Sechster Abschnitt
Beschreibung der Alpen und der
Alpenvölker, nebst der Ligurischen Küste - Hauptvölker:
Ligurer, Salyer, Tauriner, Salasser, Rhäter, Noriker,
Vindeliker, Karner und Iapoden
§ 1
Wahrer Anfang der Alpen bei Genua. Die Städte Albingaunum und Albium geben einen etymologischen Beweis für jene Behauptung.
Nach Keltike jenseits der
Alpen und nach den dieses Land bewohnenden Völkern muß von den
Alpen selbst und ihren Bewohnern die Rede sein, sodann vom ganzen
Italien, weil wir in der Beschreibung dieselbe Ordnung befolgen,
welche die Natur des Landes gibt. Die Alpen demnach nehmen nicht,
wie manche behaupten, beim Hafen des Monoikos ihren Anfang,
sondern in derselben Gegend, in welcher auch die Apenninischen
Berge bei Genua, der Handelsstadt der Ligyer, liegen, und bei den
sogenannten Vada Sabbaton oder Sümpfen von Sabbata. Der
Apenninos nämlich hat bei Genua seinen Anfang, die Alpen bei
Sabbata; von Genua aber bis Sabbata sind nur zweihundertsechzig
Stadien. Nach dreihundertundsiebzig Stadien folgt das Städtchen
Albingaunon, bewohnt von jenen Ligyern, welche Ingauner heißen;
von hier aber bis zum Hafen des Monoikos sind
vierhundertundachtzig. In diesem Zwischenraum liegt eine große
Stadt, Albion Intemelion, deren Bewohner Intemelier heißen.
Einen Beweis, daß die Alpen bei Sabbata anfangen, nimmt man
selbst aus diesen Namen, denn die Alpien, sagt man, hießen
ehedem Albien wie auch Albionien; ja noch jetzt werde das hohe
Gebirge im Lande der Iapoden, welches mit der Okra und den Alpen
fast zusammenhängt, Albion genannt, als ob bis dorthin die Alpen
sich erstrecken. Weil nun ein Stamm der Ligyer die Ingauner, ein
anderer die Intemelier seien, so wären ihre Pflanzstädte am
Meer sehr richtig die eine Albion Intemelion (gleichsam die
Alpische), die andere abgekürzter Albingaunon benannt. Polybios
übrigens fügt den genannten zwei Stämmen der Ligyer noch die
der Oxybier und der Dekieten hinzu.
§ 2
Natürliche Beschaffenheit und Erzeugnisse der Ligurischen Küste; Lebensweise, Handelsverkehr und Bewaffnung der Ligurier
Diese ganze Küste vom Hafen des Monoikos
bis gen Tyrrhenia ist überall vorwindig und außer seichten
Anfahrten und Ankerplätzen hafenlos. Über ihr erheben sich,
neben dem Meer einen schmalen Durchgang lassend, die ungeheuren
Felsenwände der Berge. Ihre Bewohner sind die größtenteils von
Zuchtvieh, Milch und Gerstentrank lebenden Ligyer, welche sowohl
die Gegenden am Meer als noch mehr die Berge beweiden. Die
dortigen Berge haben auch sehr viel Wald zum Schiffbau und solche
Riesenbäume, daß sich manche mit einen Durchmesser von der
Dicke eines achtfüßigen finden. Viele stehen auch wegen ihrer
Buntfarbigkeit für Tischlerarbeiten dem Zedernholz nicht nach.
Diese Hölzer liefern die Ligyer nach ihrer Handelsstadt Genua,
wie auch Zuchtvieh, Häute und Honig. Als Rückfracht nehmen sie
Öl und Wein aus Italien, denn der wenige, welcher bei ihnen
wächst, ist pechig und herb. Von dort kommen auch die
sogenannten Ginnoi oder Klepper, sowohl Pferde als Maulesel, wie
auch die Ligystischen Leibröcke und Kriegsmäntel. Auch der
Lingurstein findet sich bei ihnen häufig, welchen einige
Elektron oder Bernstein nennen. Als Reiter ziehen sie nicht gern
ins Feld, aber als schwergerüstetes Fußvolk und Fernstreiter
sind sie gut. Weil sie Kupferschilde führen, so schließen
einige daraus, daß sie Hellenen sind.
