HomeStartseiteImpressumKontaktGästebuch

»Feiglinge, wie weit wollt ihr denn rückwärts rudern!«

Die Seeschlacht bei Salamis

 Counter

Das Bild stammt aus der Wissen-Reihe. Der Urheber konnte leider nicht ermittelt werden.

 

Im Sommer 480 setzte der persische Großkönig, nachdem er zuvor das Meer auspeitschen ließ, auf einer Schiffsbrücke an der schmalsten Stelle der Gallipoli-Halbinsel bei Abydos über den Hellespont. Sieben Tage und sieben Nächte dauert der spektakuläre Übergang des Landheeres von Asien nach Europa, und am Ende der Aktion stehen 1,7 Millionen Mann unter Waffen auf griechischem Boden. Parallel zur Invasion der Bodentruppen erfolgt der Angriff zur See, mit der größten Flotte, die die Welt bis dato gesehen hat. Als Xerxes vor Abydos eine Heerschau abhalten läßt und den ganzen Hellespont über und über mit Schiffen bedeckt sieht, mußte er weinen, denn niemals in der Geschichte hat ein einzelner Mann ein größeres Heer in eine Schlacht geführt: auf gut fünf Millionen Menschen wird die Zahl derer geschätzt, die sich entweder in Waffen oder beim Nachschub an dem Großangriff auf Griechenland beteiligten. Selbst die Pythia, als man das Orakel zu Delphi befrug, erschauderte im Angesichte einer solch gewaltigen Übermacht, daß sie den Hellenen dazu riet, sich unter das Joch der Perser zu begeben. Die meisten Griechenstämme, deren Gebiet Xerxes auf seinem Wege durchzog, sowohl die jenseits des Meeres als auch die nördlich Attikas lebenden, schlossen sich seinem Heereszug an. Da ließ der Großkönig den Demaratos kommen, der, einst selbst spartanischer König, nun als Gefolgsmann an dem Zuge teilnahm, um seine Meinung zu hören, ob angesichts der erdrückenden Übermacht noch irgendein Grieche auch nur den Gedanken an Widerstand wage. Denn weder die Athener noch die Spartiaten waren bereit, zum Zeichen ihrer Unterwerfung Xerxes Erde und Wasser zu bringen. Demaratos antwortete: "Alle Hellenenstämme lobe ich, die dort mit den Doriern im Lande wohnen, aber nicht von allen gilt, was ich dir sagen will, sondern nur von den Lakedaimoniern. Erstens werden die Lakedaimonier nie dein Anerbieten annehmen, das Hellas in Sklaverei bringen will; zweitens werden sie dir im Kampf entgegentreten, auch wenn alle anderen Hellenen zu dir übergehen. Was ihre Zahl betrifft, so frage nicht, ob sie auch stark genug dazu sind. Sie werden kämpfen, gleichviel, ob tausend Mann ausziehen oder weniger oder mehr." Und Demaratos log nicht. Eine Eliteeinheit unter dem spartanischen König Leonidas trat Xerxes am Engpaß der Thermopylen entgegen und wurde völlig aufgerieben. Da erteilte die Pythia den Athenern den Rat, sich hinter ihre hölzernen Mauern zurückzuziehen, und nach langem Rätseln kam man darauf, was die Pythia damit gemeint haben konnte. Die hölzernen Mauern waren die Schiffe, und mit ihnen suchte man nun, nachdem man Athen kampflos aufgegeben hatte, die Entscheidung herbeizuführen. Das Oberkommando über die Flotte hatte der Spartaner Eurybiades inne, doch weil die Spartaner sich weigerten, den Oberbefehl abzutreten, so wollte auch Gelon, Tyrann von Syrakus, sich nicht an der Schlacht beteiligen und zur Unterstützung der Griechen herbeieilen, obwohl er, der Bezwinger Karthagos, über ein ansehnliches Kontingent von Dreiruderern verfügt hätte. Allein Themistokles lenkte ein, auch wenn die Athener den weitaus größten Teil der Schiffe stellten und damit einen berechtigten Anspruch auf die oberste Heeresleitung gehabt hätten. So gingen denn die Griechen aufgrund dieser Führungsstreitigkeiten unter recht ungünstigen Vorbedingungen in die Schlacht. Warum sie aber dennoch den Sieg errangen, darauf konnte niemand bisher eine besonders überzeugende Antwort geben, denn sowohl was Art und Bauweise der Schiffe anbelangt als auch hinsichtlich ihrer Kampfesweise waren sich die Flotten einander gleich - die Perser dazu mit erheblich schnelleren phönizischen Schiffen ausgestattet und an Zahl von Dreiruderern dreifach überlegen -, mit dem einen aber wohl wesentlichen Unterschied, daß die Griechen mit dem Mut der Verzweiflung kämpften. 

Die Schilderung der Seeschlacht bei Salamis ist zugleich ein Lobgesang an jene bewunderungswürdige Frau Artemisia, der sich wie ein roter Nachgebaute TriereFaden durch Herodots Handlung zieht. Beide, der persische Großkönig Xerxes und die Karierin, waren einander in Bündnistreue zugetan. Xerxes schätzte ihre Ratschläge, doch die Liebe Artemisias zu den Ihrigen wog schwerer. Denn niemals zuvor waren die Griechen untereinander so gespalten wie zur Zeit des persischen Einfalls in Attika. Die einen standen treu zu Hellas, andere verhielten sich abwartend, wieder andere waren abtrünnig oder kämpften gar unter persischer Oberhoheit gegen die eigenen Landsleute. Noch wußte an jenem Herbstmorgen, als die griechische Flotte von der persischen vor Salamis eingeschlossen wurde, niemand, wessen Blut am Abend das Meer rot färben sollte. Im Bewußtsein seiner zahlenmäßigen Überlegenheit und seines Landsieges war Xerxes übermütig geworden und wollte den Griechen, um sie vollends zu demütigen, auch noch zur See eine vernichtende Niederlage beibringen, was ihre Vorherrschaft in der Ägäis ein für allemal beendet hätte. 

