Belagerungsmaschinen kennt man schon seit der Antike, wo es hauptsächlich galt, Mauerwerk zu brechen. Im Mittelalter sind im wesentlichen keine neuen Gattungen mehr hinzugekommen, doch verloren sie ihre Bedeutung erst mit Erfindung des Pulvergeschützes. Es gibt wenig originale Literatur zu ihrer Konstruktion und Wirkungsweise. Der folgende Auszug aus Ammianus Marcellinus, Römische Geschichte, Dritter Teil, 23. Buch, 4. Kapitel, versucht einen Abriß über die wichtigsten im ausgehenden Altertum verwendeten Formen zu geben:
»Die Sache selbst
veranlaßt mich, diese Arten von Maschinen für die, die sie
nicht kennen, kurz und bündig zu beschreiben, soweit es ein
mittelmäßiger Verstand vermag. Zuerst soll die
Gestalt des Ballisten erläutert werden. Ein starkes und langes
Eisen wird zwischen zwei Pfosten befestigt und ragt hervor wie
ein großes Richtholz. Aus dessen gedrechselter Krümmung, die in
der Mitte ein geglätteter Teil zusammenhält, ragt ein
viereckiger Pfahl weit heraus, der in gerader Richtung mit einer
schmalen Rinne ausgehöhlt und mit einem starken Seil aus
gedrehten Sehnen fest angebunden ist. Mit ihm werden zwei
hölzerne Walzen passend verbunden, bei deren einer ein
Richtmeister seinen Platz einnimmt und genau in die
Höhlung des Balkens einen hölzernen Pfeil einlegt, der mit
einer großen Pfeilspitze versehen ist. Sobald dies geschehen
ist, drehen auf beiden Seiten starke junge Männer hurtig die
Winde. Sobald die äußerste Spitze bis zur vollsten Spannung der
Sehnen gelangt ist, fliegt der Pfeil, durch die innere Bewegung
geschnellt, von dem Ballisten weg außer Sichtweite, bisweilen
von der allzu großen Erhitzung Funken sprühend. Öfters kommt
es vor, daß der Schmerz die tödliche Wunde anzeigt, bevor man
das Geschoß erblickt.
Die Gestalt des Skorpions, den man jetzt
"Wildesel" nennt, ist der Art: Zwei Bretter aus dem
Holz der Sommer- oder Steineiche werden bearbeitet und mäßig
gekrümmt, so daß sie sich in Höcker zu erstrecken scheinen.
Sie werden in Form einer Sägemaschine miteinander
verbunden und auf beiden Seiten weit durchbohrt. Zwischen diesen
Höhlungen werden starke Taue angebunden, die das Gefüge
zusammenhalten, damit es nicht auseinanderspringt. Von der Mitte
dieser Taue ragt ein hölzerner Arm schräg hervor und erstreckt
sich nach oben wie eine Wagendeichsel. Er wird in die Wicklungen
der Sehnen so eingelassen, daß er nach oben gehoben und geneigt
werden kann. An seiner höchsten Spitze werden eiserne Widerhaken
angebracht, von denen eine Schlinge aus Hanf oder Eisen
herabhängt. Vor diesem Holzarm wird eine große Bettung
ausgebreitet, ein rauhes, mit Spreu vollgestopftes Gewebe, das
mit starken Bändern angebunden wird. Die Maschine wird auf
zusammengehäufte Grasplatten oder auf einen Haufen von
Ziegelsteinen gestellt. Denn wenn eine derartige
schwere Kriegsmaschine auf eine Mauer aus Stein gesetzt wird,
zertrümmert sie alles unter sich durch die Gewalt der
Erschütterung, nicht durch ihr Gewicht. Wenn es nun zum Kampf
kommt, legt man einen runden Stein in die Schlinge, und vier
junge Männer auf jeder Seite ziehen die Riegel, mit denen die
Taue verbunden sind, zurück und beugen den Arm fast rücklings.
Dann erst entriegelt der oben stehende Meister den Verschluß,
der die Bindungen des ganzen Geschützes zusammenhält, mit einem
kräftigen Hammerschlag. Dadurch wird der Arm frei und schleudert
mit einem kurzen Ruck, durch das weiche Polster aufgehalten, den
Stein, der alles zerschmettern wird, was er trifft.
