und es war auch wirklich so, der Fürst von Ägypten, der unter allen morgenländischen Herrschern der mächtigste war, habe aus allen Ländern, die ihm unterworfen waren, Streitkräfte zusammengerufen und ein unermeßliches Heer gesammelt, weil er es nicht ertragen könne, daß ein barbarisches Volk, das aus den äußersten Enden der Welt hergekommen sei, in sein Reich einzubrechen und eine seiner Provinzen zu erobern gewagt habe. Er berief den Oberbefehlshaber seiner Streitkräfte, Afdal, den man auch Emir nannte, zu sich und gebot ihm, mit der ganzen Streitmacht Ägyptens und seines Reiches nach Syrien hinaufzuziehen und das anmaßende Volk so gänzlich von der Erde zu vertilgen, daß nicht einmal der Name von ihm übrigbleibe. Dieser Emir war ein Armenier und stammte von christlichen Eltern ab. Durch große Schätze aber ließ er sich verführen, von seinem Schöpfer abzufallen und den Glauben, durch welchen der Gerechte lebt, zu verleugnen. Er war es gewesen, der in demselben Jahr, wo Jerusalem von dem gläubigen Volk erobert und wieder zum Sitz des christlichen Glaubens gemacht wurde, diese unter Gottes Schutz stehende Stadt für seinen Herrn den Türken entrissen hatte, und er war kaum elf Monate im ruhigen Besitz derselben gewesen, als das christliche Heer unter Gottes Beistand dieselbe von dem Joch der unverdienten Knechtschaft befreite. Er war sehr entrüstet darüber, daß er nur für so kurze Zeit den Sieg errungen und nur eine so vorübergehende Erwerbung gemacht hatte, und unterzog sich deswegen mit Freuden dem Auftrag seines Herrn in der Hoffnung, über die, welche seine Tat verdunkelt hatten, mit Leichtigkeit den Sieg davontragen zu können. Er zog mit dem ganzen Heer und mit allen Streitkräften, welche Ägypten, das im besten Zustand war, liefern konnte, in vermessenem und hochstrebendem Sinn nach Syrien hinauf und wollte unser Volk so vertilgen, daß sein Gedächtnis völlig aus der Welt verschwinde. Aber dem Herrn, "der so wunderbar ist in seinem Tun an den Menschenkindern," gefiel es anders. Der Ägypter kam also mit einem großen Reiterheer und mit unendlichen Scharen vor Askalon gezogen. Sofort vereinigten sich mit seinem Heer noch ungeheure Streitkräfte aus ganz Arabien und dem Gebiet von Damaskus, und obgleich die Türken früher in keinem guten Verhältnis zu den Ägyptern gestanden hatten, da beide auf ihre gegenseitige Macht eifersüchtig gewesen waren und jeder Teil auf Kosten des anderen sein Reich zu vergrößern gesucht hatte, so vereinigten sie sich jetzt dennoch, nicht aus Freundschaft, sondern aus Furcht vor den Unseren, um vereint etwas zu unternehmen, wodurch diese gestürzt würden. Denn sie wollten lieber den Übermut eines Nebenbuhlers von ihrem Glauben ertragen, ja sogar das Joch desselben, als unter dem Schwert harter und wilder barbarischer Völker stehen. So hatten sich also ägyptische, arabische und türkische Heere miteinander vereinigt, und wie wir schon gesagt haben, auf dem Gebiet von Askalon ihr Lager geschlagen, um von da nach Jerusalem zu ziehen, denn sie glaubten nicht, daß unser Heer es wagen würde, einer solchen Menge entgegenzutreten.

    XI. Als die Kunde hiervon zu den Unseren gelangte, legten die Fürsten, die Bischöfe, der Klerus und das ganze Volk geistliche Waffen miteinander an, warfen sie vor dem Grab des Herrn mit zerknirschtem und demütigem Herzen unter Seufzen und Weinen nieder und baten Gott, er möchte sein Volk aus der bevorstehenden Gefahr gnädig erretten, wie er ihnen bisher voll Erbarmen stets den Sieg zugewendet habe. Er möchte um des Ruhmes seines Namens willen nicht zugeben, daß die Stätte, welche er verherrlicht habe und die jetzt nach seinem Willen gereinigt worden sei, aufs neue befleckt werde. Sofort zogen sie mit bloßen Füßen unter dem Gesang von Hymnen und geistlichen Liedern ebenso andächtig zum Tempel des Herrn, schütteten hier vor Gott ihr Herz aus und beteten: "Herr, schone dein Volk und laß dein Erbteil nicht zuschanden werden, daß Heiden über sie spotten!" Nachdem sie diese Gebete verrichtet und von den Bischöfen den Segen erhalten hatten, übergab man die Stadt der Sorge einsichtiger Männer und dann zog der Herzog mit dem Grafen von Flandern nach dem Gebiet von Ramla hinab. Die übrigen Fürsten aber blieben in der Stadt. Die erlauchten Männer, Eustachius, des Herzogs Bruder, und Tankred waren auf Befehl des Herzogs nach der Stadt Neapolis gezogen, deren Bürger die Fürsten herbeigerufen hatten, um ihnen ihre Stadt freiwillig zu übergeben, und waren teils wegen des Reichtums, welchen sie hier trafen, teils aus Sorge für die Sicherheit der Stadt länger dortgeblieben, denn von allem, was eben erzählt worden ist, wußten sie nichts. Als sie aber jetzt vom Herzog zurückgerufen wurden, kamen sie ohne Säumen und schlossen sich den übrigen Fürsten an. Als der Herzog und der Graf von Flandern in Ramla aufs bestimmteste erfuhren, daß der genannte Emir wirklich mit seinem Heer vor Askalon liege, ließen sie die übrigen Fürsten, welche in Erwartung bestimmterer Nachrichten in der Stadt zurückgeblieben waren, in aller Eile herbeirufen.

