HANNO DES KARTHAGISCHEN SUFETEN BERICHT VON DER UMSEGELUNG DER JENSEITS DER SÄULEN DES HERAKLES LIEGENDEN LIBYSCHEN TEILE DER ERDE,

den er auch im Tempelbezirk des Kronos als Weihegabe aufgestellt hat; er tut darin folgendes kund: Römischer Dreiruderer

Die Karthager beschlossen, daß Hanno über die Säulen des Herakles hinausfahren und Städte der Libyphöniker gründen solle. Und so stach er in See, an der Spitze von 6o Fünfzigruderern, und führte eine Menge von Männern und Frauen, 30000 an der Zahl, sowie Verpflegung und sonstigen Bedarf mit sich.

Als wir aber auf die hohe See gelangt waren, passierten wir die Säulen, segelten draußen zwei Tage weiter und gründeten eine erste Stadt, die wir Thymiaterion nannten; sie beherrschte eine weite Ebene. Sodann segelten wir nach Westen und trafen auf das mit Bäumen bestandene libysche Vorgebirge Soloeis. Wir errichteten dort ein Heiligtum des Poseidon, gingen wieder an Bord und nahmen Kurs nach Süden, einen halben Tag lang, bis wir an einen See gelangten, der nicht weit vom Meere lag; er war voll mit dichtem, hochgewachsenem Schilf; in ihm hielten sich auch Elefanten auf und andere dort weidende Tiere in großer Zahl.

Wir verließen diesen See, fuhren eine ganze Tagereise weiter und besiedelten dann Städte am Meer, welche Karikon Teichos, Gytte, Akra, Melitta und Arambys hießen. Nachdem wir von da aufgebrochen waren, gelangten wir an den großen Fluß Lixos, der von Libyen herströmt. An ihm weidete ein Nomadenvolk, die Lixiten, seine Herden; bei ihnen blieben wir einige Zeit, da wir uns angefreundet hatten. Hinter diesen siedelten ungastliche Äthiopen, die ein wildes Land beweideten, das durch hohe Bergzüge zergliedert wird. Aus diesen Bergen fließe - so sagt man - der Lixos; rings um diese Berge aber wohnten sonderbar aussehende Menschen, die Troglodyten, von denen die Lixiten behaupteten, sie könnten schneller laufen als Pferde.

Wir ließen uns von ihnen Dolmetscher geben und segelten dann an einer menschenleeren Wüste entlang nach Süden, zwei Tage lang; von da aber wieder gegen Osten hin, eine Tagefahrt weit. Dort fanden wir im Winkel einer Bucht eine kleine Insel; sie hatte einen Umfang von fünf Stadien. Auf ihr gründeten wir eine Siedlung, die wir Kerne nannten. Aus unserer Fahrtroute erschlossen wir, daß es genau gegenüber von Karthago liegen müsse; denn die Fahrtstrecke von Karthago bis zu den Säulen entsprach der von dort bis Kerne.

Von da gelangen wir an einen See, nachdem wir einen großen Fluß mit Namen Chremetes durchfahren hatten. In diesem See aber lagen drei Inseln, die größer waren als die von Kerne. Von ihnen aus legten wir eine Tagefahrt zurück und kamen in den Winkel des Sees, über den sehr hohe Berge hereinragten, die voll wilder Menschen waren, die sich in Tierfelle gehüllt hatten; sie warfen mit Felsbrocken, verjagten uns und ließen uns nicht an Land gehen.

Wir segelten von dort weiter und kamen an einen anderen Fluß, der groß und breit war und von Krokodilen und Flußpferden nur so wimmelte. Dort drehten wir um und gelangten wieder nach Kerne zurück.

Von dort segelten wir zwölf Tage nach Süden, immer unter der Küste, die in ihrer ganzen Länge Äthiopen bewohnten; diese nahmen vor uns Reißaus und blieben nicht da. Sie sprachen eine Sprache, die auch die Lixiten, die mit uns fuhren, nicht verstehen konnten. Am letzten Tage nun ankerten wir bei hohen, dicht bewaldeten Bergen. Das Holz der Bäume war wohlriechend und von verschiedenen Farben. Wir segelten um diese Berge herum, zwei Tage lang, und gelangten an eine unermeßlich weite Meeresfläche. Auf der einen Seite davon war zum Land hin eine Ebene, von der wir nachts überall Feuer aufsteigen sahen, bald in größeren, bald in engeren Abständen.

Wir nahmen Wasser an Bord und segelten von da fünf Tage weiter an der Küste entlang, bis wir in eine große Bucht gelangten, von der die Dolmetscher sagten, sie heiße "Horn des Westens". In dieser Bucht lag eine große Insel, und auf der Insel ein See mit Salzwasser; in ihm aber lag eine weitere Insel, bei der wir an Land gingen; wir sahen jedoch bei Tag nichts außer Wald, nachts aber zahlreiche Feuerbrände, und hörten den Klang von Flöten, das Gedröhne von Zimbeln und Trommeln sowie tausendfältiges Geschrei. Da ergriff uns Furcht, und die Seher hießen uns, die Insel zu verlassen.

Rasch fuhren wir ab und kamen an einem Land vorbei, das von Feuer durchglüht und voll von Rauch war. Riesige Feuerbäche stürzten aus ihm ins Meer. Den Boden aber konnte man vor Hitze nicht betreten. Voller Furcht segelten wir auch von da schnell wieder ab. Vier Tage lang dahinfahrend, sahen wir nachts das Land von Flammen erfüllt. In der Mitte aber war ein steil aufsteigendes Feuer, größer als alle anderen, das - wie es schien - die Sterne in Brand setzte. Am Tage aber zeigte es sich als ein sehr hoher Berg, "Götterwagen" genannt. Römische Trireme

Drei Tage lang segelten wir von dort an feurigen Sturzbächen entlang und gelangten dann an eine Bucht, die "Horn des Südwinds" hieß. Im Winkel lag eine Insel, die der ersten glich und ebenfalls einen See aufwies. Und in diesem See lag eine weitere Insel, voll von wilden Menschen. Es waren überwiegend Weiber, die am ganzen Körper dicht behaart waren; die Dolmetscher nannten sie goríllai. Wir verfolgten sie, konnten aber keine Männer fangen; sie entwischten alle, weil sie ausgezeichnete Kletterer waren und sich mit Felsbrocken zur Wehr setzten; Weiber aber fingen wir drei ein; sie bissen und kratzten und wollten denen, die sie führten, nicht folgen. Daher töteten wir sie, zogen ihnen die Haut ab und brachten die Bälge nach Karthago mit.

Dann segelten wir von da aus nicht mehr weiter voran, da unsere Lebensmittelvorräte zur Neige gingen.

Aus: Plinius, Naturkunde, München 1993 (mit freundlicher Genehmigung des Artemis & Winkler Verlags)