Der Kampf der Griechen gegen die Perser glich von Anbeginn an dem Kampf Davids gegen Goliath, und dieser Vergleich ist um so zutreffender, als David diesen Kampf bekanntlich für sich entschieden hat. Der endgültige Sieg der Griechen wurde aber nicht auf dem Schlachtfeld errungen, sondern mit den Schiffen. Auf dem offenen Meer allerdings hätte auch er niemals gelingen können, weil sich dort die zahlenmäßige Überlegenheit des Gegners desto durchgreifender ausgewirkt hätte. In der Meerenge von Salamis dagegen mußten die Griechen eines nicht befürchten, nämlich daß sie eingekreist werden, da sie ja praktisch mit dem Rücken zur Wand standen. Umgekehrt nutzte den Persern die Umgehungsoperation der Flotte trotz ihrer Übermacht nichts, weil die Einheiten zu weit auseinandergezogen waren, als daß sie sich gegenseitig hätten beistehen können. Aufgrund der räumlichen Enge konnten die hinteren Schiffe den vorderen auch nicht zur Seite gehen, während die griechischen alle sinnvoll eingesetzt werden konnten. Umgekehrt hielten die Hellenen ihre Kräfte offenbar besser zusammen und kämpften in Reih und Glied, was bei den Feinden nachweislich nicht der Fall war. Somit kamen auf seiten der Hellenen stets mehr Schiffe zum Einsatz als auf persischer. Insofern dürfte die Rammsporndichte der griechischen Dreiruderer deutlich höher gewesen sein als bei den Gegnern. War hingegen ein griechisches Schiff einmal in den Grund gebohrt, so konnte leicht eines aus der hinteren Reihe nachrücken, und damit waren die Bedingungen wieder genauso wie zu Beginn des Treffens. Da jeder griechische Dreiruderer auch bei zahlenmäßiger Überlegenheit des Gegners im Durchschnitt nur zwei erfolgreiche Rammstöße in Serie auszuführen hatte, um Kräftegleichgewicht herzustellen, so kann der Kräfteschwund der persischen Ruderer, die übernächtigt waren, durchaus den Ausschlag gegeben haben. Entscheidend für den Rammstoß ist ja weniger die Masse als die Geschwindigkeit des ausführenden Schiffes, d.h. ein leichtes Schiff mit höherer Angriffsgeschwindigkeit kann ein langsameres und schwereres Schiff dennoch leichter versenken, wenn es seiner Bauart nach wendiger und manövrierfähiger ist. Folglich waren Körperkraft und Ausdauer der Ruderer nebst Zielgenauigkeit des Steuermanns von entscheidender Bedeutung im Seegefecht. Ein Rammstoß durfte zudem nicht zentral erfolgen, da sonst beide Schiffe in Gefahr gerieten, sich gegenseitig zu versenken. Insofern spielten die Geschicklichkeit des Manövrierenden beim seitlichen Angriff und seine rechtzeitig eingeleiteten Ausweichmanöver eine noch zentralere Bedeutung als die baulichen Eigenschaften der Schiffes, und gerade darin zeichneten sich die Griechen besonders aus. Da aber auf seiten der Perser ebenfalls Griechen kämpften, wogen die eingeübten Kampftechniken sich teilweise wieder auf. Bezeichnenderweise erzielten die Griechen gerade gegenüber den Phoinikern erste Erfolge in der Seeschlacht, während die Ionier sich zum Teil sehr passiv verhielten, wie es vorher abgesprochen war, und deswegen sogar des Verrats bezichtigt worden waren. Es war politisch auch äußerst unklug von Xerxes, Blutsverwandte gegeneinander antreten zu lassen. Was nun die Schiffe betrifft, so galten die von Sidon und Tyros als die schnelleren und wendigeren, selbst die der Athener konnten sich nicht mit ihnen messen. Allein dies half den Phoinikern nichts, da sie offenbar die Überlegenheit ihrer Schiffe nicht zu nutzen wußten. Um einen Eindruck von der Zusammensetzung der persischen Flotte zu bekommen, geben wir nachfolgend ihre volle Kampfstärke unmittelbar nach der Heerschau bei Abydos an, als noch keine Verluste zu beklagen waren:

89. Die Zahl der Dreiruderer betrug eintausendzweihundertsieben. Folgende Stämme hatten Schiffe gestellt. Die Phoiniker samt den Syriern in Palästina hatten dreihundert gestellt. Die Mannschaften waren folgendermaßen ausgerüstet. Auf dem Kopf hatten sie Helme von beinahe hellenischer Art. Sie trugen leinene Panzer, Schilde ohne Rand und Wurfspeere. Diese Phoiniker wohnten vor alters, wie sie selber berichten, am Roten Meer, kamen dann herübergezogen und wohnen jetzt der syrischen Küste. Dieser Teil Syriens bis ganz hinunter nach Ägypten hat den Namen Palästina.

