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Zweiter Abschnitt

A e t h i o p i e n


Kurze Nachricht von den Äthiopiern, ihrem Priesterreich zu Meroë und ihren Sitten; dann noch einiges über Ägypten
§ 1
Die Äthiopier, Bewohner der heißen Zone, führen ein ebenso armseliges Leben als die Bewohner der kalten; und wie die Menschen sind, so die Tiere     Manches von den äthiopischen Völkern wurde schon in früheren Vorträgen erzählt, so daß zugleich mit Ägypten auch diese durchwandert sein können. Überhaupt aber müssen die an die ungemäßigten und wegen Hitze oder Kälte unbewohnten Erdgürtel angrenzenden Enden der bewohnten Welt anders geartet und Verschlechterungen des gemäßigten Erdgürtels sein. Dieses erkennt man aus dem Leben der Bewohner und ihrem Mangel an allem menschlichen Bedarf. Daher leben auch die Äthiopier kümmerlich und größtenteils nackt und als Wanderhirten. Ihr Zuchtvieh ist klein, Schafe sowohl als Ziegen und Kühe. Auch die Hunde sind klein, aber bissig und wehrhaft. Und selbst noch die Bewohner sind klein. Vielleicht sind gerade vom kleinen Wuchs dieser Menschen die Pygmäen erdacht und gefabelt, denn keiner der glaubwürdigen Männer behauptet sie gesehen zu haben.
 
 

§ 2

Nahrung und Lebensweise der Äthiopier in Meroë, der Insel und Stadt. Beschreibung der Insel, nebst einigen ihrer Erzeugnisse     Die Äthiopier leben von Hirse und Gerste, von beiden bereiten sie sich auch Getränke. Statt des Öls haben sie Butter und Talg. Ebenso haben sie keine Baumfrüchte, außer den wenigen Datteln in den königlichen Gärten. Einige essen sowohl Kraut, zarte Sprossen, Lotos und Rohrwurzeln, aber auch Fleisch, Blut, Milch und Käse. Als Götter verehren sie ihre Könige, welche zumeist wie Haushüter eingeschlossen sind.
    Ihr größter Königssitz ist die der Insel gleichnamige Stadt Meroë. Die Insel, sagt man, gleiche in Gestaltung einem Schild. Ihre Größe wird vielleicht mit Übertreibung angegeben, in Länge zu etwa dreitausend Stadien, in Breite zu tausend. Sie enthält auch viele Berge und große Wälder. Die Bewohner sind teils Wanderhirten, teils Jäger, teils Feldbauer. Auch sind dort Kupfergruben, ebenso Eisen - und Goldgruben sowie verschiedene Arten kostbarer Steine. Von Libyen ist sie durch große Sanddünen abgeschlossen, von Arabien durch zusammenhängende Bergwände, oberhalb im Süden durch die Umfassungen der Ströme Astaboras, Astapus und Astasobas; gegen Norden geht dann der weitere Stromlauf des Nils bis gen Ägypten in der früher erwähnten Krümmung des Flusses. In den Städten bestehen die Wohnhäuser aus zusammengeflochtenen Palmscheiten und Wänden aus Backstein. Das Salz wird gegraben wie bei den Arabern. Von Bäumen ist die Palme häufig und die Persea oder ägyptische Mandel, auch der Ebenholz- und Johannisbrotbaum. Die Jagd geht auf Elefanten, Löwen und Panther. Auch mit Elefanten kämpfende Schlangen gibt es und viele andere Tiere, denn diese entfliehen aus den heißeren und dürreren Gegenden in die feuchten und sumpfigen.
 