§ 3
Hafen des Monökus. Die Salyer, ihre Wohnsitze, Namen, Kriege mit den Römern und späte Bezwingung
Der Hafen des Monoikos ist eine Anfahrt
für nicht zu große und nicht zu viele Schiffe und hat einen
Tempel des sogenannten Herakles Monoikos. Aus dem Namen ist
wahrscheinlich, daß die massaliotische Küstenfahrt sich bis
hierher erstreckte. Von Antipolis ist er etwas über zweihundert
Stadien entfernt. Schon von hier an bis gen Massalia und noch
wenig weiter bewohnt das Volk der Salyer die landwärts liegenden
Alpen wie auch, mit den Hellenen vermischt, einige Teile der
Küste selbst. Diese Salyer nannten die älteren Hellenen Ligyer
und ihr Land, welches jetzt die Massalioten besitzen, Ligystike.
Die Späteren nennen sie Keltoligyer und teilen diesen noch die
Landfläche zu bis an den Druentias und Rhodanos, von wo sie, in
zehn Stämme gesondert, nicht nur Fußvolk, sondern auch Reiterei
zu Felde sandten. Diese waren die ersten der überalpischen
Kelten, welche die Romaner bezwangen, nach langwierigen Kriegen
sowohl mit ihnen als den Ligyern, da sie die Zugänge nach
Iberien längs der Seeküste versperrten. Denn sie raubten, wie
zu Wasser, so zu Lande, und waren so mächtig, daß der Weg
großen Kriegsheeren kaum gangbar blieb. Nach achtzigjährigem
Kampf erreichten die Romaner kaum soviel, daß den in
Staatsgeschäften Reisenden eine zwölf Stadien breite Straße
freigelassen wurde. Späterhin jedoch haben sie alle unterjocht
und ihnen nach auferlegter Steuer ihre Verfassungen bestimmt.
§ 4
Einige Alpenvölker hinter den Salyern, Albier, Vokontier und Allobrogen
Hinter den Salyern bewohnen die Albier und
Albioiker und Vokuntier die nördlichen Teile der Gebirge. Die
Vokuntier erstrecken sich bis an die Allobrigen, tief im Gebirge
beträchtliche Täler besitzend, die denjenigen nicht nachstehen,
welche jene besitzen. Die Allobrigen und Ligyer sind den
Statthaltern untergeordnet, welche nach Narbonitis kommen, die
Vokuntier aber, welches wir auch von den Völkern um Nemausos
sagten, sind für sich geordnet. Von den Ligyern zwischen dem
Varos und Genua werden die am Meer Wohnenden den Italioten
gleichgeachtet, zu den Bergbewohnern hingegen wird, wie zu
anderen völligen Barbaren, ein Befehlshaber aus ritterlichem
Stand gesandt.
§ 5
Noch einige Völker auf den höchsten Alpen. Quellen des Druentias, Durias und Padus. Beschreibung des Padus
Nach den Vokuntiern folgen die Ikonier und
Trikorier und hinter diesen die Meduller, welche die höchsten
Berggipfel bewohnen; denn die steilste Höhe derselben soll im
Hinaufsteigen hundert Stadien betragen und von dort nochmals
soviel das Hinabsteigen zu den Grenzen Italiens. Oben steht in
einigen hohlen Vertiefungen ein großer See, und zwei Quellen
sind nicht sehr weit voneinander. Aus der einen kommt der
Druentias, ein reißender Bergstrom, der gegen den Rhodanos
hinabstürzt, der Durias aber nach der Gegenseite, indem er sich,
durch die Salasser nach Keltike diesseits der Alpen
hinabgeflossen, dem Pados zumischt. Aus der andern entspringt,
viel niedriger als diese Höhen, der Pados selbst, stark und
reißend, aber weiterfließend wird er größer und sanfter. Denn
durch viele Flüsse empfängt er in den schon erreichten Ebenen
Verstärkung und verbreitert sich; die Ausweitung aber hemmt und
schwächt seinen Stromlauf. Er ergießt sich ins Adriatische
Meer, nachdem er der größte der Ströme Europas geworden
nächst dem Istros. Die Meduller übrigens liegen gerade über
der Vereinigung des Isar mit dem Rhodanos.