Die Ägypter stellten zweihundert Schiffe. Sie trugen geflochtene Helme, gewölbte Schilde mit breitem Rand, Schiffsspeere und große Äxte. Der größte Teil hatte auch einen Panzer und ein langes Messer.

90. Die Kyprier stellten hundertfünfzig Schiffe. Ihre Ausrüstung war folgende: die Könige trugen Binden um den Kopf gewickelt, die übrigen hatten Röcke und alles andere wie die Hellenen. Die kyprischen Stämme setzen sich nach eigener Überlieferung der Kyprier zusammen aus Salaminiern und Athenern, aus Arkadern, aus Kythniern, aus Phoinikern und Aithiopern.

91. Die Kiliker stellten hundert Schiffe. Sie hatten wiederum Helme eigener Form, Tartschen aus Rindshaut statt schwerer Schilde und wollene Röcke. Jeder hatte zwei Wurfspeere und ein Schwert von ähnlicher Form wie die ägyptischen Messer. Ursprünglich hießen die Kiliker Hypachaier; ihren jetzigen Namen erhielten sie nach dem Phoiniker Kilix, dem Sohn des Agenor.

Die Pamphyler stellten dreißig Schiffe und waren auf hellenische Art bewaffnet. Diese Pamphyler stammen von Amphilochos und Kalchas und ihren Scharen ab, die auf der Heimkehr aus Troia hierher verschlagen wurden.

92. Die Lykier stellten fünfzig Schiffe. Sie trugen Panzer und Beinschienen, hatten Bogen aus Kornelkirschholz, nichtbefiederte Rohrpfeile und Wurfspeere. Um die Schultern hatten sie ein Ziegenfell geschlungen und auf den Kopf einen federbekränzten Hut gesetzt. Auch Dolche und Sichelmesser führten sie. Die Lykier sind aus Kreta gekommen und hießen Termilen; ihren jetzigen Namen erhielten sie nach dem Athener Lykos, dem Sohn des Pandion.

93. Die kleinasiatischen Dorier stellten dreißig Schiffe. Sie sind hellenisch bewaffnet und stammen aus der Peloponnes.

Die Karer stellten siebzig Schiffe; auch sie hatten hellenische Bewaffnung, doch führten sie noch Sichelmesser und Dolche. Wie die Karer in früherer Zeit hießen, habe ich in den ersten Büchern meines Werkes erzählt.

94. Die Ioner stellten hundert Schiffe und waren gerüstet wie die Hellenen. Solange die Ioner in der Peloponnes wohnten, im heutigen Achaia, also noch vor dem Erscheinen des Danaos und Xuthos in der Peloponnes, hießen sie - so erzählt man in Hellas - Aigialeer und Pelasger. Nach Ion, dem Sohne des Xuthos, wurden sie dann Ioner genannt.

95. Die Bewohner der Inseln stellten siebzehn Schiffe und waren bewaffnet wie die Hellenen. Auch sie sind ein pelasgischer Stamm und wurden später aus demselben Grunde Ioner genannt wie die aus Athen ausgewanderten Bewohner der zwölf ionischen Städte.

Die Aioler stellten sechzig Schiffe. Auch sie waren ausgerüstet wie die Hellenen und wurden, nach hellenischer Überlieferung, vor Zeiten Pelasger genannt.

Die Hellespontier mit Ausnahme von Abydos - die Bewohner von Abydos waren vom König beauftragt worden, daheim zu bleiben und die Brücken zu bewachen -, alle anderen Bewohner der Küstenstädte stellten hundert Schiffe und waren ausgerüstet wie die Hellenen. Diese Städte sind teils ionischen, teils dorischen Ursprungs.

96. Auf allen Schiffen befand sich außerdem persische, medische und sakische Besatzung. Die bestbemannten Schiffe waren die phoinikischen und unter den phoinikischen die aus Sidon.

Alle diese Volksstämme, auch die des Fußvolks, hatten jeder ihren eigenen Volkshäuptling, deren Namen ich jedoch nicht aufführe, da sie für die Schilderung des weiteren Verlaufs nicht erforderlich sind. Nicht jedes Stammeshaupt war von Bedeutung, auch hatte jede einzelne Stadt wieder ihren besonderen Führer, und sie alle zogen nicht als Feldherrn mit, sondern als einfache Soldaten. Die wirklichen Führer, die Oberfeldherrn sowie die der einzelnen Stämme, habe ich schon genannt, soweit sie Perser waren.

97. Führer der Flotte waren Ariabignes, Sohn des Dareios, Prexaspes, Sohn des Aspathines, Megabazos, Sohn des Megabates, und Achaimenes, Sohn des Dareios. Und zwar stand die ionische und karische Flotte unter dem Befehl des Ariabignes, Sohnes des Dareios und der Tochter des Gobryas; die ägyptische unter dem Befehl des Achaimenes, Xerxes' Vollbruder, und die übrigen Flotten unter dem Befehl der beiden anderen.

An sonstigen Schiffen: Dreißigruderern, Fünfzigruderern, Kerkuren und langen Transportschiffen für die Pferde hatten sich dreitausend zusammengefunden.

98. Nach den Flottenführern waren die namhaftesten Männer in der Flotte: Tetramnestos, Sohn des Anysos, aus Sidon Matten, Sohn des Siromos, aus Tyros, Merbalos, Sohn des Agbalos, aus Arados, der Kiliker Syennesis, Sohn des Oromedon, der Lykier Kyberniskos, Sohn des Sika, die Kyprier Gorgos, Sohn des Chersis, und Timonax, Sohn des Timagoras, die Karer Histiaios, Sohn des Tymnes, Pigres, Sohn des Hysseldomos, und Damasithymos, Sohn des Kandaules.