    XII. Der Graf von Toulouse aber und die anderen Fürsten, die sich dem Dienst Gottes geweiht hatten, rafften, als sie durch die Boten des Herzogs erfuhren, daß die Feinde in so großer Anzahl herbeigekommen seien und daß sie ihr Lager so ganz in der Nähe geschlagen haben, alle Streitkräfte, die ihnen in der Eile zu Gebote standen, zusammen und zogen, nachdem sie sich Gottes Beistand erbeten hatten, nach dem Gebiet der Philister hinab, nach dem Ort, der heutzutage Ibelim heißt, wo sie erfahren hatten, daß der Herzog sich aufhalte. Sie führten ungefähr tausendzweihundert Reiter, an Fußvolk aber gegen neuntausend Mann mit sich. Als unser Heer dort einen Tag ruhig gelegen war, sahen sie auf dem Feld ungefähr um die elfte Stunde in der Ferne eine ungeheure Menge. Da sie sich dachten, daß dies das feindliche Heer sei, schickten sie zweihundert leichte Reiter voraus, um auszukundschaften, wo die Feinde stehen und wie viele ihrer seien. Sie selbst aber rüsteten sich zum Kampf. Wie nun aber die, welche man voraussandte, näherkamen, sahen sie, daß, was sie aus der Ferne erblickt hatten, Herden von Stieren und Pferden und Scharen von Kamelen seien. Jedoch befanden sich bei den Tieren Reiter, welche für die Hirten die Bewachung der Herden zu besorgen hatten, aber, sobald unser Heer in ihre Nähe kam, ohne ein Zusammentreffen abzuwarten samt den Hirten die Flucht ergriffen und die Herden unbewacht zurückließen. Einige von ihnen wurden gefangen, und aus ihrem Bericht erfuhr man Genaueres über den Standpunkt und über die Absicht der Feinde, daß nämlich der vorgenannte Fürst nur ungefähr sieben Meilen von ihnen entfernt sein Lager geschlagen habe und nach zwei Tagen näherrücken und unser Heer vertilgen wolle. Die Unseren aber, die jetzt bestimmt wußten, daß es zum Kampf komme, stellten sich in neun Scharen auf, von denen drei vorn, drei in der Mitte und drei hinten standen, so daß der Feind, von welcher Seite er auch angreifen mochte, eine dreifache Schlachtreihe sich gegenüberstehen hatte. Über die Anzahl der Feinde konnte niemand etwas Gewisses erfahren, denn teils waren ihrer so viele, daß man sie nicht leicht zählen konnte, teils erhielten sie jeden Tag neue Verstärkung. Als sie nun so ohne allen Kampf diese Beute erhalten hatten, die alle Zahl überstieg, brachten sie die Nacht daselbst in aller Freude zu, doch sorgten sie als einsichtige und kriegskundige Männer dafür, daß die ganze Nacht durch Wachen aufgestellt blieben. Sobald es Morgen geworden war, wurde durch den Herold die Schlacht angekündigt. Sie stellten sich also in Ordnung, empfahlen dem Herrn den Ausgang der Sache und zogen dann mit dem Vertrauen auf den, dem es ein Leichtes ist, mit wenigen viele zu überwinden, einmütig in aller Eile dem Feind entgegen. Als die Ägypter und was sich aus dem syrischen Land mit ihnen vereinigt hatte die Kühnheit und den ungestümen Mut der Unsern sahen, wurden sie plötzlich eines anderen Sinnes und begannen das Vertrauen auf ihre Kraft und ihre große Anzahl zu verlieren, denn die ganze Menge, welche ihnen entgegenkam, hielten sie für Scharen von Menschen. Die Anzahl der Unsern war, wie schon gesagt worden ist, in der Tat nicht eben bedeutend. Jene Herden aber, deren wir oben erwähnt haben, hatten sich zufällig, ohne daß sie jemand führte, dem Heer so angeschlossen, daß sie, wenn das Heer stillstand, ebenfalls stehenblieben, und wenn es wieder aufbrach, ohne Führer mit ihm weiterrückten. Da die Feinde die Anzahl der Unseren für unermeßlich und ihre Streitkräfte für unvergleichlich hielten, so entflohen sie, ohne daß sie jemand verfolgte, ja sie glaubten sich kaum durch die Flucht retten zu können. Durch einen unbekannten Zufall verlor man an diesem Tag den Bischof von Martura, der so viel Ärgernis gegeben und stets Unruhen veranlaßt hatte, ohne daß jemand wußte, welches Ende er genommen habe. Auf welche Art es aber mit ihm zugegangen sein mag, er war aus der Welt verschwunden und kam nicht mehr zum Vorschein. Doch sagt man, er sei vom Herzog nach Jerusalem geschickt worden, um die Fürsten, welche in der Stadt zurückgeblieben waren, herbeizurufen, und auf der Rückkehr von den Feinden getötet oder gefangen worden und in ewige Sklaverei geraten. Als unserem Heer auf diese Art vom Himmel der Sieg zuteil geworden war, begab es sich nach dem Lager der Feinde, wo sie solche Vorräte aller Art und eine solche Menge fremder Schätze fanden, daß sie bis zum Überdruß satt wurden und selbst Kuchen und Honig verschmähten, und daß sogar der Geringste und Ärmste sagen konnte: "Ich bin arm aus Überfluß." Da auf diese Art die Feinde geflohen waren und den Unseren ohne Kampf den Sieg überlassen hatten, kehrten diese voll Dank gegen Gott nach Jerusalem zurück, alle, sowohl die Fürsten als die übrigen, mit unermeßlichen Schätzen und Vorräten beladen, und freuten sich im Herrn über die Siegesbeute, die sie unter sich verteilten.

