War es Übersinnliches oder ein bloßes
Hirngespinst? Der heilige Georg gilt ebenso wie der heilige
Mercurius seit altersher als der Schutzheilige der Soldaten. Auch
die heilige Jungfrau von Orléans genoß einen ähnlichen Status.
An der Verehrung Schutzheiliger hatte sich auch bis zum ersten
Weltkrieg nichts geändert. Schon während der ersten Kreuzzuges
wollen Menschen in religiöser Inbrunst ganz in Weiß gekleidete
Ritter in glänzender Rüstung gesehen haben, die ihnen auf
Schimmeln an der Spitze des Heeres voranritten und ihnen damit
zum Siege verhalfen. Geht man der Sache jedoch auf den Grund, so
war stets eine ausweglose Situation die Ursache solcher
Erscheinungen, und erst als die Menschen ungläubig wurden, war
es mit dem Spuk schlagartig vorbei. Neben allen diesen
spiritistischen Fragen steht aber eine nicht ganz unwesentliche
historische Selbsterkenntnis mit im Vordergrund, die den Briten,
die den nachfolgenden Artikel geschrieben haben, zur besseren
Einsicht verhalf, auf die deutsche Kriegführung hingegen ein
schlechtes Licht wirft. Wären da nicht die Angels of Mons
gewesen, so hätte es vielleicht einen zweiten Weltkrieg niemals
gegeben, weil dann der erste siegreich hätte beendet werden
können. Mit der britischen Präsenz auf den Kriegsschauplätzen
wäre es jedenfalls gründlich vorbei gewesen, wenn ein Verlust
wie der nachfolgend beschriebene sie tatsächlich getroffen
hätte. Denn die Angels of Mons sind das Pendant aus dem ersten
Weltkrieg zu Dünkirchen. Wie der "Führer" den Sieg
verschlief, während die britische Armee sich heimlich
davonschlich, so muß ähnlich die Generalität im belgischen
Mons geschlafen haben, als sie dem abziehenden Feind, der bereits
eingekesselt war, freies Geleit gab, anstatt ihm nachzusetzen.
Bis heute sind die Gründe dafür unklar, aber wie der folgende
Artikel beweist, dürfte der Grund nach britischer Aussage wohl
darin zu suchen sein, "daß der Feind (in diesem Fall die
Deutschen) nicht genügend schonungslos war, um die sich
zurückziehenden (britischen) Soldaten zu vernichten." Ein
niederschmetterndes Urteil, wenn man bedenkt, wie die
Ritterlichkeit der Deutschen, den unterlegenen Feind zu schonen
und entkommen zu lassen, belohnt und im nächsten Krieg vergolten
wurde, u.a. mit der Bombardierung Dresdens, wo Zigtausende
hilfloser und unschuldiger Menschen Opfer eines ruhmlosen
Flächenbombardements wurden, möge es den Briten zur ewigen
Schande gereichen. So sind denn die Engel von Mons ein bildhafter
Beweis dafür, wie eine Nation von sich selbst glauben mag, ein
auserwähltes, unter göttlichem Schutz stehendes Volk zu sein.
Was wir aber daraus lernen ist, daß sich edle Haltung im
Kriegsgeschehen niemals auszahlt. Aber lassen wir nun die Autoren
selbst zu Wort kommen:
Befrägt man Veteranen nach ihren Kriegserlebnissen, so werden einem Ereignisse geschildert, die von schrecklicher, heroischer oder spiritistischer Natur sind. Die meisten davon sind wahr, und einige können Ihnen aufgrund ihrer Lachhaftigkeit den Atem stocken lassen. Unter diesen findet sich die Geschichte, die von Soldaten aus dem ersten Weltkrieg erzählt wurde und die von den Angels von Mons handelt.