99. Die weiteren Gruppenführer der Flotte nenne ich nicht da es unnötig ist, nur Artemisia muß ich erwähnen, eine Frau die an dem Zuge gegen Hellas teilnahm und die ich hoch bewundere. Nach dem Tode ihres Gatten übernahm sie selber die Herrschaft und war mutig und heldenhaft genug, selber in den Krieg zu ziehen, obwohl ein Sohn im Jünglingsalter vorhanden und sie gar nicht dazu gezwungen war. Ihr Name war Artemisia; sie war eine Tochter des Lygdamis und stammte väterlicherseits aus Halikarnassos, mütterlicherseits aus Kreta. Sie hatte die Führung über die Schiffe aus Halikarnassos, Kos, Nisyros und Kalydna, zusammen fünf Schiffe, die aber nach den Schiffen aus Sidon die vorzüglichsten in der ganzen Flotte waren. Auch waren die Ratschläge, die sie dem Könige gab, besser als die aller anderen Bundesgenossen. Die Bevölkerung der Städte, die, wie ich sagte, unter ihrer Führung standen, ist, wie ich noch anführen will, rein dorisch; denn die Halikarnassier sind aus Troizen gekommen, die übrigen aus Epidauros. Soviel sei über die Flotte gesagt.

Als die persische Flotte vor der Küste Magnesias ankerte, erhob sich ein gewaltiger Sturm, so daß von den auf offner See überraschten Schiffen nicht weniger als 400 verschlagen wurden und Schiffbruch erlitten. Zieht man diese Zahl von der ursprünglich am Hellespont versammelten Gesamtzahl von Schiffen ab, so zählte die persische Flotte ab da nur mehr höchstens 807 Schiffe. Die Zahl verunglückter Lebensmittelschiffe und anderer Lastfahrzeuge sei gar nicht mehr zu zählen gewesen, berichtet Herodot. Weitere fünfzehn Schiffe wurden von den Griechen gekapert, als sie irrtümlich in die vor Artemision liegende griechische Flotte hineinfuhren: verbleiben 792 persische Kriegsschiffe. Vor Artemision wurde eine erste Seeschlacht geliefert, in der dreißig Barbarenschiffe erobert wurden, ein gegnerisches Schiff ging zu den Hellenen über. Die Zahl der persischen Schiffe belief sich demnach nur mehr auf 761. In Vorbereitung einer Kriegslist hatten die Perser vor Beginn der Seeschlacht zweihundert ihrer Schiffe um die Insel Euboia herum entsandt, um die schmale Durchfahrt, den Euripos, zu besetzen und den Griechen den Rückzug abzuschneiden, doch alle diese Schiffe scheiterten in einem Sturm an den Klippen Euboias und gingen zugrunde. Somit belief sich die Stärke der persischen Flotte auf nur mehr 561 Dreiruderer. Des weiteren berichtet Herodot, daß die Griechen die bei Aphetai liegenden kilikischen Schiffe angriffen und zerstörten. Die Kiliker hatten aber, wie eingangs gesagt, hundert Schiffe gestellt, womit die persische Flotte, abzüglich eines weiteren Überläufers, nur mehr 460 Kriegsschiffe stark gewesen sein kann, wenn man annimmt, daß keine weiteren Verstärkungen mehr hinzukamen. In einer zweiten Seeschlacht vor Artemision lassen sich die Verluste der Barbaren nicht genau beziffern, die Hellenen zogen sich daraufhin jedoch, weil die Hälfte ihrer Schiffe beschädigt war, nach Hellas hinein zurück und gingen auf Bitten der Athener vor Salamis vor Anker. Herodot selbst glaubt, daß die Flottenstärke des Xerxes, als seine Schiffe in Phaleron ankerten, nicht geringer war als bei Sepias, denn die Verluste, die sie durch den Sturm erlitten hatten, wurden ausgeglichen  durch später hinzukommende Verstärkungen derer, die sich seinem Zuge anschlossen. Von einer Gesamtzahl von 807 Schiffen ist also nach wie vor auszugehen, und damit dürfte die persische Kriegsmarine immer noch mehr als doppelt so stark gewesen sein wie die griechische. Immerhin war sie aber bereits so weit zusammengeschrumpft, daß Xerxes bereits überlegte, ob er denn eine Seeschlacht überhaupt noch riskieren solle. Unterdessen nahm die Zahl griechischer Trieren, die bei Salamis ankerten, immer weiter zu.  

42. Während die aus Artemision kommende Flotte vor Salamis ankerte, kam auch der Rest der hellenischen Flotte herbei, der sich bei Troizen befand und von der Ankunft der Schiffe Kunde erhalten hatte. Versammelt hatte sich die Flotte ja, wie früher berichtet, in Pogon, dem Hafen von Troizen, und es waren dort weit mehr Schiffe und von weit mehr Städten zusammengekommen, als bei Artemision gekämpft hatten. Oberfeldherr blieb derselbe, der es bei Artemision war: Eurybiades, Sohn des Eurykleides, ein Spartiate, der jedoch nicht aus der könig­lichen Familie stammte. Doch hatte Athen bei weitem die meisten und besten Schiffe gestellt.