Torsionsgeschütz heißt das Stück daher, weil die ganze
Funktion durch Drehen bewirkt wird; "Skorpion" nennt
man es, da es ja einen nach oben gerichteten Stachel hat. Auch
hat man ihm neuerdings die Bezeichnung "Wildesel"
gegeben, weil die wilden Esel, wenn sie auf der Jagd gehetzt
werden, durch Ausschlagen mit den Hufen Steine so weit nach
hinten schleudern, daß sie den Verfolgern die Brust
durchlöchern oder die Knochen zerbrechen und selbst den Kopf
zerschmettern.
Jetzt kommen wir zum Rammbock. Man
wählt eine hohe Tanne oder Bergesche aus und umschließt ihre
Spitze mit einem festen und starken Eisenbeschlag. Dabei erhält
man die Form eines Widderkopfes, der aus dem Körper hervorragt
und der Maschine den Namen gegeben hat. Den Stamm hängt man
beiderseits an querverlaufenden und eisenbeschlagenen Bohlen auf.
Wie an einer Waage wird er mit Bindungen eines zweiten Balkens
festgehalten. Eine Menge von Leuten zieht ihn nun, soweit es die
Ausmaße erlauben, nach hinten und läßt ihn wieder nach vorn
schwingen, so daß er alles, was ihm entgegensteht, zerbricht,
und zwar mit stärksten Stößen, gerade so wie ein Bock anspringt
und zurückweicht. Wenn die Gebäude durch seine häufigen
Stöße wie durch die wiederkehrende Gewalt eines Blitzes Risse
bekommen haben, fallen die gelockerten Mauerwerke zusammen.
Sobald durch eine derartige Arbeit bei voller Kraftentfaltung die
Zerstörung erreicht ist, stehen die Verteidiger ohne Schutz da,
die Belagerung geht somit zu Ende, und selbst die am stärksten
befestigten Städte liegen offen da.
Anstelle dieser sinnvoll ausgedachten
Sturmböcke, die man schon wegen ihrer Häufigkeit wenig
schätzt, erbaut man eine Maschine, die bereits den Historikern
bekannt ist und die wir Griechen "Städtebrecher" nennen.
Nachdem Demetrius, der Sohn des Königs Antigonos, Rhodos und
andere Städte unter ständiger Verwendung dieser Maschine
erobert hatte, erhielt er den Beinamen Poliorketes. Diese
Maschine stellt man folgendermaßen her: Ein riesenhaftes
Sturmdach wird erbaut, wobei man sehr lange, kräftige Bohlen
verwendet und diese mit eisernen Nägeln aneinanderfügt. Dann
bedeckt man es mit Rindshäuten und einem Geflecht von frischen
Zweigen und besprengt seine Oberfläche mit Schlamm, damit er die
Gefahr von Bränden und Wurfgeschossen verringert. An seiner
Stirnseite befestigt man dreifache, sehr scharfe Pfeilspitzen aus
Eisen von großem Gewicht, ähnlich wie uns Maler und Bildhauer
Blitze darstellen. Wenn die Maschine ihre Stacheln hervorstreckt,
reißt sie alles fort, was sie erreichen kann. Diese so gewaltige
Masse setzt eine zahlreiche Mannschaft von innen her durch Räder
und Taue in Bewegung und lenkt sie unter Anspannung aller Kräfte
gegen eine schwache Stelle in der Mauer. Wenn die oben stehenden
Verteidiger nicht über sehr stärke Kräfte verfügen,
zerschmettert die Maschine die Mauern und legt einen breiten
Zugang frei.
Brandpfeile, eine Art Geschoß, verfertigt man
in folgender Weise: Der Pfeil ist aus Rohr. Er wird zwischen
Spitze und Pfeilschaft mit einem gespaltenen Eisenblech
zusammengehalten, ganz in der Form eines Spinntockens der Frauen,
womit die Leinenfäden gesponnen werden; innen wird er
sorgfältig ausgehöhlt und mit vielen Löchern versehen. In der
Höhlung nimmt der Pfeil Feuer mit einem brennbaren Stoff auf.
Entsendet man den Pfeil mit mäßiger Kraft von einem schwachen
Bogen - durch einen zu schnellen Schuß wird die Flamme nämlich
ausgelöscht - und bleibt er irgendwo hängen, so brennt er
beharrlich weiter. Übergießen mit Wasser ruft nur heftigeres
Feuer hervor, und es gibt kein anderes Mittel, es zu löschen,
als Sand darüber zu werfen. Soweit über die
Belagerungsmaschinen, von denen ich nur wenige genannt habe.
Jetzt will ich zum Gang der Ereignisse zurückkehren.«