    XIII. Nach diesem rüsteten sich die gottgeliebten Fürsten, die Grafen von Flandern und von der Normandie, da jetzt der Kreuzzug, den sie übernommen hatten, glücklich beendigt war, in ihre Heimat zurückzukehren. Sie reisten zu Schiff nach Konstantinopel, wo sie von Kaiser Alexius gütig aufgenommen und mit ehrenvollen Geschenken entlassen wurden, und kamen dann mit Gottes Hilfe gesund und wohlbehalten nach ihrem Vaterland. Der eine von ihnen aber, nämlich der Graf von der Normandie, fand nach seiner Rückkehr den Stand der Dinge ganz anders, als er bei seiner Abreise gewesen war, und zwar war die Veränderung nicht nach seinem Wunsche ausgefallen. Solange er nämlich auf dem Kreuzzug war, starb sein älterer Bruder Wilhelm mit dem Beinamen der Rote, der König von England gewesen war, ohne Kinder zu hinterlassen, und nach dem Recht wäre nun die Rangfolge an ihn gekommen. Sein jüngerer Bruder Heinrich aber sagte den Fürsten des Reichs, sein Bruder sei König in Jerusalem geworden und habe keine Lust zurückzukehren, und gewann sich mit dieser List den englischen Thron. Als nun sein Bruder zurückkehrte, forderte er ihm, wie er mit Recht konnte, das Reich wieder ab, und da dieser sich auf das bestimmteste weigerte, ihm zu weichen, rüstete er eine Flotte aus, rief ein Heer zusammen und brach gewaltsam in England ein. Dort kam ihm sein Bruder mit der ganzen Stärke des Königreichs entgegen und war bereit, mit ihm zu streiten. Durch die Vermittlung anderer aber kam ein Frieden zwischen ihnen zustande, nach welchem der König seinem älteren Bruder jährlich eine bestimmte Geldsumme zahlen mußte. Hierauf kehrte der Herzog ganz ruhig in sein Land zurück. Nachher aber verlangte der Herzog einige feste Plätze in der Normandie, die der König schon vor seiner Erhebung besessen hatte, und als sie ihm dieser auf sein Verlangen nicht zurückgeben wollte, belagerte er sie, um sie mit Gewalt hinwegzunehmen. Als der König davon hörte, schiffte er mit einem gewaltigen Heer nach der Normandie über, bekam seinen Bruder im Kampf gefangen und behielt ihn in immerwährender Haft, in der er auch starb, worauf er als Erbe in den Besitz des Ganzen eintrat. Der Graf von Saint-Gilles zog bis nach Laodicea in Syrien und ließ dort seine Frau mit dem Versprechen, in nächstem wieder bei ihr zu sein, zurück, um noch einmal den Kaiser in Konstantinopel zu besuchen. Er zog mit einem stattlichen Gefolge ab, wurde vom Kaiser aufs herrlichste empfangen, mit äußerster Güte behandelt und aufs reichlichste beschenkt, kam aber erst nach zwei Jahren, wie dies im folgenden noch erzählt werden wird, zu seinem Weib und den Seinigen, übrigens ganz wohlbehalten, nach Syrien zurück. Beim Herzog blieben der berühmte und edle Tankred, auch der Graf Warner von Gray und einige andere Edle, und von diesen unterstützt regierte er das Königreich, das ihm der Herr anvertraut hatte, mit Kraft und Klugheit. Er schenkte Tankred mit seiner gewohnten Freigebigkeit die Stadt Tiberias über dem See Genezareth samt dem ganzen Fürstentum Galiläa und die Seestadt Kaypha, welche sonst auch Porphyria heißt, mit dem angehörigen Gebiet zum ewigen erblichen Besitz. Dieser führte die Herrschaft über diese Provinz so löblich und Gott wohlgefällig, daß er bis auf den heutigen Tag in jenem Land in gesegnetem Andenken steht. Aber auch Kirchen stiftete er in dieser Diözese mit großem Eifer und beschenkte sie mit reichen Besitzungen, nämlich die Kirche von Nazareth, die von Tiberias wie auch die auf dem Berg Tabor. Überdies stiftete er auch mancherlei, was zur Zierde einer Kirche gehört, dahin. Einen großen Teil von diesen Schätzen verloren die genannten ehrwürdigen Orte in der Folge durch Untreue und Ungerechtigkeit der nachfolgenden Fürsten. Sie können aber heutigen Tags noch aus dem, was übriggeblieben ist, ihre Ausgaben bestreiten, und sie beten noch für die Seele von diesem Mann, der mit so frommer Freigebigkeit und mit so viel Liebe die Kirchen Gottes bereicherte. Und weil er in wenigem treu war, wurde er vom Herrn über vieles gesetzt. Es wurde ihm die Freude des Haushalters zuteil, der für alles, was er gegeben hatte, das Hundertfache erhielt, denn kaum zwei Jahre später wurde er seiner Verdienste halber auf den Fürstenstuhl von Antiochien berufen, wo er denn auch diese seit den Zeiten der Apostel herrliche und berühmte Kirche aufs reichlichste beschenkte und ihr so ein immer höheres Ansehen gab. Aber auch sein Fürstentum erweiterte er, wie im folgenden erzählt werden wird, durch die Eroberung von vielen Städten und festen Plätzen nach allen Seiten hin.