§ 6
Völker der Italischen und Helvetischen Alpen, wie Tauriner, Salasser, Rhäter u. a. Quellen des Rhodanus, Rhenus und Adduas. Römische Wege durch die Alpen. Lawinen
Auf der andern gegen Italien geneigten
Seite der erwähnten Berghöhen wohnen die Tauriner, ein
ligystisches Volk, und noch andere Ligyer. Diesen gehört auch
das sogenannte Gebiet des Ideonnos und das des Kottios. Hinter
ihnen und dem Pados die Salasser; über diesen auf den Hochbergen
die Kentronen, Katorigen, Varagrer und Nantuaten; auch der See
Lemana, welchen der Rhodanos durchfließt, und die Quelle dieses
Stroms. Nicht weit davon sind auch des Rhenos Quellen und der
Berg Adulas, von welchem der Rhenos gegen Norden fließt, der
Adduas aber nach der Gegenseite, wo er in den Larios, den See bei
Komon, fällt. Oberhalb dem an der Wurzel der Alpen erbauten
Komon liegen einerseits die Rhaiter und Vennonen gegen Morgen
gewandt, andrerseits die Lepontier, Tridentiner, Stoner und
mehrere andere kleine Völker, welche in früheren Zeiten Italien
besetzten, räuberisch und arm; jetzt aber sind sie zum Teil
vernichtet, zum Teil völlig bezähmt, so daß die durch sie
führenden, ehedem seltenen und kaum ersteigbaren Übergänge des
Gebirges jetzt vielerwärts vorhanden und ebenso sicher vor den
Menschen als bequem gangbar sind, soweit solches durch Zurichtung
möglich ist. Denn Cäsar Augustus verband mit der Unterjochung
jener Räuber die Zurichtung mehrerer Fahrstraßen, soweit sie
ausführbar war. Denn nicht überall war es möglich, Felsen und
ungeheure Bergwände durchbrechend die Natur zu bezwingen, indem
jene den Weg überragen, diese ihn unterlaufen, so daß die, die
nur ein wenig ausweichen, sich unvermeidlich der Gefahr
aussetzen, in grundlose Schlünde zu stürzen. Denn der Weg ist
an manchen Stellen so schmal, daß er den Fußgängern und selbst
den Saumtieren, denen er ungewohnt ist, Schwindel verursacht; die
einheimischen jedoch tragen ihre Lasten sicher. Sowenig nun diese
Übel abwendbar sind, um so weniger erst die ungeheuren von oben
herabrollenden gefrorenen Schneelawinen, welche eine ganze
Reisegesellschaft wegzureißen und in die hinablaufenden
Schlünde mitzunehmen vermögen. Denn viele Schneeschichten
liegen gefroren übereinander, dadurch daß vom eisartigen Schnee
Schicht um Schicht sich häuft, und die oberen sich von den
inneren stets leicht ablösen, ehe sie völlig im Sonnenschein
schmelzen.
§ 7
Die Salasser. Wege durch ihre Gebirge; reiche Goldminen. Räuberisches Betragen, Kriege, Bezwingung durch die Römer. Augusta
Das Gebiet der Salasser liegt zwar
größtenteils in einem tiefen Tal, in dem die Gebirge
beiderseits die Landschaft einschließen, doch es erstreckt sich
ein Teil auch auf die darüberliegenden Berghöhen. Den, der aus
Italien diese Gebirge übersteigt, führt der Weg durch das
erwähnte Tal. Hernach teilt er sich zwiefach: der eine, den
Fuhrwerken nicht gangbare, führt über das sogenannte Poininon
durch die Gipfel der Alpen, der andere durch die Kentronen ist
westlicher.
Das Land der Salasser hat Goldgruben, welche
die ehedem mächtigen Salasser besaßen, wie sie auch die Herren
der Zugänge waren. Vorzüglich aber war ihnen zur Gewinnung des
Goldes der Fluß Durias behilflich durch die Goldwäschen.
Deshalb verteilten sie das Wasser an vielen Orten in
Ableitungsgräben und entleerten den gemeinschaftlichen Strom.
So, wie nun dieses Verfahren jenen für die Gewinnung des Goldes
nutzte, so verdroß es die andern, welche unterhalb jenen die
Ebenen bebauend der Bewässerung entbehrten, zumal der Fluß,
weil er ein höherliegendes Bett hat, das Land tränken konnte.