43. Die Zahl und Verteilung der Schiffe war folgende: Zunächst aus der Peloponnes: die Lakedaimonier hatten sechzehn Schiffe, die Korinthier die gleiche Zahl wie bei Artemision, die Sikyonier fünfzehn Schiffe, die Epidaurier zehn, die Troizenier fünf, die Hermioner drei. Alle diese Städte mit Ausnahme von Hermione sind dorischen und makedonischen Stammes und sind aus Erineos und Pindos, schließlich aus der Dryopis in die Peloponnes eingewandert. Die Hermioner dagegen sind Dryoper und wurden aus dem heute sogenannten dorischen Lande durch Herakles und die Malier vertrieben.

44. Das waren die peloponnesischen Städte. Von den Städten Festlands hatten die Athener allein fast ebenso viel Schiffe gestellt wie alle anderen zusammen, nämlich einhundertachzig. Bei Salamis kämpften die Plataier nicht wieder auf den athenischen Schiffen mit. Denn als die Hellenen von Artemision zurückkehrten und bei Chalkis waren, stiegen die Plataier jenseits von Boiotien aus und zogen zu Lande heimwärts, um ihre Angehörigen in Sicherheit zu bringen. So kam es, daß sie nicht rechtzeitig eintrafen. Die Athener waren übrigens zur Zeit, als noch die Pelasger das heute Hellas genannte Land im Besitz hatten, Pelasger und führten den Namen Kranaer. Zur Zeit des Königs Kekrops hießen sie dann Kekropiden und erhielten, als Erechtheus König geworden war, den Namen Athener und endlich nach ihrem Feldherren Ion, Sohn des Xuthos, den Namen Ioner.

45. Die Megarer hatten die gleiche Zahl von Schiffen wie bei Artemision, die Amprakioten kamen mit sieben Schiffen herbei, die Leukadier mit dreien. Auch diese Städte sind dorschen Stammes und Pflanzstädte Korinths.

46. Schließlich die Inseln. Aigina hatte dreißig Schiffe gestellt. Es hatte zwar noch mehr Schiffe ausgerüstet, doch verwendete es die anderen zum Schutze der Heimat; nur mit den dreißig besten kämpften sie bei Salamis mit. Die Aigineten sind Dorier und stammen aus Epidauros; in früheren Zeiten hieß die Insel Oinone.

Ferner waren die Chalkider mit den zwanzig Schiffen erschienen, die sie bei Artemision gehabt hatten. Die Eretrier mit ihren sieben. Sie sind Ioner. Auch die Keier kamen mit denselben Schiffen; sie sind ionischen Stammes und sind aus Athen gebürtig.

Die Naxier hatten vier Schiffe gestellt, die von der Bürgerschaft eigentlich zu der persischen Flotte geschickt worden waren, ebenso wie die Schiffe der anderen Inseln. Aber trotz dieses Befehles schlossen sie sich den Hellenen an, auf Betreiben des Demokritos, eines angesehenen Naxiers, der damals ein Schiff führte. Die Naxier sind Ioner und stammen aus Athen.

Die Styreer hatten ebensoviel Schiffe wie bei Artemision, die Kythnier eine Triere und einen Fünfzigruderer. Beides sind Dryoper.

Auch die Seriphier, Siphnier und Melier beteiligten sich am Kriege; es waren das die einzigen Inseln, die dem Perserkönige nicht Erde und Wasser gegeben hatten.

47. Alle diese Städte und Stämme, die den Krieg mitmachten, wohnen diesseits des Thesproterlandes und des Acheron. Denn die Thesproter grenzen an die Amprakioten und Leukadier, die entlegensten Städte, die mit ins Feld zogen. Jenseits dieser Gebiete war es nur noch Kroton, das dem bedrängten Hellas mit einem Schiff, befehligt von Phayllos, dem dreifachen Sieger in den pythischen Spielen, zu Hilfe kam. Die Krotoniaten sind ihrem Stamme nach Achaier.

48. Während nun die übrigen mit Dreiruderern in den Krieg zogen, hatten die Melier, Siphnier und Seriphier Fünfzigruderer, die Melier - die aus Lakedaimon stammen - zwei, die Siphnier und Seriphier - die aus Athen stammen, also Ioner sind - je einen. Die Gesamtzahl der Schiffe, außer den Fünfzigruderern, betrug dreihundertachtundsiebzig. 

Während Xerxes also Kriegsrat hielt und seine Stammeskönige und Flottenführer befragte, ob seine Kräfte denn noch ausreichten, erteilte einzig Artemisia ihm den Rat, von einer Seeschlacht abzustehen. Die Begründung, die sie lieferte, war durchaus schlüssig: "Dies Volk (die Griechen) ist deinen Völkern zur See so überlegen wie Männer den Weibern." Und auch ihre Einschätzung der persischen Bundesgenossen war ganz zutreffend: "Du bist der edelste und wackerste Herr auf der Welt, darum sind deine Diener, die sich deine Bundesgenossen nennen, schlecht, diese Ägypter, Kyprier, Kiliker und Pamphyler, die ganz und gar nichts wert sind!" Xerxes hingegen war der Meinung, allein die Tatsache, daß er die Schlacht vom Ufer aus verfolge, reiche hin, damit seine Schiffsführer sich nicht feige zeigten und desto tapferer kämpften. Um zu verhindern, daß die Seeschlacht andernorts stattfände und somit vor Salamis erzwungen würde, täuschte Themistokles, der Befehlshaber der Athener, verräterische Absichten vor und schickte seinen Sklaven zu den Persern,  mit der Aufforderung, sie sollten die Schlacht sogleich eröffnen, damit die Hellenen sich nicht davonstehlen und ihnen wo möglich entkämen. Auch bat Themistokles die Ioner, sich in der Schlacht zurückzuhalten, und wenn ihnen das nicht möglich sei, wenigstens wie Feiglinge zu kämpfen. Noch während der Nacht, die sie schlaflos zubrachten, nahmen die Perser die gesamte Meerenge in Besitz, und die Griechen vor Salamis waren daraufhin umzingelt. Bis zuletzt wollte dem Überbringer der Nachricht, daß ihnen nunmehr jeder Fluchtweg abgeschnitten sei, keiner Glauben schenken, bis Themistokles den Boten schließlich ins Feldherrnzelt hineinschickte.