    XIV. Während dies im Königreich Jerusalem vorfiel, hatten Fürst Boemund von Antiochien und Graf Balduin von Edessa, der Bruder des Herzogs, durch den Bericht vieler erfahren, daß ihre übrigen Brüder und Genossen der Pilgerschaft unter Gottes Beistand die Heilige Stadt erobert und den Zweck ihres Zuges glücklich erreicht haben. Sie setzten also einen bestimmten Tag unter sich fest, an dem sie zur Reise gerüstet sein wollten, um unter Gottes Schutz nach Jerusalem zu gehen und das Gelübde, um dessentwillen sie alle diese Mühen übernommen hatten, zu erfüllen, zugleich auch dem Herzog und Tankred wie auch den anderen Fürsten ihren brüderlichen Gruß zu überbringen. Diese zwei erlauchten und großen Männer waren zurückgeblieben, der eine in Antiochien, um sich sein Fürstentum zu erhalten, der andere in Edessa, um die Grafschaft gegen feindliche Einfälle zu schützen. Es war nämlich gleich nach der Eroberung von Antiochien gemeinschaftlich beschlossen worden, beide sollten die gläubigen Städte, die ihnen durch den Beistand des Himmels zuteil geworden waren, nicht verlassen, sondern auf ihren Schutz mit aller Sorge bedacht sein, damit nicht etwa die Feinde zurückkehren und mit frischen Heerhaufen den Krieg erneuern und alle die früheren Anstrengungen wieder zunichte machen. Obgleich nun beide mit Geschäften überhäuft waren, so drängte es sie doch, ihre Pilgerreise zu vollenden, und sie brachen am bestimmten Tage auf. Boemund war mit denen, welche die gleiche Sehnsucht hatten, und mit einer sehr großen Anzahl von Reitern und Fußvolk bereits nach Valenia gekommen, einer Seestadt, welche unter dem festen Platz Margat liegt, und hatte hier, trotz des Widerstands der Bürger, seine Zelte aufgeschlagen. Bei dieser Stadt traf ihn Balduin, der ihm auf dem Fuße folgte, und nun setzten sie die Reise in vereintem Zuge fort. In denselben Tagen waren bei Laodicea in Syrien Leute aus Italien gelandet, unter welchen sich Daimbert, der Erzbischof von Pisa, ein gelehrter und einsichtiger, auch sehr frommer und ehrenhafter Mann, und ein gewisser Bischof aus Ariano befanden. Diese schlossen sich ebenfalls den genannten Fürsten an, und so vermehrte sich ihre Zahl so bedeutend, daß sie einen Zug von fünfundzwanzigtausend Menschen beiderlei Geschlechts bildeten, der aus Reitern und Fußgängern bestand. Sie zogen am Meeresufer hin und mußten hier, da sie nur feindliche Städte fanden, große Schwierigkeiten überwinden und bedeutenden Mangel leiden. Da sie nämlich nirgends etwas kaufen konnten, so ging ihnen ihr Reisevorrat aus. Dazu kamen Kälte und Regen, welche viele bis aufs äußerste brachten, denn es war im Winter, und zwar im Monat Dezember. Die Einwohner von Tripolis und Cäsarea waren die einzigen, die ihnen auf der langen Reise etwas zu kaufen anboten. Aber dennoch litten sie auf ihrem weiteren Zug viel Mangel und Hunger, denn sie hatten kein Lastvieh, das die Vorräte hätte weitertragen können. Endlich kamen sie mit Gottes Hilfe dennoch nach Jerusalem, wo sie vom Herzog, vom Klerus und vom Volk höchst freundlich empfangen wurden und nun an den heiligen Orten, die sie in Demut und zerknirschten Herzens besuchten, alles das, von dem sie früher so vieles gehört hatten, mit eigenen Augen sehen konnten. Gerade an dem Tag, wo die Geburt des Herrn gefeiert wird, sahen sie in dem heiligen Bethlehem die Krippe und die bewundernswürdige Höhle, wo die fromme Mutter Gottes, diese Pforte des Heils, den Erlöser der Welt in Windeln wickelte und mit ihrer Milch stillte.

    XV. Da bis auf diesen Tag ungefähr fünf Monate lang die Kirche von Jerusalem keinen Vorsteher gehabt hatte, so versammelten sich jetzt die anwesenden Fürsten, um von dieser Seite für die Kirche Gottes zu sorgen. Nach vielen Beratungen erhoben sie endlich einstimmig den genannten ehrwürdigen Daimbert auf den Patriarchenstuhl, denn Arnulf, der, wie wir früher gesagt haben, diese Würde in Besitz genommen hatte, hatte sie ebenso schnell und leicht, als er sie sich unvorsichtig zugelegt, wieder verloren. Als nun der genannte Mann Gottes den Patriarchenstuhl bestiegen hatte, nahmen sowohl Gottfried als Fürst Boemund, dieser sein Fürstentum, jener sein Königreich in aller Demut vom Patriarchen zu Lehen, womit sie dem eine Ehre zu erweisen glaubten, für dessen Stellvertreter in jenen Ländern ihnen der Patriarch galt. Hierauf wurden dem Patriarchen Besitzungen angewiesen, damit er sein Haus davon auf eine ehrenvolle Art erhalten könnte. Sie bestanden teils aus denen, die schon zur Zeit der Heiden noch von der griechischen Herrschaft her der griechische Patriarch gehabt hatte, teils auch aus neu hinzugekommenen. Nachdem dies gebührend angeordnet worden war, nahmen Boemund und Balduin vom Herzog Urlaub, um in ihre Länder zurückzukehren, und zogen an den Jordan hinab, von wo sie durch dieses berühmte Tal, sich immer am Ufer dieses Flusses haltend, an Skythopolis vorbei nach Tiberias kamen. Hier versahen sie sich mit Lebensmitteln für die Weiterreise und schlugen den Weg, am galiläischen Meere hin, ein, kamen dann nach dem Teil von Phönizien, der nach dem Libanon benannt ist, und indem sie Paneas, das auch Cäsarea Philippi heißt, rechts liegen ließen nach Iturea und nach der Stadt, welche Heliopolis oder sonst auch Malbek heißt. Sodann wandten sie sich wieder zu der Meeresküste und kamen unter Gottes Schutz gesund und wohlbehalten nach Antiochien.