Aus dieser Ursache entstanden zwischen beiden Völkern
beständige Kriege. Nachher den Romanern unterworfen, verloren
die Salasser ihre Goldwerke zusammen mit dem Land; jedoch noch
immer im Besitz der Berge, verkauften sie das Wasser den die
Goldgruben bearbeitenden Staatspächtern, woraus ihnen wegen der
Habsucht der Staatspächter beständige Streitigkeiten auch mit
diesen erwuchsen. So geschah es, daß die stets kampflustigen
Romaner, welche in diese Gegenden geschickt wurden, häufigen
Vorwand fanden, die Salasser anzugreifen.
Dennoch haben sie bis auf die neuesten Zeiten
bald bekriegt, bald den Krieg mit den Romanern beilegend, ihre
Macht behauptet und den, der durch ihr Gebiet die Berge
übersteigt, zufolge ihrer Räubersitte viel geschadet. Haben sie
doch den von Mutine flüchtenden Decimus Brutus für jeden Mann
mit einer Drachme Zoll belegt. Der in ihrer Nähe durchwinternde
Messala aber zahlte ihnen den Preis des Holzes, sowohl des
Brennholzes als der Ulmenbäume, zu Wurfspießen und
Übungswaffen. Einmal sogar plünderten diese Menschen Cäsars
Gelder und warfen Felsbrocken auf sein Heeresleute, mit der
Begründung, daß sie Wege pflasterten oder Flüsse
überbrückten. Nachher aber bezwang Augustus sie völlig, ließ
alle nach Eporaidia bringen, der Pflanzstadt der Romaner, und als
Beute verkaufen. Dieser Ort war angelegt zur Schutzwehr gegen die
Salasser, aber die dort Angesiedelten vermochten nur wenigen
Widerstand zu leisten, bis das Volk vernichtet war. Der übrigen
Menschen wurden drei Myriaden und sechstausend aufgezählt, der
streitbaren Männer achttausend. Diese alle ließ der Feldherr
Terentius Varro, der sie bezwungen hatte, unter dem Spieß
versteigern. Cäsar aber sandte dreitausend Romaner hin und
gründete die Stadt Augusta an dem Ort, wo Varro gelagert hatte.
Und so genießt jetzt die ganze Nachbargegend des Friedens, bis
zu den höchsten Übergängen des Gebirges.
§ 8
Östliche und südliche Alpenvölker, besonders Rhäter, Vindeliker und Noriker. Einfälle derselben in Italien und barbarische Grausamkeit
Zunächst besetzen die Rhaiter und
Vindeliker die östlichen und die gegen Süden gewandten Teile
der Gebirge, welche die Heluettier und Boier berühren, an deren
Ebenen sie liegen. Die Rhaiter zuvörderst reichen bis an
Italien, oberhalb Veron und Komon, und der rhätische Wein, der
Italiens beliebtesten Weinen nicht nachzustehen scheint, wächst
an ihren Unterbergen. Sie erstrecken sich aber auch bis in die
Gegenden, welche der Rhenos durchströmt, und zu diesem
Volksstamm gehören auch die Lepontier und Kamuner. Die
Vindeliker aber und Noriker besetzen die äußere Bergseite
großenteils mit den Breunern und Genaunern, schon Illyrern. Alle
diese Völker durchzogen stets die benachbarten Gegenden Italiens
wie auch die Länder der Heluettier, Sekuaner, Boier und
Germanen. Als die mutwilligsten der Vindeliker waren die
Likattier, Klautinatier und Vennonen erprobt, unter den Rhaitern
die Rhukantier und Kotuantier. Auch die Estionen gehören zu den
Vindelikern und die Brigantier. Ihre Städte sind Brigantion und
Kampodunon und Damasia, gleichsam die Burgstadt der Likattier.
Von der Grausamkeit dieser Raubvölker gegen die Italioten
erzählt man folgendes: Sooft sie einen Flecken oder eine Stadt
erobern, morden sie nicht nur alle wehrhaften Männer, sondern
überfallen auch die unmündigen Knaben; auch hiermit noch nicht
befriedigt, töten sie sogar alle schwangeren Weiber, welche ihre
Wahrsager als knabenschwanger bezeichnen.