Die Geschichte tut sich zu Beginn des Krieges auf, als das britische Expeditionskorps, mehr als zwei zu eins in der Minderzahl, sich aus Mons zurückzog. Nach drei Tagen ständigen Kämpfens war die Lage der Armee, speziell des 2. Korps, entsetzlich. Sie war nahezu vollständig eingekreist, und gegen 3.30 Uhr am Nachmittag des 26. August 1914 rechneten die Soldaten, die nun unter schwerem Dauerfeuer lagen, damit, daß der Feind sie überwältigen würde. Als die zeitige Abenddämmerung anbrach, erschien es, als würde eine schimmernde Luftspiegelung aus kleinen geflügelten Gestalten, die wie Engel aussahen, über den deutschen Linien schweben. Weil die deutschen Truppen entweder nicht konnten oder nicht wollten, gingen ihnen in Ausführung ihres letzten Angriffs, der ihnen den vollständigen Sieg beschert hätte, wertvolle Minuten verloren. In der unwirklichen Stille, die folgte, gewannen die Briten wertvolle Zeit und konnten sich im Laufe der Nacht in Sicherheit bringen. Diese Aktion ermöglichte es der Armee zu entkommen und ihrer totalen Vernichtung durch die schwere und gut ausgerüstete 1. Deutsche Armee zu entgehen.
Die Visionen während des
Rückzugs aus Mons fanden keinerlei Erwähnung in irgendeinem der
Berichte, die unterdessen erstattet wurden, doch später, am 29.
September jenes Jahres, erschien eine Erzählung in den
"Evening News" von Arthur Machen. Die Erzählung nannte
sich "Die Bogenschützen". Sie erzählte von einem am
Rückzug beteiligten Soldaten, der, als er gerade einen letzten
Schützengraben aushob, einen lateinischen Wahlspruch vor sich
hin murmelte, um sich selbst Mut zuzusprechen. Die Worte
"Adsit Anglis Sanctus Georgius" (Möge St. Georg den
Engländern beistehen) zeigten eine sofortige Wirkung. Der Soldat
spürte, wie ihm ein Schauer über den Rücken lief, und aus dem
Schlachtenlärm heraus hörte er Stimmen rufen: "St. Georg!
St. Georg!" Vor ihm befand sich, über dem Feind schwebend,
die strahlende Erscheinung des heiligen Georg in glänzender
Rüstung, an der Spitze eines Heeres englischer
Langbogenschützen. Während die Bogenschützen einen Hagel von
Pfeilen auf die Deutschen herabregnen ließen, konnte sich das
britische Heer, darüber erstaunt, was es da miterlebt hatte, in
Sicherheit bringen.
Die Geschichte schwappte übers Land wie ein Steppenbrand und setzt eine wilde Gerüchteküche in Gang, die sich nicht aufhalten ließ. Machen wurde von einer Masse von Leuten umlagert, die alle wissen wollten, ob es eine wahre Begebenheit oder eine Fiktion sei. Natürlich! sei es eine Fiktion, antwortete Machen, und die Geschichte sei weiter nichts als reine Phantasie, die ihm eines Sonntagmorgens untergekommen sei, während er einer Predigt in der Kirche lauschte. Aber das erstickte die Geschichte im Keim weder da noch dort.
Eine der Hofdamen bei Hofe erzählte, wie sie den Brief eines Soldaten erhalten habe, welcher die gleiche Geschichte wiedergab, noch bevor sie veröffentlicht worden war. Der Herausgeber einer Zeitschrift mit dem Namen "The Occult Review" veröffentlichte die Aussage eines Soldaten, der einer Krankenschwester in Frankreich einen Bericht diktiert hatte, welcher von einer ähnlichen Geschichte berichtete. Der Herausgeber hatte alle Mühe zu erklären, daß der Obergefreite dem Bericht seinen Namen nicht hinzufügen durfte, weil Verordnungen einen Kontakt mit der Presse verboten. Der Herausgeber, Harold Begbie, stellte sogar hinsichtlich dessen eine Theorie auf, warum Machen glaubte, daß die Erzählung Fantasie sei. Begbie behauptete, daß Machen mittels Telepathie eine Vision direkt von einem Soldaten empfangen hätte, der zu der Zeit, als sich die Vision ereignete, auf dem Schlachtfeld starb. Begbie behauptete auch, daß Machen der Empfänger gewesen sei, weil er (Machen) in der Kirche gewesen war und wahrscheinlich auf telepathische Botschaften reagiert habe, eine Theorie, die Machen vehement zurückwies, auch wenn noch andere "Beglaubigungen" ins Gespräch gekommen waren. Ein größeres nationales Blatt griff die Story auf und suchte mittels Inseraten nach irgendwelchen Soldaten, die die "Engel" gesehen hätten, damit diese sich meldeten. Es kam auch eine Rückmeldung, aber es stellte sich heraus, daß jener gar nicht in Mons gewesen war.