81. Da ging Aristeides hinein und erzählte, daß er von Aigina komme und nur mit Mühe den Wachtschiffen entkommen sei. Die ganze hellenische Flotte sei von den Schiffen des Xerxes umzingelt. Er riet, sich zu rüsten, um sich der Feinde zu erwehren. Darauf ging er wieder hinaus, und drinnen begann der Streit von neuem. Denn die meisten Feldherren glaubten der Meldung des Aristeides nicht.

82. Während sie noch zweifelten, kam aber ein Dreiruderer der Tenier unter Führung des Panaitios, Sohnes des Sosimenes, an, der zu den Hellenen überging. Dies Schiff brachte die sicherste Kunde. Um dieser Tat willen sind die Tenier auf dem Dreifuß in Delphi mit unter den Besiegern des Perserkönigs verzeichnet. Durch dies bei Salamis übergegangene Schiff und das früher bei Artemision übergegangene lemnische kam die hellenische Flotte auf volle dreihundertachtzig Schiffe; bisher fehlten zwei an dieser Zahl.

83. Den Teniern glaubten die Hellenen und rüsteten sich zur Schlacht. Als der Morgen graute, wurden die Mannschaften zusammengerufen, und Themistokles vor allen hielt eine wackere Ansprache an sie, in der er alle die edlen und unedlen Regungen, die in der Brust des Menschen auftreten können, einander gegenüberstellte. Er mahnte, den edlen Regungen zu gehorchen, und schloß mit dem Befehl, die Schiffe zu besteigen. Sie gingen an Bord, und in dem Augenblick kam das Schiff aus Aigina zurück, das zu den Aiakiden gefahren war. Dann stach die ganze hellenische Flotte in See, und sofort griffen die Barbaren sie an.

84. Die Hellenen wollten schon rückwärts rudern und ans Land gehen, da stieß Ameinias aus Pallene, ein Athener, der vorausgefahren war, mit einem feindlichen Schiffe zusammen. Die Schiffe saßen fest aneinander und konnten sich nicht losmachen; darum kamen die anderen dem Ameinias zu Hilfe, und die Schlacht begann. So hat nach Überlieferung der Athener die Schlacht ihren Anfang genommen, die Aigineten dagegen berichten, daß das nach Aigina zu den Aiakiden entsandte Schiff den Anfang gemacht habe. Ein dritter Bericht sagt, daß den Hellenen eine Frau erschienen sei und mit lauter Stimme, so daß das ganze Heer es hörte, sie angefeuert habe. Sie habe mit den schmähenden Worten begonnen:

»Feiglinge, wie weit wollt ihr denn rückwärts rudern!«

85. Den Athenern standen die Phoiniker gegenüber, die den westlichen Flügel, gegen Eleusis hin, bildeten, den Lakedaimoniern die Ioner, die den östlichen Flügel, gegen den Peiraieus hin, bildeten. Einige der letzteren kämpften getreu der Bitte des Themistokles ohne Eifer, die meisten jedoch nicht. Ich könnte eine Menge ionischer Schiffsführer nennen, die hellenische Schiffe erobert haben, will es aber nicht tun. Nur Theomestor, Sohn des Androdamas, und Phylakos, Sohn des Histiaios, beide aus Samos, seien genannt, weil Theomestor wegen dieser Heldentat von den Persern zum Tyrannen von Samos gemacht wurde, und Phylakos unter den königlichen Wohltätern verzeichnet und mit vielen Ländereien beschenkt wurde. Diese königlichen Wohltäter heißen in persischer Sprache Orosangen. Soviel von diesen Ionern.

86. Die meisten feindlichen Schiffe wurden bei Salamis zerstört, teils von den Athenern, teils von den Aigineten. Denn die Hellenen kämpften mit großer Geschicklichkeit und hielten sich in Reih und Glied; die Barbaren hielten keine Ordnung und verfuhren ohne jede Überlegung. Da konnte der Ausgang der Schlacht kein anderer sein. Dabei waren und zeigten sich die Barbaren an diesem Tage weit tapferer als bei Euboia. Jeder tat sein Bestes und fürchtete sich vor Xerxes; denn er glaubte, daß der König gerade auf ihn schaue.