§ 9
Alpenvölker über dem Adrias (Noriker, Karner, Taurisker) und ihre Bezwingung durch die Römer. Natur des Landes, Flüsse und Gebirge
Neben diesen, schon dem Adriatischen Winkel
und den Gegenden um Akyleia nahe, wohnen einige Stämme der
Noriker und die Karner; zu den Norikern gehören auch die
Taurisker. Die ungezügelten Einfälle dieser Völker beendeten
Tiberius und sein Bruder Drusus in einem Sommerzug, so daß es
bereits das dreiunddreißigste Jahr ist, seit welchem sie, sich
ruhig verhaltend, ihre Steuern entrichten. Durch das ganze
Bergland der Alpen gibt es zwar auch hügelige, eines guten
Feldbaues fähige Gegenden und trefflich angebaute Täler, aber
der größte Teil und vorzüglich um die Gipfel, um welche denn
auch die Räuber saßen, ist kümmerlich und unfruchtbar wegen
des Schnees und der Rauhheit des Landes. Bei dem Mangel an
Lebensmitteln und anderer Bedürfnisse schonten sie also zuweilen
die Bewohner der Ebenen, damit sie Lieferer hätten; dagegen
gaben sie dann Harz, Pech, Kienholz, Wachs, Honig und Käse,
woran sie Überfluß hatten. Über den Karnern liegt das Gebirge
Poininon mit einem See, welcher in den Fluß Atesines abläuft;
dieser nimmt den Atagis auf, einen andern Fluß, und ergießt
sich in den Adrias. Aus demselben See fließt noch ein anderer
Fluß in den Istros, welcher Isaros heißt. Denn auch der Istros
nimmt seinen Ursprung aus diesen vielzweigigen und vielgipfligen
Gebirgen. Denn bis hierher von Ligystike ziehen sich die Höhen
der Alpen zusamenhängend fort und gewähren das Bild eines
einzigen Gebirges; hernach unterbrochen und abgeniedrigt erheben
sie sich wieder zu mehren Zweigen und mehreren Gipfeln. Der erste
derselben ist der jenseits des Rhenos und seines Sees gegen
Morgen gezogene mäßig hohe Bergrücken, wo die Quellen des
Istros sind neben den Soebern und dem Herkynischen Wald; andere
wenden sich gegen Illyris und den Adrias, zu welchen das
erwähnte Gebirge Poininon gehört und die Berge Tullon und
Phlygadia, auch die über den Vindelikern liegenden Berge, aus
welchen der Duras und Klanes und mehrere andere reißende
Bergströme ins Bett des Istros sich ergießen.
§ 10
Nachrichten von den Iapoden, dem Gebirge Okra, der Stadt Segestika und einigen Flüssen. Merkwürdige Alpentiere
Auch die Iapoden, dieses schon aus Illyrern
und Kelten gemischte Volk, wohnen in diesen Gegenden, und die
Okra ist in ihrer Nähe. Die Iapoden zuvörderst, welche ehedem
volkreich und, da sie an beiden Seiten des Gebirges ihr Wohnland
besitzen, durch räuberisches Gebaren mächtig waren, sind von
Cäsar Augustus bekämpft und völlig gedemütigt worden. Ihre
Städte sind Metulon, Arupeinon, Monettion und Vendon. Hinter
diesen liegt in einer Ebene die Stadt Segestike, neben welcher
der in den Istros sich ergießende Fluß Saos hinströmt.
Diese Stadt liegt bequem für den Krieg gegen
die Daker. Die Okra aber ist der niedrigste Teil der Alpen, dort
wo sie die Karner berühren. Durch sie führt man die Frachtwaren
von Akyleia auf Wagen nach dem sogenannten Nauportos, einen Weg
von nicht viel mehr als vierhundert Stadien. Von dort werden sie
auf den Flüssen dem Istros und den umliegenden Gegenden
zugeführt. Denn bei Nauportos fließt ein aus Illyris kommender
schiffbarer Fluß vorbei, welcher in den Saos fällt, so daß die
Frachtwaren nach Segestike und zu den Pannoniern und Tauriskern
leicht hinabgeführt werden. Aber auch der Kolapis ergießt sich
bei dieser Stadt in den Saos; beide sind schiffbar und fließen
von den Alpen herab. Die Alpen enthalten auch wilde Pferde und
Ochsen. Auch sagt Polybios, daß ein eigengestaltetes Tier in
ihnen lebe, im Körperbau dem Hirsch ähnlich, bis auf den Hals
und die Behaarung, worin es dem Eber gleiche; unter dem Kinn aber
habe es einen etwa spannenlangen, am Ende behaarten Kernwulst in
der Dicke eines Füllenschwanzes.