 

§ 3

Der Psebo-See. Sitten und Lebensweise der Äthiopier, Waffen, Götter, Totenbehandlung, Verfassung unter Königen und Priestern     Über Meroë liegt der große Psebo-See, auf dem eine Insel liegt, die ziemlich bewohnt ist. Da die westliche Stromseite des Nils die Libyer, die jenseitige aber die Äthiopier besitzen, so kann es vorkommen, daß die Beherrschung der Inseln und des Uferlandes zwischen beiden wechselt, indem die einen, von den andern vertrieben, den Stärkeren weichen. Die Äthiopier bedienen sich auch vier Ellen langer, hölzerner und glühend gemachter Bogen. Sie bewaffnen selbst die Weiber, von denen die meisten einen kupfernen Ring in ihre Mundlippe eingehängt haben. Da sie, weil die Schafe Haare wie Ziegen haben, der Wolle entbehren, so tragen sie Felle. Einige gehen auch nackt oder umgürten sich mit kleinen Fellen oder mit schön gewebtem härenen Geflecht.
    Als Götter erkennen sie zuvörderst einen unsterblichen Gott an, welcher aller Dinge Urheber sei, dann einen sterblichen, aber namenlosen und unbekannten. Ganz allgemein achten sie auch ihre Wohltäter und Könige für Götter, und zwar die Könige als allgemeine Erhalter und Beschützer aller, die Männer aus dem Volk hingegen als besondere Götter derer, welchen von ihnen Gutes widerfuhr. Einige der neben dem verbrannten Erdgürtel Wohnenden werden aber auch für götterlos gehalten, da sie sogar die Sonne hassen und dieselbe, wenn sie ihren Aufgang erblicken, verwünschen, weil sie brenne und gegen sie Krieg führe, weshalb sie in die Sümpfe fliehen. In Meroë aber verehren sie außer einem andern barbarischen Gott auch Herakles, Pan und Isis. Die Toten werfen einige in den Fluß, andere überziehen sie mit Kristall und behalten sie zu Hause. Noch andere begraben sie in tönernen Särgen rings um die Tempel. Den Schwur bei den Toten fordern und heiligen sie unter allen am meisten.
    Zu Königen erwählen sie die, die sich durch Schönheit oder Geschicklichkeit bei der Viehzucht oder durch Tapferkeit oder Reichtum auszeichnen. In Meroë behaupteten seit alters die Priester den höchsten Rang. Sie übersandten zuweilen sogar dem König durch Boten den Befehl zu sterben und bestellten statt seiner einen andern. Späterhin aber vernichtete einer der Könige diese Sitte, welcher mit Waffen in das Heiligtum eindrang, wo der goldene Tempel steht, und alle Priester niedermachte. Auch folgendes ist äthiopische Sitte: Wenn ein König an irgendeinem Teil des Leibes irgendwie verstümmelt wird, so erleiden die, die seine nächste Umgebung bilden, dieselbe Verstümmelung, ja genau diese sterben auch mit ihm. Gerade deshalb nehmen sie den König in ihre sorgfältigste Obhut. Dieses wird über die Äthiopier genügen.
 
 