    XVI. Unterdessen entstand in Jerusalem durch die Bemühung einiger Schlimmgesinnten, die stets Hader zu erregen und die Ruhe der anderen zu stören suchten, ein Zwist zwischen dem Patriarchen und dem Herzog. Der Patriarch forderte nämlich von ihm die heilige, Gott geweihte Stadt samt der Burg, wie auch Joppe mit allem, was dazugehört. Nachdem der Streit eine Zeitlang gedauert hatte, gab der Herzog, weil er eben ein milder und demütiger Mann war, der vor Gottes Wort Achtung hatte, am Tag der Reinigung der Heiligen Maria, in Anwesenheit der Geistlichkeit und des ganzen Volkes, den vierten Teil von Joppe an die Kirche zur heiligen Auferstehung ab. Später, am nächsten Osterfest, übergab er auch die Stadt Jerusalem samt der Davidsburg und allem, was sonst dazugehört, in Gegenwart der Geistlichkeit und des Volkes, das sich zu diesem Fest versammelt hatte, in die Hand des Patriarchen, jedoch mit der Bedingung, daß er, bis Gott das Königreich durch Eroberung von einer oder zwei weiteren Städten erweitern würde, noch den Genuß von den vorgenannten Städten haben sollte. Würde in der Zwischenzeit der Herzog ohne gesetzlichen Erben sterben, so sollte alles Vorgenannte ohne Schwierigkeit und ohne daß jemand Einspruch dagegen erheben könnte, dem Patriarchen anheimfallen. Was wir hier erzählen, ist uns alles von anderen berichtet worden, und man findet es sogar aufgeschrieben. Wundern müssen wir uns aber, wie der Patriarch dazu gekommen sein sollte, diesen Streit mit dem Herzog anzufangen, da wir doch nirgends gelesen oder von glaubwürdigen Männern gehört haben, daß dem Herzog das Königreich von den siegreichen Fürsten unter der Bedingung irgendeiner Abtretung oder jährlichen Leistung, die er gegen jemand übernommen hätte, übergeben worden sei. Wenn wir davon nichts wissen, so darf man uns nicht einer groben und oberflächlichen Unwissenheit beschuldigen, denn wir haben mehr als irgendein anderer Mensch der Wahrheit dieser Dinge fleißig nachgeforscht, um hier darüber berichten zu können, weil wir nämlich schon lange den Vorsatz hatten, es in gegenwärtiges Buch zu schreiben.

    XVII. Übrigens ist es wahr, daß der Patriarch von Jerusalem bei der Ankunft der Lateiner und auch schon viel früher den vierten Teil der Stadt als Eigentum besessen hat. Wie dies zugegangen und auf welche Art er in den Besitz gekommen ist, das wollen wir hier in der Kürze mitteilen, denn durch vieles Nachsuchen ist es unseren eifrigen Forschungen gelungen, endlich dieser Sache auf den Grund zu kommen. Die alten Überlieferungen melden, daß die Stadt, solange sie in der Gewalt der Ungläubigen war, niemals auch nur auf kurze Zeit anhaltenden Frieden hatte; sie wurde vielmehr durch häufige Kriege und Belagerungen, da sie die benachbarten Fürsten für sich gewinnen wollten, fortwährend beunruhigt, und so kamen die Türme und Mauern teils vor Alter, teils durch die Beschädigungen der Belagerer allmählich in Verfall, und die Stadt stund den Angriffen der Feinde völlig offen. Da nun in dieser Zeit das Reich der Ägypter durch Macht und Reichtum wie durch weltliche Klugheit vor allen Reichen des Morgens und Mittags sich auszeichnete und der ägyptische Kalif die Grenzen seiner Herrschaft nach allen Seiten erweitern wollte, so nahmen ägyptische Heere das ganze Syrien bis nach Laodicea, das in der Nähe von Antiochien die Grenze von Cölesyrien bildet, gewaltsam in Besitz. Der Kalif setzte Befehlshaber in die Städte am Meer wie in die gegen Mittag gelegenen, setzte Zölle ein und machte sich das ganze Land zinspflichtig. Auch gebot er den Bürgern jeder Stadt, ihre Mauern wieder aufzubauen und diese ringsherum mit starken Türmen zu besetzen. Auf dieses Gesetz hin befahl der Statthalter von Jerusalem den Einwohnern der Stadt, dem allgemeinen Erlaß nachzukommen und die Mauern samt den Türmen wieder instand zu setzen. Als nun die Arbeit unter die Bürger verteilt wurde, wurde den armen Christen, die in der Stadt lebten, mehr aus Bosheit als nach richtiger Erwägung ihrer Kräfte, der vierte Teil jenes Baues angewiesen. Die genannten Gläubigen waren aber durch eine Unzahl von Abgaben, Zöllen, Frohnen und durch andere schmähliche Leistungen so verarmt, daß das Vermögen von allen kaum hinreichte, einen oder zwei der genannten Türme auszubessern. Da sie also sahen, daß man damit nur nach einem neuen Vorwand suche, sie zu bedrücken, gingen sie, weil sie keine andere Zuflucht fanden, zum Statthalter und baten ihn mit Tränen, er möchte ihnen doch eine Last auflegen, die ihnen zu tragen möglich sei, denn dieser seien sie durchaus nicht gewachsen. Dieser ließ sie aus seinem Angesicht entfernen und sprach gegen sie die schwere Drohung aus: "Ungehorsam gegen die Befehle des höchsten Fürsten ist gleich der Verletzung des Heiligen. Ihr vollendet also entweder das Werk, das Euch aufgetragen worden ist, oder wir werden Euch als Majestätsverbrecher ansehen und zur Strafe mit dem Schwert töten." Endlich erhielten sie durch vielfache Vermittlung und durch Bestechung von dem Statthalter eine Frist, in welcher sie eine Gesandtschaft an den Kaiser von Konstantinopel schicken wollten, ihn um eine milde Beisteuer für das vorgenannte Werk zu bitten.