Die Geschichte war nun zur Legende geworden, und es gibt noch
immer viele, die bis jetzt glauben, daß sie wahr sei. Es gibt in
Mons ein Gemälde mit der Überschrift "Die Engel von
Mons", welches geflügelte Bogenschützen zeigt, welche die
Briten vor den Deutschen retten. Es gab keinerlei Berichte von
irgendwelchen Deutschen, die Erscheinungen, Engel oder
Bogenschützen am Himmel über Mons gesehen haben. Ist also die
einzige Erklärung die, daß der Feind einfach zu erschöpft war,
um die Briten zu verfolgen? Wenn dem so ist, so liefert das keine
vernünftige Erklärung bezüglich dessen, warum so viele Briten
überleben konnten. Die Deutschen hatten 160.000 Mann und 600
Kanonen. Die Briten waren nach vier Tagen erbitterter Gefechte
auf weniger als 70.000 Mann mit 300 Kanonen zusammengeschrumpft.
Die offizielle Erklärung, die damals abgegeben wurde, war, daß
der Feind nicht genügend schonungslos war, um die sich
zurückziehenden Soldaten zu vernichten.
Der Gedanke, daß ein Wunder geschah, ist eine volkstümliche Ansicht, und heute noch sind viele gewillt gelten zu lassen, daß wirklich Engel einschritten.
Nach "The Chronicler"
Es folgt die wortwörtliche Aussage jenes zuverlässigen Obergefreiten:
Ich befand mich mit meinem Bataillon auf dem Rückzug von Mons am oder um den 28. August (1914). Das Wetter war sehr heiß bei guter Sicht, und zwischen acht und neun Uhr abends war ich zusammen mit neun weiteren Männern auf Spähtrupp, und in einiger Entfernung hielten Trupps zu zehnt zu beiden Seiten Ausschau. Direkt hinter uns lag die Hälfte meines Bataillons am Rand einer Waldschneise. Plötzlich trat ein Offizier in einem Zustand großer Aufregung an uns heran und fragte uns, ob wir nicht etwas Erschreckendes gesehen hätten ... holte mich und einige andere ein paar Meter zur Seite und deutete auf den Himmel. Ich konnte klar erkennbar frei schwebend ein seltsames Licht sehen, das sich ausgesprochen deutlich abzuzeichnen schien und keine Reflexion des Mondes war, noch waren irgendwelche Wolken in der Nachbarschaft. Das Licht wurde heller und ich konnte drei scharfe Umrisse ausmachen, einen in der Mitte, der etwas aufwies, was wie ausgebreitete Flügel aussah; die beiden anderen waren nicht so groß, waren aber eindeutig von dem in der Mitte verschieden. Es schien, als hätten sie lange, lose umhängende Kleider goldener Färbung; sie befanden sich über der uns zugekehrten deutschen Linie. Wir standen da und schauten sie etwa eine dreiviertel Stunde lang an. Alle, die mit mir dort waren, sahen sie, und andere, die uns auch erzählten, daß die das gleiche gesehen hätten, stießen aus anderen Gruppen hinzu. Dies ist eine Aussage, die hauptsächlich aus einer Unterhaltung herrührt!
Haben Sie irgendeinen der Männer nochmals getroffen, seit Sie hierher zurückgekommen sind?
Nur einen. Er liegt im Augenblick im Netley Hospital. Er ist bei den Schottengarden ... er beschrieb die drei Gestalten ... sich auf halbem Wege zwischen Erde und Himmel befindend - freischwebend, über den deutschen Linien und den britischen zugekehrt. Sie wurden immer heller, sagte er. Die zentrale Gestalt war viel größer als die beiden anderen und hatte leuchtende Flügel, womit sie die beiden kleineren Gestalten zu beiden Seiten zu beschirmen schien ... Man konnte ausmachen, daß sie Gesichter hatten, aber man konnte nicht erkennen, wie sie aussahen ... zu Füßen der drei Gestalten stand ein heller Stern, und zwar blieb der Stern zurück, als die Umrisse entschwanden ...
Aus der Encyclopedia des Australien War Memorial
Wie jeder Soldat des zwanzigsten Jahrhunderts, der die Engel von Mons oder die ruhige See vor Dünkirchen miterlebt hatte, war er überzeugt, daß dies das Resultat des Eingreifens Gottes sei. (Rosalind Hill)