§ 4

Erwähnung einiger in Ägypten einheimischen Pflanzen und Tiere, namentlich einiger Nilfische, dann der Ichneumon, die ägyptische Otter, der Sperber und Ibis     Den ägyptischen Merkwürdigkeiten muß ich jedoch noch folgende eigentümliche beifügen, wie die ägyptische Bohne, von welcher die Trinkbecher und die Papierstaude herrühren und welche nur hier und bei den Indern wächst, die Persea oder ägyptische Mandel - aber nur hier und bei den Äthiopiern ein großer, süße und große Frucht tragender Baum -, dann jener Maulbeer, welcher die sogenannte Frucht Sykomoron oder Feigenmaulbeere trägt - denn sie gleicht einer Feige, ist aber zum Verzehr wenig geschätzt. Auch das Korsion wächst dort, eine Gewürz ähnlich dem Pfeffer, aber etwas größer.
    Fische gibt es im Nil viele und verschiedene mit eigentümlichem und gleichsam einheimischem Gepräge. Die bekanntesten davon sind der Oxyrynchos oder Stör, der Lepidotos oder Schuppenfisch, der Latos, der Alabes oder Schlangenwels, der Korakinos, der Choiros, d.i. Ferkel, der Phagrorios, auch Phagros genannt, desgleichen der Wels, der Kitharos oder Lachsscholle, die Alse und Meeräsche, der Lychnos oder Leuchter, die Physa oder Blase, der Bus oder Ochs; von Schalentieren große Windelschnecken, welche eine dem Froschquaken ähnliche Stimme hören lassen.
    Einheimische Tiere sind ferner der Ichneumon und die ägyptische Otter, welche gegenüber den Ottern anderer Länder etwas eigenes hat - es gibt sie aber zweifach, die eine, welche auch schneller tötet, spannenlang, die andere fast klafterlang, wie Nikandros, welcher die Theriaka, d.i. die Gifttiere, geschrieben hat, bestätigt -, unter den Vögeln der Ibis und der ägyptische Sperber, der zahmer ist als die Sperber anderer Länder, wie gleichfalls die Katze. Auch der Nachtrabe ist hier eigenartig, denn bei uns hat er die Größe des Adlers und eine rauhe Stimme, in Ägypten hingegen die Größe einer Krähe und eine davon abweichende Stimme. Am zahmsten jedoch ist der in Gestalt und Größe dem Storch ähnliche Ibis, allerdings zweifach in Farbe, eine Art wie der Storch, die andere ganz schwarz. Alle Straßen in Alexandrien sind voll von diesen Vögeln, einerseits zum Nutzen, andrerseits zum Schaden; zum Nutzen, weil sie jedes Kriechtier aufsammeln und allen Schmutzabfall der Fleischbänke und Fischmärkte, zum Schaden hingegen, weil sie allzu gefräßig sind und unrein und schwer abzuhalten vom Reinen und von allem, was sich mit Beschmutzung nicht verträgt.
 
 

§ 5

Noch einige ägyptische Erzeugnisse und Sitten, besonders die Beschneidung beider Geschlechter. Nur wenige Fische wandern den Nil aufwärts wegen der Krokodile, einige aber doch und welche und aus welchen Ursachen     Wahr ist auch Herodots Nachricht, daß es ägyptische Sitte ist, den Lehm mit den Händen, den Teig zum Brotbacken hingegen mit den Füßen zu kneten. Auch der Kakes, eine eigene Art Brot, ein Mittel, welches den Durchfall hemmt, ist ägyptisch; ebenso das Kiki oder der Wunderstrauch, eine auf Feldern ausgesäte Frucht, aus welcher Öl gepreßt wird, teils für die Lampen fast aller Bewohner des Landes, teils zu Salben für die Ärmeren und Arbeitsleute, Männern wie Weibern. Auch die Kukina sind ägyptische Geflechte von einer gewissen Pflanze und gleichen dem Binsen- und Palmengeflecht. Das Gerstenbier wird bei den Ägyptern zwar nach eigener Weise bereitet, es ist aber vielen Völkern gemein, auch ist bei jedem die Zubereitung verschieden. Die geborenen Kinder alle aufzuziehen, dieses ist ebenfalls eine ihrer sorgfältigsten Bestrebungen, ebenso das Beschneiden und das Ausschneiden der Mädchen, wie es gleichsam bei den Judäern gebräuchlich ist. Denn auch diese sind, wie wir schon in ihrer Darstellung erwähnten, ursprünglich Ägypter.
    Aristobulos sagt, wegen der Krokodile gehe kein Fisch aus dem Meer den Nil hinauf außer der Meeräsche, der Alse und dem Delphin, die Delphine, weil sie stärker seien, die Meeräschen, weil sie einem natürlichen Hang zufolge an Land vom Choiros begleitet werden. Des Choiros aber enthielten sich die Krokodile, weil er rund sei und auf dem Kopf Stacheln habe, welche für diese Tiere eine Gefahr darstellen. Im Frühling also steigen die Meeräschen mit ihrem Laich hinauf, doch kurz vor Untergang der Plejaden, wenn sie laichen wollen, streichen sie scharenweise hinab. Dann fängt man sie auch, indem sie haufenweise in die Umfassungen einlaufen. Man darf vermuten, daß es auch bei der Alse einen ähnlichen Grund gibt. Dieses genüge auch über Ägypten.