    XVIII. Wie also die dazu bestimmten Gesandten zum Kaiser kamen, schilderten sie ihm so getreu sie konnten den Schmerz und die Tränen des gläubigen Volkes, nicht ohne Seufzer der Zuhörenden, und setzten ihm auseinander, was sie erdulden müßten, wie man sie anspeie, schlage, ins Gefängnis werfe, ihnen ihre Güter einziehe, sie zum Tode bringe und was sonst das arme Volk um des Namens Christi willen unaufhörlich ertragen müßte. Und endlich sprachen sie von dem neuesten Vorwand, unter welchem die Feinde sie zu drücken suchten. Auf dem griechischen Thron saß damals ein großer und kluger Mann, Konstantin, mit dem Beinamen Monomachus, der das Reich von Konstantinopel mit Ernst und Kraft regierte. Dieser gewährte den Gläubigen die Bitten, die sie mit so vielen Tränen vorbrachten, und versprach ihnen aus Mitleiden mit ihren unaufhörlichen Bedrückungen liebreich so viel Geld, als sie zu dem aufgetragenen Werk brauchten. Er fügte jedoch die Bedingung hinzu, er gebe ihnen das vorgenannte Geld nur dann, wenn sie es von dem Herrn des Landes erlangen könnten, daß innerhalb des Umfangs der Mauer, die sie mit kaiserlichen Beiträgen errichteten, bloß Christen wohnen dürften. Er schrieb also an die Zyprer, sie sollten den Einwohnern von Jerusalem, wenn sie ihren Herrn zu dem eben Genannten vermögen könnten, von den Zöllen und Abgaben an den Fiskus so viel ausbezahlen, als zu dem genannten Werk nötig sei. Als die Gesandten in ihre Heimat zurückgekehrt waren, setzten sie dem Patriarchen und dem Volk Gottes ausführlich auseinander, was sie zustande gebracht hatten, und diese freuten sich sehr über ihren Bericht und gaben sich treulichst alle Mühe, die Bedingung, welche der Kaiser beigefügt hatte, zu erfüllen. Sie schickten also Gesandte an ihren ersten und höchsten Herrn, nämlich den Kalifen von Ägypten. Diese trugen ihm die genannte Bitte vor, und mit Gottes Hilfe gelang es ihnen, daß ihnen der Kalif willfahrte und auch eine Urkunde mit Siegel und Unterschrift darüber ausstellte. Nachdem sie ihr Geschäft auf diese Art glücklich zu Ende gebracht hatten, kehrten sie in ihre Heimat zurück, und unter Gottes Beistand wurde jener Teil der Mauer, welchen sie zu bauen hatten, im Jahr der Menschwerdung des Herrn tausendunddreiundsechzig vollendet, unter der Regierung des ägyptischen Kalifen Bomensor Elmostensab, der ihnen die vorgenannte Erlaubnis gab, sechsunddreißig Jahre vor Befreiung der Stadt. Bis dahin hatten die Sarazenen und die Gläubigen vermischt untereinander gelebt, von dieser Stunde an aber mußten sich jene auf Befehl ihres Fürsten nach anderen Stadtteilen wenden und das genannte Viertel den Gläubigen ohne Widerspruch überlassen. Die Diener Christi scheinen dadurch in eine weit bessere Lage gekommen zu sein, denn aus dem Zusammenwohnen mit den Belialskindern entstand häufig Streit und vielfacher Verdruß. Jetzt aber, da sie für sich wohnten, ohne das Unkraut unter sich zu haben, hatten sie weit mehr Ruhe. Wenn sie Klagen vorzubringen hatten, so brachten sie die Sache zur Entscheidung an die Kirche und unterwarfen ihre Streitigkeiten untereinander dem Spruch des jeweiligen Patriarchen. Auf diese Art und von dieser Zeit an also hatte der vierte Teil der Stadt keinen anderen Richter als den Patriarchen, und die Kirche sprach diesen Stadtteil deswegen zu jeder Zeit als ihr Eigentum an. Das genannte Viertel ist aber auf diese Art von der übrigen Stadt getrennt, daß die äußere Grenze desselben sich von dem Tore gegen Abend, das das Davidstor heißt, an dem Eckturm vorbei, der seinen Namen von Tankred hat, bis zu dem Tor gegen Mitternacht, welches das Tor des ersten Märtyrers Stephanus heißt, erstreckt, die innere Grenze aber die öffentliche Straße bildet, welche von diesem Tor in gerader Richtung nach den Wechslertischen führt und von da wieder zurück nach dem Tor gegen Abend. Es hat in seinem Umfang die ehrwürdige Stätte, wo der Herr gelitten hat und auferstanden ist, ein Hospital, zwei Klöster, nämlich ein Männer- und ein Frauenkloster, welche beide den Beinamen de Latina haben, auch das Haus des Patriarchen und das Kloster der Kanoniker zum Heiligen Grab samt dem, was dazugehört.

    XIX. Um diese Zeit, da beinahe alle Fürsten, welche den Zug mitgemacht hatten, in ihre Heimat zurückgekehrt waren, so daß der Herzog, dem man das Königreich übertragen hatte, und Tankred, welchem dieser als einem klugen und tapferen Mann, der bei allen seinen Unternehmungen Glück hatte, einen Teil der Regierungsgeschäfte übertragen hatte, ganz allein waren, war die Truppenmacht und die sonstige Kraft der Unseren so gering, daß, wenn man alle zusammenberief und auch kein einziger zurückblieb, kaum dreihundert Reiter und zweitausend Mann Fußvolk gezählt wurden. Städte aber waren noch wenig in den Besitz der Unseren gekommen, und wenn auch, so lagen immer dazwischen wieder feindliche Orte, so daß man nur mit äußerster Gefahr, wenn es die Not erforderte, von einer Stadt in die andere kommen konnte. Die Dörfer aber wurden auch im Gebiet der Unseren überall von Ungläubigen und Sarazenen bewohnt, und diese betrugen sich gegen die Unseren so, daß sie keine grausameren Feinde haben konnten, und das Schlimmste war, daß sie ihnen so nahe wohnten, denn es gibt nichts Verderbenbringenderes als einen Feind im eigenen Haus. Nicht nur, daß sie die Unseren, wenn sie unbehutsam auf den offenen Straßen einhergingen, ermordeten oder in die Sklaverei schleppten, sie gingen sogar so weit, daß sie den Ackerbau ganz liegen ließen, um die Unseren in Hungersnot zu bringen, denn sie wollten lieber selbst Hunger leiden, als ihren Feinden eine Bequemlichkeit verschaffen. Und nicht nur vor den Städten draußen mußten sie auf ihrer Hut sein, sondern auch in den Häusern, die innerhalb der Mauern lagen, konnte man, wegen der kleinen Zahl der Einwohner und weil die schadhaften Mauern die Feinde überall einließen, kaum einen ruhigen und sicheren Platz finden. Nachts erbrachen Räuber die volkleeren Städte und brachten viele in ihren eigenen Häusern um, weswegen einige heimlich, viele auch ganz offen die Besitzungen, die sie erworben hatten, verließen und in die Heimat zurückkehrten, denn sie fürchteten, die, welchen der Schutz des Landes anvertraut war, möchten einmal an einem Tag von den Feinden so geschlagen werden, daß sie niemand mehr vor ihrem Schwert retten könne. Auf diese Veranlassung hin wurde das Verjährungsrecht zu Gunsten derer eingeführt, welche in der Trübsal ausharrend ein Jahr und einen Tag ruhig und ohne Widerspruch sich in einem Besitz behauptet hatten. Dieses Gesetz wurde, wie schon gesagt, gegen die eingeführt, welche aus Furcht ihre Besitzungen verlassen hatten, damit sie nicht, wenn sie nach einem Jahr zurückkehrten, dieselben wieder in Anspruch nehmen könnten. Obgleich nun aber in dem Reich eine solche Not herrschte, so beschloß dennoch der gottesfürchtige und gottgeliebte Mann, mit Hilfe des Herrn die Grenzen zu erweitern. Er rief alle seine Streitkräfte und das Volk des Landes zusammen und belagerte die Seestadt in der Nähe von Joppe, welche früher Antipatris hieß, jetzt aber gewöhnlich Arsur genannt wird. Da in dieser Stadt aber tapfere und rüstige Männer waren, die mit Waffen, Lebensmitteln und sonstigen Bedürfnissen reichlich versehen waren, der Herzog dagegen draußen großen Mangel litt, auch keine Schiffe hatte, mit denen er die Belagerten am Ein- und Ausfahren hindern konnte, so war er genötigt, die Belagerung wieder aufzuheben und eine andere Zeit abzuwarten, wo ihm vielleicht Gott Gelegenheit gäbe, dieses Werk zu vollbringen. Er führte aber dieses Vorhaben nicht aus, denn ein früher Tod überraschte ihn.

