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Vom Heldentod Tejas des letzten Gotenkönigs

Jetzt komme ich an die Beschreibung einer höchst denkwürdigen Schlacht und des Heldenmuts eines Mannes, der in keiner Beziehung einem der sogenannten Heroen nachsteht. Und zwar will ich von Tejas reden. Die Goten stachelte ihre verzweifelte Lage zur Tapferkeit an; die Römer leisteten ihnen, obgleich sie ihre Verzweiflung bemerkten, mit allen Kräften Widerstand, da sie sich schämten, dem schwächeren Gegner zu weichen. Beide gingen mit Ungestüm auf die nächststehenden Feinde los, die einen weil sie den Tod suchten, die anderen weil sie um die Palme des Sieges stritten. Früh am Morgen begann die Schlacht. Weithin kenntlich stand Tejas mit wenigen Begleitern vor der Phalanx, von seinem Schilde gedeckt und die Lanze schwingend. Wie die Römer ihn sahen, meinten sie, mit seinem Fall werde der Kampf sofort zu Ende sein, und deshalb gingen gerade die tapfersten, sehr viele an der Zahl, geschlossen gegen ihn vor, indem sie alle mit den Speeren nach ihm stießen oder warfen. Er aber fing alle Speere mit dem Schild, der ihn deckte, auf und tötete viele in blitzschnellem Sprung. Jedesmal, wenn sein Schild von aufgefangenen Speeren ganz voll war, reichte er ihn einem seiner Waffenträger und nahm einen anderen. So hatte er ein Drittel des Tages unablässig gefochten. Da ereignete es sich, daß in seinem Schild zwölf Speere hafteten, so daß er ihn nicht mehr beliebig bewegen und die Angreifer nicht mehr damit zurückstoßen konnte. Laut rief er einen seiner Waffenträger herbei, ohne seine Stellung zu verlassen oder nur einen Fingerbreit zurückzuweichen. Keinen Augenblick ließ er die Feinde weiter vorrücken; weder wandte er sich so, daß der Schild den Rücken deckte, noch bog er sich zur Seite, sondern wie mit dem Erdboden verwachsen stand er hinter dem Schild da, mit der Rechten Tod und Verderben gebend, mit der Linken die Feinde zurückstoßend - so rief er laut den Namen des Waffenträgers. Dieser trat mit dem Schild herzu, und er nahm ihn sofort statt des speerbeschwerten. In diesem Moment war nur einen kurzen Augenblick seine Brust entblößt: ein Speer traf ihn, und er sank sofort tot zu Boden. Einige Römer steckten seinen Kopf auf eine Stange und zeigten ihn beiden Heeren, den Römern, um sie noch mehr anzufeuern, den Goten, damit sie in Verzweiflung den Kampf aufgäben. Die Goten aber taten das keineswegs, sondern kämpften bis zum Einbruch der Nacht, obwohl sie wußten, daß ihr König gefallen war. Als es dunkel geworden war, ließen die Gegner voneinander ab und brachten die Nacht unter den Waffen zu. Am folgenden Tag erhoben sie sich früh, nahmen dieselbe Aufstellung und kämpften wieder bis zur Nacht. Keiner wich dem anderen auch nur um eines Fußes Breite, obgleich von beiden Seiten viele den Tod fanden, sondern erbittert setzten sie die furchtbare Blutarbeit fort, die Goten in dem vollen Bewußtsein, ihren letzten Kampf zu kämpfen, die Römer weil sie sich von jenen nicht überwinden lassen wollten. ... und das achtzehnte Jahr dieses Gotenkrieges, den Prokop beschrieben hat, ging zu Ende.

 

Prokop, Gotenkrieg IV, 35. Nach der Übersetzung von David Costa bearbeitet und ergänzt von Alexander Heine

 

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