§ 11
Wege über die Alpen nach Gallien. Landstraßen in Gallien selbst, von Lugdunum aus. Nebenweg über den Rhodanus und Iura ins innere Gallien
Unter den Übergängen aus Italien in das
jenseitige und das nördliche Keltike führt einer durch die
Salasser nach Lugdunon. Er ist aber zwiefach. Der eine, welcher
befahren werden kann, zieht sich mit größerer Lange durch die
Kentronen, der andere, jäh und schmal, aber kürzer, durch das
Poininon. Lugdunon aber liegt in der Mitte des Landes, einer
Burgfeste vergleichbar, sowohl wegen der Vereinigung der Ströme
als auch weil es allen Teilen des Landes nahe ist. Deshalb hat
auch Agrippa von dort die Landstraßen gezogen, die eine durch
die Kemmenischen Berge zu den Santonern und nach Akuitania, die
zweite zum Rhenos, die dritte gegen den Ozean zu den Belloakern
und Ambianern; die vierte geht nach Narbonitis und der
massaliotischen Küste. Außerdem führt noch, läßt man
Lugdunon und die überliegende Landschaft zur Linken, in Poininon
selbst wieder ein Nebenweg, auf welchem man den Rhodanos oder den
See Lemana überschreitet, in die Ebenen der Heluettier, von wo
ein Übergang ist zu den Sekuanern durch das Gebirge Ioras und zu
den Lingonen, in deren Gebiet die Doppelwege zu beiden, sowohl
zum Rhenos als zum Ozean, sich scheiden.
§ 12
Nachrichten aus Polybius über die reichen Goldminen bei Aquileja, über die Höhen der Alpen, über die Landstraßen und einige Landseen in ihnen
Noch Polybios erzählt, daß zu seiner Zeit
gerade über Akyleia bei den norischen Tauriskern eine so
ergiebige Goldmine sich fand, daß, wenn man auf zwei Fuß die
obere Erde abräumte, man sofort Gold antraf, welches man
ausgraben konnte. Die Grube, sagt er, hielt nicht mehr denn
fünfzehn Fuß; ein Teil des Goldes sei auf der Stelle rein, in
der Größe einer Saubohne oder Wolfsbohne, wovon nur der achte
Teil abschmelze; das übrige bedürfe zwar weiterer Schmelzung,
bleibe aber äußerst gewinnreich. Als einmal Italioten zwei
Monate mit den Ausländern zusammenarbeiteten, wurde das Gold
bald um den dritten Teil wohlfeiler durch ganz Italien. Wie die
Taurisker solches merkten, verjagten sie die Mitarbeiter und
verkauften es allein. Jetzt aber stehen alle Goldgruben unter den
Romanern. Auch hier, wie in Iberien, führen außer dem
Grubengold auch die Flüsse Goldsand mit sich, jedoch nicht so
viel.
Ebendieser Mann, indem er von der Größe der
Alpen und ihrer Höhe spricht, vergleicht mit ihnen die größten
Berge bei den Hellenen, den Taygeton, Lykaion, Parnassos,
Olympos, Pelion, Ossa, in Thrakien den Aimos, Rhodope und Dunax.
Er sagt, daß jeden dieser Berge rasche Wanderer fast in einem
Tag ersteigen, auch in einem Tage umgehen können. Die Alpen
hingegen ersteige man nicht einmal in fünf Tagen, ihre Länge
aber neben den Ebenen hin betrage zweitausendzweihundert Stadien.
Ferner nennt er nur vier Übergänge: einen durch die Ligyer sehr
nahe am Tyrrhenischen Meer, sodann jenen durch die Tauriner, auf
welchem Annibas heranzog, den dritten durch die Salasser und
durch die Rhaiter den vierten, alle jäh abschüssig. Landseen
gibt es, sagt er, in den Gebirgen viele, aber auch drei große.
Unter diesen hat der Benakos eine Länge von fünfhundert Stadien
und eine Breite von hundertundfünfzig, und der Fluß Minkios
entströmt ihm; sodann der Verbanos von vierhundert Stadien, an
Breite schmaler als der vorige; er entläßt den Fluß Tikinos.
Der dritte, der Larios, kommt in Länge nahe an dreihundert
Stadien, in Breite an dreißig und entläßt den großen Fluß
Adduas; alle strömen in den Pados. Soviel haben wir auch von den
Alpinischen Gebirgen zu sagen.
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