    XX. Es ereignete sich bei dieser Belagerung etwas höchst Merkwürdiges, das wir hier einflechten wollen. Es kamen nämlich die Häuptlinge einiger Dörfer von den samaritanischen Bergen, auf welchen die Stadt Neapolis liegt, in das Lager herab und brachten dem Herzog Geschenke an Brot, Wein, Datteln und trockenen Trauben, mehr wie wir glauben in der Absicht, die Anzahl und Stärke der Unseren auszukundschaften und vollständig zu erfahren, wie es mit ihnen stehe, als um dem Herzog Geschenke zu bringen. Als sie nun im Lager angekommen waren, baten sie dringend, man möchte sie vor den Herzog führen. Als sie vor ihm erscheinen durften, überreichten sie ihm die Geschenke, die sie mitgebracht hatten. Der Herzog aber, der ein einfacher Mann war, der allen weltlichen Pomp vermied, saß auf einem Strohsack, der auf dem Boden lag, und erwartete die Rückkehr seiner Leute, welche er nach Fütterung ausgeschickt hatte. Darüber waren jene nun höchlich erstaunt und fragten, wie es denn komme, daß ein so großer Fürst und ein so bewundernswürdiger Herr, der, vom Abendland kommend, den ganzen Orient erschüttert und mit starker Hand das größte Reich erobert habe, so unscheinbar dasitze und weder Tapeten noch Seidenzeug nach königlicher Art in seinem Gemach habe noch durch eine Schar bewaffneter Trabanten sich ein furchtbares Ansehen gebe. Der Herzog erkundigte sich, während sie diese Fragen stellten, nach dem Inhalt derselben, dann sagte er: "Einem sterblichen Menschen kann die Erde wohl zum zeitlichen Sitze genügen, da er sie nach seinem Tod zur immerwährenden Wohnung haben wird." Als die Kundschafter dies vernahmen, verwunderten sie sich über diese demütige und kluge Antwort und sagten beim Abschied: Dieser sei der Mann, welchem alle Länder untertan werden müßten und der wegen seines musterhaften Lebenswandels mit Recht zum Herrn der Völker und Nationen bestimmt sei. So bewunderten und fürchteten denn auch die Bewohner der benachbarten Länder das Glück und die Tapferkeit des fremden Volkes, und ihre Furcht und Bewunderung war um so größer, als sie die Sache aus dem Munde der Ihrigen erfuhren, denen sie vollen Glauben schenken mußten. Und diese merkwürdige Geschichte verbreitete sich bis in das äußerste Morgenland.

    XXI. Während dies im Königreich Jerusalem vorfiel, sandte ein gewisser Gabriel, ein Armenier nach Volkszugehörigkeit, der Statthalter in einer Stadt namens Meletenia in Mesopotamien über dem Euphrat war und der einen Einfall der Perser fürchtete, denen er sich nicht gewachsen glaubte, Gesandte an den Fürsten Boemund von Antiochien und lud ihn ein, ungesäumt zu ihm zu kommen, um die genannte Stadt unter gewissen Bedingungen unverzüglich von ihm in Empfang zu nehmen. Als der große Mann, Boemund, dies hörte, folgte er diesem Ruf sogleich und zog mit seinem gewöhnlichen Gefolge über den Euphrat. Als er nun schon in Mesopotamien war und die genannte Stadt beinahe erreicht hatte, siehe da überfiel ihn unvermutet ein mächtiger türkischer Satrap namens Danischmend, der von seiner Ankunft gehört hatte. Da sie sich eines solchen Überfalls nicht versehen hatten, wurde es ihm leicht, einige mit der Schärfe des Schwertes zu töten, die übrigen aber, die der feindlichen Übermacht nicht gewachsen waren, in die Flucht zu schlagen. Boemund selbst aber wurde seiner Sünden halber von den Feinden gefangengenommen und in Fesseln geschlagen. Durch diesen Schlag übermütig gemacht, belagerte nun der Kalif im Vertrauen auf die Größe seines Heeres eben diese Stadt und hoffte sie in nächstem zu gewinnen. Die aber, welche der Gefahr entkommen und nach Edessa gelangt waren, berichteten dem Grafen alles, wie es dem Fürsten und ihnen ergangen sei, und dieser, als er von dem Unfall vernahm, rief in brüderlichem Mitleiden mit dem Fürsten und im Schmerz über den unglücklichen Ausgang dieser Sache eiligst seine Mannschaften zusammen und wandte sich mit allem, was er auf dieser Reise nötig hatte, gehörig versehen schleunigst nach jener Gegend. Die genannte Stadt soll von Edessa drei Tagereisen entfernt sein. Er legte diese rasch und in kurzer Zeit zurück und war schon ganz in der Nähe der Stadt, als der genannte Danischmend, der von der Ankunft des Grafen vernahm, die Belagerung aufhob und um dem Streit auszuweichen den gefangenen Boemund nach einem entlegenen Teil seines Reiches wegführte. Als der Graf hörte, daß Danischmend aus Furcht vor ihm sein Lager verlassen habe, verfolgte er ihn drei Tage lang, kehrte aber endlich, da er sah, daß er ihn nicht erreichen könne, nach Meletenia zurück, wo ihn der genannte Gabriel aufs ehrenvollste und glänzendste empfing und ihm die Stadt unter denselben Bedingungen übergab, welche er früher Boemund gestellt hatte. Nachdem er dieses Geschäft zu Ende gebracht hatte, kehrte er nach Hause zurück.