87. Von den übrigen - Barbaren sowohl wie Hellenen - kann ich nicht genauer angeben, wie sie sich in der Schlacht gehalten haben; aber Artemisia hat sich sehr klug benommen, und ihr Ansehen beim König stieg dadurch noch höher. Denn als die Flotte des Königs in arge Bedrängnis zu geraten begann, wurde auch das Schiff der Artemisia von einem attischen Schiff verfolgt. Sie konnte nicht entweichen, denn hinter ihr lagen andere befreundete Schiffe, und ihr eigenes Schiff stand den feindlichen am allernächsten. Da entschloß sie sich zu einem Streich, der ihr auch glückte. Sie rettete sich vor dem verfolgenden attischen Schiff, indem sie in ein Barbarenschiff hineinfuhr. Es war ein kalyndisches, das den König der Kalynder, Damasithymos, selber an Bord hatte. Wenn sie mit diesem Damasithymos auch früher am Hellespontos einen Streit gehabt haben mag, so möchte ich doch nicht entscheiden, ob sie mit Absicht gerade in dies kalyndische Schiff hineingefahren ist oder ob es ihr nur zufällig in den Weg kam. Genug, sie überrannte es und bohrte es in den Grund, und dieser glückliche Einfall verschaffte ihr zwei große Vorteile. Denn als der Führer des attischen Schiffes sie ein feindliches Schiff angreifen sah, dachte er, Artemisias Schiff sei entweder ein hellenisches oder es verlasse die Barbaren und gehe zu den Hellenen über; er ließ es fahren und wandte sich gegen andere.

88. So gelang es Artemisia einerseits zu fliehen und dem Verderben zu entkommen, andererseits hatte sie das Glück, bei Xerxes trotz des Schadens, den sie angerichtet hatte, zum höchsten Ansehen zu kommen. Man erzählt nämlich, daß Xerxes beim Zuschauen auch das angreifende Schiff der Artemisia bemerkte und daß jemand aus seinem Gefolge sagte:

»Herr, siehst du, wie tapfer Artemisia kämpft und ein feindliches Schiff in den Grund bohrt?«

Xerxes fragte, ob das wirklich Artemisia sei, und sie, die das Zeichen ihres Schiffes genau kannten, bestätigten es. Das angegriffene Schiff aber hielten sie für ein feindliches, und Artemisia hatte zu allem anderen auch noch das Glück, daß von dem kalyndischen Schiffe keiner gerettet wurde, um sie zu verklagen. Da soll denn Xerxes erwidert haben:

»Die Männer sind bei mir zu Weibern geworden und die Weiber zu Männern!«

Dies ist der Ausspruch, den Xerxes getan haben soll.

89. In diesem heißen Kampfe fiel der Feldherr Ariabignes, Dareios' Sohn, Xerxes' Bruder, und mit ihm viele andere hervorragende Perser, Meder und Bundesgenossen. Dagegen kamen nur wenige Hellenen um. Denn weil sie schwimmen konnten, schwammen die, deren Schiffe untergingen, ohne daß sie selber im Handgemenge fielen, nach Salamis hinüber. Die meisten Barbaren dagegen ertranken, weil sie nicht schwimmen konnten. Und sobald die vorderste Reihe sich zur Flucht wandte, gingen auch die hinteren Schiffe meist zu Grunde; denn die hinteren Reihen versuchten, vorwärts zu dringen, um auch ihrerseits dem König Taten vorweisen zu können, und stießen mit ihren eigenen fliehenden Schiffen zusammen.

90. Noch folgendes ist von dem Getümmel der Schlacht zu berichten. Einige Phoiniker, die ihre Schiffe verloren hatten, gingen zum König und beschuldigten die Ioner des Verrats: durch ihre Schuld ginge die Flotte verloren. Aber die ionischen Feldherren blieben unbestraft, während die phoinikischen Ankläger den verdienten Lohn ernteten. Und das ging so zu. Während die Phoiniker noch sprachen, griff ein samothrakisches Schiff ein attisches an. Das attische ging unter, und ein heranstürmendes aiginetisches bohrte nun das samothrakische in den Grund. Die Samothraker als gute Schützen aber schossen die Besatzung des Schiffes, das das ihrige zum Sinken gebracht hatte, herunter und nahmen es selber in Besitz. Das rettete die Ioner; denn als Xerxes diese heldenmütige Tat sah, wandte er sich voller Zorn zu den Phoinikern, schob alle Schuld ihnen zu und befahl, ihnen die Köpfe abzuschlagen, damit diese Feiglinge nicht die Tapferen verleumdeten.

Xerxes saß nämlich unten an dem Berge namens Aigaleos, gegenüber von Salamis, und wenn er sah, daß einer aus der Flotte sich in der Seeschlacht auszeichnete, fragte er nach seinem Namen, und die Schreiber schrieben den Namen des Schiffsführers samt dem seines Vaters und seiner Vaterstadt auf. Zu dem Mißgeschick dieser Phoiniker trug auch die Anwesenheit des Persers Ariaramnes bei, der ein Freund der Ioner war.

91. So wurden die Phoiniker den Henkern übergeben.

Als die Barbaren die Flucht ergriffen und nach Phaleron zu entkommen suchten, verrichteten die Aigineten, die sich in der Meerenge auf die Lauer gelegt hatten, denkwürdige Taten. Denn während die Athener im Gewühle selber die kämpfenden und die fliehenden Schiffe zerstörten, fingen die Aigineten die davonsegelnden ab. Wer also den Athenern entkam, fiel den Aigineten in die Hände.

