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Kemaleddin

       
 
Kamal ad-Din ibn al-Adim (1192-1262) schrieb eine Geschichte seiner Geburtsstadt Aleppo (Subdat al-Halab min tarich Halab, «Der Rahm der Milch von der Geschichte Aleppos»), sowie ein umfangreiches biographisches Werk (Bughjat at-Talab, «Das ersehnte Ziel des Strebens»). Für die Geschichte der Kreuzzüge hat sein Werk vor allem Bedeutung als arabisches Zeugnis von den Ereignissen in Nordsyrien. Er liefert das zeitlich nächste und wohl treueste Echo der Schlacht , die 1119 bei Balath stattfand.
Noch nicht lange war es her, daß das Fürstentum Antiochien wieder einer Regenten hatte. Doch keine lange Regierungszeit war Roger beschieden, als er kurz nach seinem Machtantritt auf die vereinten Heere von Mardin und Damaskus stieß. Vom Feind eingeschlossen, unterlag er, verwegenen Mutes, der zwanzigfachen Übermacht des Gegners, ohne die Ankunft des Königs abzuwarten und jeden guten Rat, einem Treffen auszuweichen, in den Wind schlagend. So groß war seine Verachtung des Feindes.
       
 

NIEDERLAGE UND TOD ROGERS VON ANTIOCHIEN BEI BALATH

(Kamal ad-Din II 187-190)

Ilghasi begab sich zusammen mit dem Atabeg nach Maridin, und von hier schickten sie Botschaften zu den muslimischen Truppen und den Turkmenen nah und fern, um ein großes Heer aufzustellen. Im Jahre 513 zog Ilghasi mit mehr als vierzigtausend Mann aus und überschritt den Euphrat an der Furt von Badaja und danach den Sandscha; seine Truppen zerstreuten sich über das Land von Tell Baschir, Tell Chalid und Umgebung und mordeten und plünderten, soviel sie nur konnten. Da kamen Boten aus Aleppo, die Ilghasi aufforderten, herzukommen, denn die Plünderzüge der Franken von al-Atharib nach Aleppo dauerten an, und die Einwohner hier seien verzweifelt. Also setzte sich Ilghasi Ende Safar 513 in Marsch nach Mardsch Dabiq, Maslamiya und Kinnasrin; seine Streifscharen fielen in fränkisches Gebiet ein und in die Gegend von ar-Rudsch, töteten, machten Gefangene und nahmen die Feste Kasthun im Bezirk von ar-Rudsch. Sirdschal, Herr von Antiochien, sammelte die Franken und Armenier und zog geradewegs zur eisernen Brücke über den Orontes aus der Stadt; nachdem sie von dort aufgebrochen waren, schlugen sie Freitag, den 9. Rabi I, ihr Lager bei Balath auf, zwischen zwei Bergen nahe dem Paß von Sarmada nördlich Aleppos. Die Emire verdroß die lange Verzögerung, während Ilghasi die Ankunft Atabeg Toghtegins abwartete, um mit ihm den Plan des Vorgehens zu vereinbaren; sie versammelten sich daher und überredeten llghasi, dem Feind sofort entgegenzutreten. Ilghasi ließ die Emire und Anführer ihre Eide erneuern, tapfer kämpfen zu wollen, standzuhalten, ohne zu weichen, und das Leben für den Heiligen Krieg zu wagen; sie schworen es gern. Freitag, den 16. Rabi I, verließen die in Kolonnen gestaffelten Muslime ihr Zeltlager in Kinnasrin und verbrachten die Nacht in der Nähe der Franken, die begonnen hatten, eine Festung zu bauen, die Tell Afrin beherrschen sollte; sie glaubten nämlich, die Muslime belagerten Atharib oder Sardana. Da sahen sie in der ersten Morgendämmerung die Banner der Muslime näherrücken und sie von allen Seiten umgeben. Kadi Abu l-Fadl ibn al-Chaddschab ritt auf seiner Stute mit einer Lanze in der Hand nach vorn und ermunterte seine Leute zum Kampf. Bei seinem Anblick rief einer der Soldaten: «Sind wir etwa aus unserem Land hierher gezogen, um diesem Turbanträger zu folgen?» Der Kadi jedoch ritt vor den Reihen hin und her, weckte durch eine beredte Ansprache den Kampfeseifer der Soldaten und hob ihre Moral gewaltig, so sehr, daß die Männer zu Tränen bewegt wurden und ihn bewunderten. Darauf schloß Tughan Arslan ibn Dimladsch den Feind ein, fiel über seine Zelte her und säte Tod und Vernichtung. Gott gab den Sieg den Muslimen: diejenigen Franken, die zu den Zelten flohen, wurden getötet, die Türken griffen wie ein Mann von allen Seiten an und schlugen sich tapfer; die Pfeile flogen dicht wie Heuschrecken. Die Franken flohen unter dem Pfeilregen, der sich über die Reiterei und den größten Teil des Heeres ergoß. Nachdem die Reiterei überwältigt und das Fußvolk mit allen Knechten und Dienern geschlagen war, wurden alle gefangengenommen. Sire Roger wurde getötet, während von den Muslimen nur zwanzig Mann fielen, darunter Sulaiman ibn Mubarak ibn Schibl; von den Franken dagegen retteten sich nur zwanzig. Einige ihrer Anführer flohen, aber fast fünfzehntausend fielen in der Schlacht; sie fand Sonnabend um die Mittagsstunde statt. Der Siegesbote erreichte Aleppo, als die Muslime gerade alle in Reiben das Mittagsgebet in der Großen Moschee verrichteten. Bald vernahm man ein großes Geschrei von Westen, vom Heer jedoch erreichte keiner die Stadt vor der Stunde des Nachmittagsgebetes.
    Die Bauern verbrannten die Leichname der Franken, und in den verkohlten Resten eines einzigen Ritters fanden sich vierzig eiserne Pfeilspitzen. llghasi belegte das Zelt Sirdschals, und die Muslime trugen herbei, was sie erbeutet hatten; er nahm ihnen aber nur einige Waffen ab, um sie den Herrschern des Islam zu schenken; alles übrige ließ er ihnen. Als ihm die Gefangenen vorgeführt wurden, war unter ihnen einer von großem Wuchs, berühmt für seine Stärke, der von einem kleinen, schmächtigen, schlecht bewaffneten Muslim überwältigt worden war. Als der vor Ilghasi erschien, sagten die Turkmenen zu ihm: «Schämst du dich nicht, daß dieser Zwerg dich gefangen hat, wo du doch solch eine Rüstung hast?» Er antwortete: «Bei Gott, nicht der da hat mich gefangen, noch ist er mein Bezwinger. Ein Großer hat mich gefangen, größer und stärker als ich selbst, und hat mich dem hier übergeben; er trug ein grünes Gewand und ritt ein grünes Pferd.»

In Anlehnung an: Francesco Gabrieli, Die Kreuzzüge aus arabischer Sicht, Artemis Verlag Zürich und München