    XXII. Während nun der treffliche Herzog und die, welche mit ihm in Jerusalem zurückgeblieben waren, um nach dem Abzug der übrigen das Reich zu beschützen, mit solcher Not und solcher Armut zu kämpfen hatten, daß es sich kaum beschreiben läßt, brachten Kundschafter, auf deren Treue man sich verlassen durfte, die Nachricht, daß in Arabien über dem Jordan im Land der Ammoniter einige arabische Horden sich ganz sorglos umhertrieben, und daß die Unsern, wenn sie dieselben schnell überfallen würden, auf diese Art zu einer reichen Beute kommen könnten. Der herrliche Mann ließ sich überreden, rief in der Stille eine Anzahl von Reitern und Fußvolk, so viel deren das neue Reich stellen konnte, zusammen, ging mit ihnen über den Jordan, brach in das feindliche Gebiet ein und führte das Unternehmen glücklich zu Ende. Wie er nun mit einer ungeheuren Anzahl von großem und kleinem Vieh und mit einer unermeßlichen Menge Gefangener zurückkehrte, ließ ihn ein edler und in seinem Gefolge sehr angesehener arabischer Fürst, ein rastlos tätiger Mann, der die größte Liebe zum Kriegswesen hatte, durch Zwischenträger um Waffenstillstand ersuchen und kam, als der Herzog ihm diesen gewährte, mit einem Gefolge edler Männer seines Volkes ins Lager. Er hatte nämlich schon vieles über den Ruhm und die Stärke dieses Volkes gehört, das von Abend her durch eine so lange Länderstrecke und unter so vieler Drangsal gekommen war und sich das ganze Morgenland unterworfen hatte. Hauptsächlich aber hatte er vieles von der ausgezeichneten Tapferkeit und unvergleichlichen Stärke des Herzogs vernommen, weswegen er die größte Sehnsucht hatte, ihn zu sehen. Nachdem er ihm nun seine Ehrfurcht bezeugt und ihn gebührend begrüßt hatte, bat er den Herzog aufs dringendste, vor seinen Augen das große Kamel, das er dazu mitgebracht habe, mit seinem Schwert niederzuhauen, daß auch er eine Probe seiner Tapferkeit anderen zu erzählen habe. Weil nun der Fürst von so weit hergekommen war, um ihn zu sehen, wollte ihm der Herzog diesen Gefallen erweisen, zog sein Schwert und hieb dem Kamel den Kopf mit solcher Leichtigkeit ab, als ob er das schwächste Ding zerschnitten hätte. Der Araber verwunderte sich sehr über diese ungeheure Kraft, schrieb aber in seinem Sinne einen Teil des Meisterstücks der Schärfe der Klinge, die der Herzog geführt hatte, zu. Er bat sich also die Erlaubnis aus, seines Herzens Meinung sagen zu dürfen und fragte dann, ob der Herzog wohl auch mit dem Schwert eines anderen etwas dieser Art vollbringen könne. Der Herzog lächelte darüber, ließ sich das Schwert dieses edlen Mannes geben und schlug damit einem anderen Kamel, das er herbeiführen ließ, mit ebensolcher Leichtigkeit den Kopf ab. Jetzt stieg die Verwunderung des genannten edlen Mannes auf den höchsten Grad, und er sah wohl, daß die Gewalt des Hiebes nicht von der Schärfe des Schwertes, sondern von der Stärke des Mannes, der es schwinge, herrühre, und daß alles, was er von seiner Kraft gehört hatte, wahr sei. Er überreichte nun dem Herzog Geschenke an Gold, Silber und Pferden und suchte so die Freundschaft desselben zu gewinnen. Dann kehrte er nach Hause zurück und verkündigte die Tapferkeit des Herzogs, wohin er kam. Der Herzog aber kehrte mit seiner Beute nach Jerusalem zurück.

    XXIII. In eben diesem Monat, nämlich im Monat Juli, wurde Gottfried, der das Königreich Jerusalem so trefflich regierte, von einer schweren und unheilbaren tödlichen Krankheit befallen. Als die Krankheit zunahm und kein Heilmittel anschlagen wollte, ließ er sich das Heilige Abendmahl reichen, beichtete fromm seine Sünden und ging als ein echter Bekenner Christi auf dem Weg allen Fleisches dahin, wo ihm alles hundertfältig vergolten werden und wo er mit den seligen Geistern ein Genosse des Ewigen Lebens sein wird. Er starb am achtzehnten Juli im Jahr der Menschwerdung des Herrn elfhundert. Begraben wurde er in der Kirche zum Heiligen Grab unter der Kalvarienstätte, wo der Herr gelitten hat, an dem Ort, der bis auf den heutigen Tag der Begräbnisplatz seiner Nachfolger ist.

 

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