92. Da trafen auch das Schiff des Themistokles und des Aigineten Polykritos, Sohnes des Krios, zusammen. Beide waren auf der Verfolgung. Polykritos griff jenes sidonische Schiff an, das das aiginetische Wachtschiff bei Skiathos gekapert hatte, auf dem sich Pytheas, Sohn des Ischenoos, befand, den dann die Perser, so schwer verwundet er auch war, aus Bewunderung für seine Tapferkeit am Leben erhielten. Dies sidonische Schiff, mit Pytheas und persischer Besatzung an Bord, wurde jetzt erobert, so daß Pytheas glücklich nach Aigina zurückkehren konnte. Als nun Polykritos das attische Schiff erblickte, sah er an dem Zeichen, daß es das Feldherrenschiff war, rief den Themistokles an und erinnerte ihn spottend an die persische Gesinnung Aiginas. So spottete Polykritos, während er auf das feindliche Schiff losging. Die Barbaren, die ihre Schiffe hatten retten können, flüchteten nach Phaleron unter den Schutz des Landheeres.

93. Den Preis der Tapferkeit in dieser Seeschlacht hat man den Aigineten zuerkannt, den zweiten Preis den Athenern. Von einzelnen Männern zeichneten sich am meisten aus: Polykritos aus Aigina und die Athener Eumenes aus dem Demos Anagyros und Ameinias aus Pallene, derselbe, der Artemisia verfolgt hatte. Hätte er gewußt, daß sich Artemisia auf jenem Schiffe befand, so hätte er nicht geruht, bis er ihr Schiff erobert oder das seinige verloren hätte. Denn dieser Befehl war den Führern der athenischen Schiffe erteilt worden und dazu noch ein Preis von zehntausend Drachmen auf ihre Gefangennahme gesetzt worden; denn die Athener waren empört, daß ein Weib gegen Athen zu Felde zog. Aber sie entkam, wie ich oben erzählt habe, und befand sich mit allen anderen, deren Schiffe davongekommen waren, in Phaleron.

94. Adeimantos, der korinthische Feldherr, hat, wie die Athener erzählen, gleich zu Beginn der Schlacht voller Schreck und Angst die Segel gehißt und ist davongefahren, und als die Korinthier ihr Feldherrnschiff fliehen sahen, haben auch sie die Flucht ergriffen. Als sie aber in der Nähe des Heiligtums der Athena Skiras auf Salamis waren, kam ihnen ein von den Göttern geschicktes Segelschiff entgegen, dessen Absender nie bekannt geworden ist und das auf die Korinthier, die nichts von dem Schicksal der Flotte wußten, losfuhr. Darum meinen die Athener, daß die Götter ihre Hand dabei im Spiele gehabt hätten. Es fuhr nahe an die Schiffe heran, und die Leute auf dem Segelschiff sagten:

»Adeimantos, du läßt die Hellenen im Stich und willst mit deinen Schiffen fliehen. Und doch siegen sie über die Feinde so völlig, wie sie nur je gewünscht haben.«

Da Adeimantos das nicht glauben wollte, sagten sie weiter, die Korinthier sollten sie als Geiseln mitnehmen und töten, wenn die Hellenen nicht einen glänzenden Sieg gewännen. Da machten denn er und die anderen kehrt und kamen zur Flotte zurück, als die Schlacht vorüber war. So lautet eine Überlieferung der Athener, aber die Korinthier widersprechen und behaupten, aufs tapferste in der Schlacht mitgekämpft zu haben. Die übrigen Hellenen bestätigten das.

95. Der Athener Aristeides, Sohn des Lysimachos, dessen wackeren, edlen Sinn ich kurz vorher erwähnt habe, hat während des Seekampfes bei Salamis folgendes getan. Er nahm eine Schar Hopliten, die an der Küste von Salamis aufgestellt waren – es waren Athener –, und fuhr mit ihnen nach der Insel Psyttaleia hinüber. Sie erschlugen sämtliche auf dem Inselchen befindlichen Perser.

96. Als die Seeschlacht aufgehört hatte, zogen die Hellenen alle Wracks in Salamis aufs Land, die sich dort noch fanden, und machten sich zu einer zweiten Schlacht bereit, denn sie glaubten, der König werde mit dem Rest der Schiffe einen neuen Angriff wagen. Viele von den Wracks hatte nämlich der Westwind an die attische Küste, nach dem sogenannten Kolias, hinübergetrieben, so daß sich nicht nur alle anderen Weissagungen des Bakis und Musaios über die Seeschlacht erfüllten, sondern auch die Weissagung über diese Schiffstrümmer, die viele Jahre zuvor der athenische Orakelverkünder Lysistratos ausgesprochen hatte und die allen Hellenen unverständlich geblieben war:

Kolias' Weiber rösten dereinst mit Rudern die Gerste.

Das sollte jetzt nach Abzug des Königs in Erfüllung gehen.

 

Also endete die Seeschlacht bei Salamis, eine Schlacht, die sowohl was den Einsatz an schwerem Kriegsgerät als auch den Verlust von Menschenleben angeht, keiner anderen nachsteht. Als Xerxes miterleben mußte, wie die Flotte vor seinen Augen zugrunde ging, erinnerte er sich des Rates der Artemisia, lobte ihre Weisheit und brach den Feldzug ab. Von seinem riesigen Heer, das auf dem Rückweg sowie in einer weiteren Feldschlacht fast vollständig zugrunde ging, erreichten nur ganz wenige die Heimat. Danach gelüstete es keinen der persischen Herrscher jemals mehr, seine Fühler nach Europa auszustrecken. Somit ist die Seeschlacht bei Salamis auch ein Sieg des Abendlandes über das Morgenland, ein Triumph des Geistes über die Unvernunft.

 

 

Textauszug aus Herodot, Historien. Übersetzt von A. Horneffer, Alfred Kröner Verlag Stuttgart, 1971.

 

 

 

 

 

Copyright © 2006, Manfred Hiebl. Alle Rechte vorbehalten.